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#Katzenfutter auf dem Nachttisch

Katzenfutter auf dem Nachttisch

Immer wieder dreht Richter Martin Gierke an diesem Morgen den Ordner mit den Fotos um, damit sich Zeugen vor dem Richtertisch darüber beugen können. Es geht dabei meist um die Frage, ob die heute 37 Jahre Inhaberin der Wohnung in dem Chaos übernachtet und gelebt haben kann, das offenbar auf den Bildern zu sehen ist. Oder ob ihre damals 99 Jahre alte Großmutter dort für längere Zeit allein im Bett lag.

Bernhard Biener

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Hochtaunuskreis.

Die Frau hatte am 29. Dezember 2018 um Hilfe gerufen, wie schon häufiger zuvor. Die Feuerwehr brach die im siebten Stock gelegene Wohnung in Neu-Anspach auf, auch dies nicht zum ersten Mal. Einer der damals herbeigerufenen Sanitäter beschrieb beim Prozessauftakt die Greisin als verwirrt und in schlechtem Allgemeinzustand, weil sie weder etwas zu essen noch zu trinken gehabt habe. Deswegen ist ihre Enkelin jetzt vor dem Bad Homburger Amtsgericht wegen Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt.

Was die Bilder auf dem Richtertisch zeigen, ist für einen der Polizisten, die damals im Einsatz waren, „nicht mit Worten zu beschreiben“. Dazu gehört der „bestialische Gestank“, der Müll, durch den kleine Wege geführt hätten, und die 20 Tiere. Vier Katzen, ein Dutzend Kaninchen und auch Vögel befanden sich in der Zwei-Zimmer-Wohnung.

Die Helfer stießen zudem auf einen Tierkadaver. „Eine Messi-Wohnung“, sagte der Polizist im Zeugenstand, mit das Schlimmste, was er bisher gesehen habe. Auf dem Nachttisch neben dem Bett der Frau habe eine halb leere Dose Katzenfutter mit einem Löffel darin gestanden. „Unmenschlich, traurig, erniedrigend“ nannte der Beamte die Zustände.

„Dann lag die Oma morgens ohne Essen da“

Die angeklagte Enkelin, die ohne Verteidiger gekommen war, wies die Vorwürfe zurück. Sie hatte nach eigenen Angaben nur die Nacht vor dem 29. Dezember bei ihrem Freund verbracht. „Dann lag die Oma morgens ohne Essen da und wir wollten einkaufen.“ Das Katzenfutter habe sie ins Blickfeld der Großmutter gestellt, damit sie sehe, dass die Tiere versorgt seien.

Seit dem Sommer 2018 sei sie selbst wegen einer Depression teilstationär in einer Klinik behandelt worden. Zu ihrem Zustand habe auch das Mobbing anderer Hausbewohner beigetragen. Diese hätten mehrfach die Feuerwehr gerufen. „Auch wenn wir nur kurz zur Apotheke gegangen sind.“

Ein Nachbar in der Wohnung ein Stockwerk tiefer, der sich über den Lärm der Tiere, aber auch das regelmäßige Klopfen der Großmutter beschwerte, wählte häufiger die Notrufnummer 112. Die Frau habe oft um Hilfe gerufen. „Ob aus Gewohnheit oder purer Not war schwer zu unterscheiden.“ Ein Nachbar von oben hatte den Schlüssel zur Wohnung. Er sei vorher zwei Mal dort gewesen, weil die Oma das Glas nicht erreicht und es ein anderes Mal umgefallen gewesen sei. Damals habe es nicht so schlimm ausgesehen.

Schließlich in der Kurzzeitpflege

Nach zehn Tagen in der Klinik kam die Großmutter zu ihrer Enkelin zurück. Eine Mitarbeiterin des sozialpsychologischen Dienstes stellte später bei einem Hausbesuch fest, dass zumindest das Wohnzimmer normal ausgesehen habe, wenn auch nicht „superordentlich“. Das Bad allerdings sei vollgestellt gewesen. Sie habe wegen der Depressionen der Enkelin einen neutralen Betreuer vorgeschlagen und den Eindruck gehabt, die Großmutter werde nicht gut versorgt.

Im Frühjahr 2019 zog die Angeklagte mit ihrem Freund und der Oma in eine Wohnung nach Glashütten. „Nach dem Krankenhausaufenthalt war klar, dass die Großmutter nicht allein bleiben konnte“, sagte ihr damaliger Partner aus. „Ich dachte, wenn wir zusammenziehen, können wir es irgendwie schaffen.“

Anfang November 2019 stürzte die inzwischen Hundertjährige in der Wohnung, kam ins Krankenhaus und schließlich in die Kurzzeitpflege. Sie starb im Februar 2020. „Als sie ins Weilburger Krankenhaus gekommen ist, wog sie noch 40 Kilogramm“, sagte die Staatsanwältin. Auf den November 2019 bezieht sich ein zweiter Tatvorwurf der Körperverletzung durch Unterlassen.

Die Sanitäter, die knapp ein Jahr vorher in das Mehrfamilienhaus nach Neu-Anspach kamen, hatten den Eindruck, es sei schon länger niemand bei der Großmutter gewesen. Einer von ihnen hatte in seinem Bericht dick unterstrichen: „Darf auf keinen Fall in die Wohnung zurück.“ Dennoch war sie bald wieder dort. Was er sich gedacht habe, als er davon hörte, fragte Richter Gierke den Sanitäter. „Dass es so wie immer läuft.“ Der Prozess wird fortgesetzt.

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