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Klingt einfach gut

Emilia? Emilia! So hieß doch ein Mädchen aus der Kindergartengruppe unseres Sohnes? Da hätten wir dann also eine Expertin für den Erfolgsnamen. Denn Emilia, das wurde in dieser Woche bekannt, ist der beliebteste Mädchenvorname in Deutschland. Kein anderer Vorname wurde nach Angaben der Gesellschaft für deutsche Sprache im vergangenen Jahr öfter an neugeborene Mädchen vergeben. Auf Emilia folgen Hanna(h), Emma, Sophia/Sofia, Mia, Lina, Mila, Ella, Lea(h) und Clara/Klara. Warum also diese Spitzenreiterin? Fragen wir die Expertin.

Alfons Kaiser

Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

Hallo Emilia, wie geht’s? „Mir geht es super.“ In welcher Klasse bist du jetzt eigentlich? „In der sechsten, ich bin jetzt elf Jahre alt.“ Und weißt du auch, warum deine Eltern dich Emilia genannt haben? „Sie fanden den Namen einfach schön. Meine Oma hatte auch Felicia vorgeschlagen. Aber zum Glück heiße ich Emilia.“ Dir gefällt dein Name also? „Ja, sehr. Er klingt gut und harmonisch. Emilia kommt aus dem Lateinischen und heißt ,die Eifrige‘, ,die Ehrgeizige‘. Und Leute sagen mir oft, dass ich mir gern ein Ziel setze.“ Du bist also gut in der Schule? „Meine letzten Durchschnittsnoten waren 1,7 und 1,4.“ Und kennst du noch weitere Emilias? „Ja, in meiner Klasse gibt es noch eine, wir sind auch befreundet.“

Nomen est omen: Diese Emilia scheint wirklich ein eifriges Mädchen zu sein. Wie nebenbei klärt sie auch darüber auf, warum der Name eine solche Karriere machen konnte: Ihre Eltern fanden ihn „einfach schön“. Ihre Mutter Adrijana bestätigt das: Emilia klinge gut, sei einfach auszusprechen und in vielen Sprachen verbreitet – für eine Familie mit internationalem Hintergrund, die in der internationalen Stadt Frankfurt lebt, ist das ein wichtiges Motiv.

Der Wohlklang ist heute entscheidend bei der Suche nach einem Namen für das Kind. Man erkennt das an einem kuriosen Detail: Die beliebtesten zehn Mädchennamen enden alle auf a. Das klingt weich, weiblich, friedfertig, nett, geradezu „stereotyp“, wie die Mainzer Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling meint. Aber es scheint eine sehr starke Bewegung zu sein: Sogar Marie, sonst immer weit vorne, wurde auf den elften Platz abgedrängt. Dafür kam Lea nach oben, natürlich mit a am Ende und sogar Buchstabe für Buchstabe wohlklingend: Der einzige Konsonant, das L, ist ein weicher Fließlaut.

Der Trend zum Eingängigen ist nicht mehr aufzuhalten. Es brauchte ein paar Jahrhunderte, aber jetzt ist er voll da. Und das kam so: Früher war die Wahl des Namens nicht wirklich eine, Familie und Kirche bestimmten alles. Vornamen zeugten sich fast wie Familiennamen über Generationen fort. Das führte zu einem stabilen Zusammengehörigkeitsgefühl, aber auch: zu Monotonie. Im 19. Jahrhundert kam es gar nicht so selten vor, dass jeder fünfte Mann in einer Stadt Johann und jede fünfte Frau Elisabeth hieß. Dauernd gab es Verwechslungen, wie bei den österreichischen Komponisten Johann Strauss Vater und Johann Strauss Sohn. Wer weiß schon, wer von den beiden den „Radetzky-Marsch“ komponiert hat? (Der Vater.)

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das. Die Deutschen wurden zu Reiseweltmeistern, Gastarbeiter kamen, Populärkultur wurde Mainstream, Kirche, Großeltern und Patentanten verloren langsam an Autorität. Vornamen wurden vielfältiger: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland mehr als 65 000 verschiedene Namen gemeldet. Vornamen wurden internationaler: Man denke an Nicole und Nadine, an Matteo oder Mohammed. Vornamen wurden seltsamer: Die vielen Kevins bekommen es immer wieder zu spüren. Dabei sind sie späte Nachfahren des tollen Fußballspielers Kevin Keegan und des Schauspielers Kevin Costner. Auch die Mutter von Kevin Kühnert verehrte Keegan, der von 1977 bis 1980 für den Hamburger SV (damals noch erste Liga) spielte.

Aber auch die großen Idole sind nicht mehr das, was sie mal waren. Heute regiert der Wohlklang: Die Eufonie besetzt die Leerstelle, die das Verschwinden alter Bindungen gelassen hat. Womit wir bei den Jungs wären. Denn die haben sich in den vergangenen Jahrzehnten noch stärker entwickelt als die Mädchen. Auf ihrem Weg von den Traditionen zum Wohlklang sind sie den Mädchen sozusagen in die Arme gelaufen – denn auch sie klingen nun weich, klar und eingängig.

Noah ist der beliebteste Jungenvorname

Zum Beispiel Noah, der beliebteste Jungenvorname des vergangenen Jahres, wie die Gesellschaft für deutsche Sprache bei der Befragung von mehr als 700 Standesämtern herausfand. Auf ihn folgen Leon, Paul, Mat(h)eo/Matt(h)eo, Ben, Elias, Finn, Felix, Henry/Henri, Louis/Luis. Warum also dieser Spitzenreiter? Fragen wir einen Experten namens Noah, der mit unserem Sohn im Kindergarten war – wie es der Zufall oder vielmehr die Wahrscheinlichkeit will.

Hallo Noah, wie geht’s? „Alles klar.“ Wie alt bist du jetzt? „16.“ Und warum haben deine Eltern dich Noah genannt? „Es ist ein kurzer Name, den man schnell aussprechen kann.“ Bist du zufrieden damit? „Sehr. Einer der Vorteile: Man kann ihn nicht verniedlichen mit einem i am Ende.“ Wusstest du, dass es gerade der beliebteste Jungenname ist? „Echt? Nein. Ist ja eine Ehre. Übrigens ist es ohne h auch ein Mädchenname.“

Immerhin: In diesem Namen steckt noch das Alte Testament. „Es ist ein biblischer Name, der nicht altmodisch klingt“, sagt Noahs Mutter. Mit dem Bau seiner Arche und durch seine Frömmigkeit hat also der Urvater aus dem Buch Genesis auch seinen Namen vor der Sintflut gerettet: 3000 Jahre, heil überstanden. Womöglich schwingt bei aller Eufonie doch noch eine Ahnung vom Alten mit.

Oder ist das nur ein frommer Wunsch? Im Fünftplatzierten Ben erkennt man kaum noch den alttestamentarischen Benjamin. Wer seinen Sohn Paul nennt, denkt eher nicht an den Apostel Paulus. Und wird ein Junge namens Elias jemals erfahren, dass es auch mal einen Propheten gleichen Namens gab? Wohl kaum. Es soll halt einfach nur schön klingen. Aber dadurch hört sich das alles auch irgendwie steril an. Am Ende wirken die kurzen Silben und die weichen Vokale fast schon eintönig. Ist das dann noch Wohlklang?

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