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#Kohlenstoff-Förderband in arktischer Tiefe entdeckt

„Kohlenstoff-Förderband in arktischer Tiefe entdeckt

Die Bedeutung des Nordpolarmeeres als Kohlenstoffsenke wird möglicherweise unterschätzt: Eine bisher unbekannte Strömung befördert kohlenstoffhaltige Biomasse aus arktischen Randmeeren in die Tiefe des Nordpolarmeeres, haben Forscher festgestellt. Den Modellberechnungen zufolge könnte der seitliche Einstrom aus der Barents- und Karasee in das Nansenbecken jährlich bis zu 3,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid für Jahrtausende in der arktischen Tiefsee binden. Vermutlich gibt es noch weitere ähnliche Zuflüsse, sodass die Bedeutung des Systems bei der Rolle der arktischen Tiefsee als Kohlenstoffsenke noch wesentlich größer sein könnte, sagen die Wissenschaftler.

Er wird in Form von CO2 aus der Atmosphäre gebunden, in Biomasse eingebaut und dann durch Abbauprozesse oder Verbrennung wieder freigesetzt: Der Kohlenstoff durchläuft auf unserem Planeten einen Kreislauf mit fundamentaler Bedeutung für das Leben und das Klima. Deshalb ist auch das Verständnis der komplexen Transport- und Umwandlungsprozesse im Rahmen dieses Systems so wichtig. Nur so lassen sich globale Kohlendioxidbudgets einschätzen sowie Prognosen zur Erderwärmung erstellen. Eine zentrale Rolle im Rahmen des Kohlenstoffkreislaufs kommt dabei den Ozeanen zu: An der Meeresoberfläche nehmen einzellige Algen CO2 aus der Atmosphäre auf und sinken nach ihrem Tod in die Tiefe. Erreicht der so gebundene Kohlenstoff das Tiefenwasser, wird er erst wieder frei, wenn das Wasser durch Umwälzströmungen wieder an die Meeresoberfläche gelangt. Manchmal wird die Biomasse allerdings auch in Sedimenten abgelagert und kann dadurch über sehr lange Zeiträume gebunden bleiben.

Fragender Blick auf den arktischen Ozean

Dieser auch als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnete Prozess kann somit Kohlenstoff für sehr lange Zeiträume aus der Atmosphäre entfernen und stellt damit eine wichtige Senke im Kohlenstoffkreislauf unseres Planeten dar. Eine vergleichsweise geringe Bedeutung wird dabei bisher dem Nordpolarmeer zugesprochen. Denn seine biologische Produktivität ist im Vergleich zu anderen Ozeanen begrenzt: Durch die lange Polarnacht und die weitreichende Meereisbedeckung fehlt oft Licht und zudem ist das Nährstoffangebot eingeschränkt. Dadurch haben die winzigen Algen in den oberen Wasserschichten im Vergleich zu anderen Weltmeeren schlechte Wachstumsbedingungen und können weniger Biomasse aufbauen.

Deshalb sorgten die Messungen des Forscherteams um Andreas Rogge vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, zunächst für Erstaunen: Während der Expedition „ARCTIC2018“ im Sommer 2018 mit dem Forschungsschiff Akademik Tryoshnikov entdeckten die Wissenschaftler im Nansenbecken im zentralen Nordpolarmeer große Mengen von Kohlenstoff in der Form von Partikeln aus Biomasse. Genauere Untersuchungen zeigten dann, dass der kohlenstoffreiche Wasserkörper in eine Tiefe von bis zu zwei Kilometern reicht. Es zeichnete sich schließlich ab, dass es sich um Bodenwasser aus der Barentssee beziehungsweise der Karasee handelt – zwei südlich an das Becken anschließende flache Randmeere des arktischen Ozeans. Wie die Forscher erklären, handelt es sich um Wasser, das entsteht, wenn sich im Winter Meereis bildet. Das kalte, schwere Wasser sinkt dort ab und fließt dann schließlich vom flachen Schelf an der Küste den Kontinentalhang hinab in das tiefe arktische Becken. Die Fahne mit dem kohlenstoffreichen Wasser reicht dabei vom Schelf der Barents- und Karasee bis zu etwa 1000 Kilometer weit in das arktische Tiefseebecken, sagen die Forscher.

Eine Kohlenstoffsenke zeichnet sich ab

Modellrechnungen zeigten, dass der Ausstrom dabei in saisonalen Pulsen erfolgt, da auch die Aufnahme von CO2 durch das Phytoplankton in den arktischen Küstenmeeren ausschließlich im Sommer erfolgt. „Auf der Grundlage unserer Messungen konnten wir außerdem berechnen, dass durch diesen Wassermassentransport mehr als 2000 Tonnen Kohlenstoff pro Tag in die arktische Tiefsee strömen, was 8500 Tonnen atmosphärischen Kohlendioxids entspricht. Hochgerechnet auf ein Jahr liegt das mit 3,6 Millionen Tonnen CO2 in der Größenordnung der Jahresemissionen von Island“, sagt Rogge. Über diesen neu beschriebenen Mechanismus wird vor allem durch die Barentssee etwa 30 Prozent mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt als bisher angenommen, so die Wissenschaftler.

Wie sie betonen, ist das bisher entdeckte Kohlenstoff-Förderband möglicherweise nur eines von mehreren. Denn es gibt in den polaren Schelfmeeren noch weitere wenig erforschte Gebiete, in denen Bodenwasser gebildet wird und in die Tiefsee strömen könnte. Die globale Bedeutung dieses Systems als Kohlenstoffsenke und damit im Klimasystem könnte demnach noch wesentlich größer sein, als sich bisher gezeigt hat, sagen die Wissenschaftler.

Wie Rogge abschließend zu bedenken gibt, erscheint allerdings fraglich, wie sich das System in der Folge der starken Klimaerwärmung im hohen Norden weiterentwickeln wird: „Die zunehmende Erderwärmung trägt dazu bei, dass weniger Eis und somit weniger Bodenwasser gebildet wird. Andererseits führt sie aber auch dazu, dass mehr Licht und Nährstoffe für das Phytoplankton verfügbar sind, sodass mehr CO2 gebunden wird. Somit ist die zukünftige Entwicklung dieser Kohlenstoffsenke momentan nicht abschätzbar und die Identifikation eventueller Kipppunkte erfordert dringend weitere Forschung“, sagt der Wissenschaftler.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: Nature Geoscience. Doi: 10.1038/s41561-022-01069-z

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