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#Kolibris: Flugleistung dank Gen-Verlust

„Kolibris: Flugleistung dank Gen-Verlust

Im Schwebeflug schwirren sie von Blüte zu Blüte – welche genetische Grundlage den Kolibris diese extrem energieaufwändige Fortbewegungsweise ermöglicht, haben nun Forscher ausgelotet. Im Fall der winzigen Luftakrobaten brachte offenbar weniger mehr: Durch den Verlust der Funktion eines speziellen Stoffwechselgens können Kolibris im Vergleich zu anderen Vögeln mehr Energie umsetzen und damit ihre hohe Flugleistung erbringen, geht aus der Studie hervor.

Bis zu achtzig Mal schlagen ihre Flügel in der Sekunde: Die Kolibris haben eine der erstaunlichsten Fortbewegungsweisen im Tierreich hervorgebracht. Die extrem hohe Schlagfrequenz ihrer Flügel ermöglicht es den Vertretern dieser tropischen Vogelgruppe, wie Hubschrauber in der Luft zu schweben. Im Gegensatz zu anderen Vögeln können die oft nur daumengroßen Winzlinge dadurch nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts und seitwärts fliegen. So konnten sie sich eine spezielle Nahrungsquelle optimal erschließen: Schwebend tanken sie mit ihren langen Schnäbeln Nektar aus Blüten und schwirren gewandt von einer Quelle zur nächsten. Ihre erstaunlichen Flugleistungen können sich die Kolibris wiederum nur durch den süßen Treibstoff leisten. Denn ihr rasanter Flügelschlag ist extrem energiebedürftig.

Genetischen Rezepten auf der Spur

Um die Energie aus dem Zucker des Blütennektars im Körper freizusetzen, besitzen die Kolibris bekanntermaßen die höchste Stoffwechselrate unter allen Wirbeltieren. Es sind bereits biochemische Anpassungen bekannt, die dies ermöglichen, aber die zugrunde liegenden genomischen Veränderungen sind weitgehend unbekannt. Diesem Forschungsthema haben sich nun die Wissenschaftler um Ekaterina Osipova vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden gewidmet. Für ihre Studie sequenzierten sie das Genom des Langschwanz-Schattenkolibris (Phaethornis superciliosus). In Kombination mit genetischen Informationen weiterer Kolibriarten verglichen sie es dann mit dem Erbgut von 45 „normalen“ Vögeln, darunter Hühner, Tauben und Adler.

Wie die Wissenschaftler berichten, stießen sie dabei auf eine markante Besonderheit im Erbgut der Kolibris: Dieser Vogelgruppe fehlt offenbar ein funktionales Gen für das Muskelenzym Fructose-Bisphosphatase 2 (FBP2). In Analysen der Verwandtschaftsbeziehungen der Vögel spiegelte sich wider, dass dieses Gen offenbar bereits beim gemeinsamen Vorfahren aller Kolibris verloren gegangen ist. Dies geschah demnach vor rund 48 bis 30 Millionen Jahren – in der Phase, in der sich der Schwebeflug bei den Kolibri-Vorfahren wahrscheinlich ebenso entwickelte wie ihre Spezialisierung auf die Ernährung durch Blütennektar. Somit lag nahe, dass der Verlust von FBP2 eine evolutionäre Bedeutung für die metabolische Anpassungen an den Schwebeflug gespielt hat. Doch was genau bewirkt das fehlende Enzym?

Optimal befeuerter Stoffwechsel

Dieser Frage gingen die Forscher durch Untersuchungen an Muskelzelllinien von Wachteln im Labor nach. Mithilfe der CRISPR/Cas-Genschere deaktivierten sie bei einer Gruppe das natürlicherweise bei diesen Vögeln funktionale FBP2-Gen, wodurch das Enzym nicht gebildet wurde. „Wir konnten durch diese Experimente zeigen, dass das gezielte Ausschalten des FBP2-Gens den Zuckerstoffwechsel steigert. Weiterhin ergaben unsere Analysen, dass parallel dazu auch die Anzahl und die Aktivität der für die Energieproduktion wichtigen Mitochondrien steigen“, berichtet Osipova. Für Wachtel und Co sind diese Effekte energetisch nicht sinnvoll. Doch den Kolibris ermöglichen diese Wirkungen des fehlenden Enzyms offenbar eine optimierte Energieversorgung für ihren aufwändigen Flügelschlag.

„Da das Gen für FBP2 ausschließlich in Muskelzellen aktiv ist, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass der Verlust dieses Gens in den Vorfahren der Kolibris vermutlich einen wichtigen Schritt für die Anpassungen des Muskelstoffwechsels darstellt hat, der für den Schwebeflug erforderlich war“, resümiert Seniorautor Michael Hiller von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main das Ergebnis der Studie. Neben dieser genetischen Besonderheit ergaben die Untersuchungen noch mehr Hinweise auf genomische Veränderungen bei den Kolibris, berichten die Wissenschaftler. Es zeichnet sich demnach ab, dass bestimmte weitere Selektionsprozesse zu Veränderungen in Erbanlagen geführt haben, die ebenfalls mit dem Zuckerstoffwechsel verbunden sind. „Die Bedeutung dieser Genänderungen für die evolutionären Anpassungen im Stoffwechsel der Kolibris können sicherlich weitere Studien und Experimente klären“, so Hiller abschließend.

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abn7050

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