Nachrichten

#Kolumne „Uni live“: Angst im Studium

Laut aktuellen Studien geht es Studierenden immer schlechter. Sie fühlen sich häufiger gestresst und überfordert, viele leiden an psychischen Erkrankungen. Wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Auch ich habe manchmal schwitzige Hände oder einen trockenen Hals, wenn ich vor meinen Kommilitonen präsentieren muss. Ich würde auch immer eine 20-seitige Hausarbeit einer Klausur vorziehen, um mir die Aufregung und die nervenaufreibenden Tage kurz vor der schriftlichen Prüfung zu ersparen. Habe ich genug gelernt? Kommt auch das dran, was ich gelernt habe? Was mache ich, wenn doch der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ich alles vergesse, war dann die ganze Mühe umsonst?

Das sind Fragen, die sich wohl fast jeder irgendwann in einer Klausurenphase gestellt hat, weil Angst auch einfach natürlich ist und zum Menschen dazugehört. Manche fürchten sich vor der Dunkelheit, andere davor, vor anderen Menschen reden zu müssen. Wenn die Angst krankhaft wird, kann das Studium zur Qual werden.

Nicht lange warten

Emilia kann schon Wochen vor Klausuren an nichts anderes mehr denken. „Bevor die Klausurenphase überhaupt begonnen hat, bekomme ich Zitteranfälle – und dass bei alltäglichen Dingen wie dem Kochen oder dem Spazierengehen. Manchmal kann ich meinen Stift beim Lernen nicht richtig halten, weil meine Hand so stark zittert.“ Sie fängt deshalb nicht nur schon sehr früh mit den Klausurvorbereitungen an, sondern schränkt sich auch in anderen Lebensbereichen ein. So verlässt sie nur selten das Haus: „Wenn meine Freunde versuchen, mich nach draußen zu bekommen, lehne ich oft ab, weil sich das einfach falsch anfühlt. Wenn ich doch nachgebe, merke ich erst, wie gut das tut, mal abzuschalten und nicht nur ans Lernen zu denken.”

Laut Maria-Magdalena Attenberger wird Angst pathologisch, wenn die Konfrontation damit ein starkes Unbehagen auslöst und man bei dem Versuch, diesem Unbehagen zu entgehen, seine Lebensführung stark einschränkt. „Man sollte aber gar nicht erst abwarten, bis es so weit kommt“, sagt sie im Gespräch. Aus Sicht der Beratungsarbeit muss nicht unbedingt schon eine psychische Erkrankung vorliegen, bevor man professionelle Hilfe einholt, es reicht schon, wenn man merkt, dass, dass Thema Angst einen besonders beschäftigt und man frühzeitig und präventiv daran arbeiten möchte.

Maria-Magdalena Attenberger ist Psychologin und psychologische Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie, sie arbeitet auch als Beraterin in der psychotherapeutischen Beratungsstelle der Goethe-Universität. An eine solche Beratungsstelle hat sich auch Emilia gewendet, als sie merkte, dass es wie bisher einfach nicht mehr weiter gehen kann. „Bevor die Klausuren beginnen, habe ich jetzt regelmäßige Sprechstunden mit einer Psychologin an meiner Uni“, sagt sie, „dort lerne ich verschiedene Methoden kennen, um mit meiner Angst umzugehen und bekomme den Raum, über meine Angst zu sprechen.“

Studium und danach?

Zu Beginn des Studiums drehten sich bei mir und meinen Kommilitonen oft die Gespräche um die Zukunft und damit verbundene Ängste. Hätte man vielleicht doch auf die Eltern hören und etwas studieren sollen, was sichere berufliche Perspektiven vorzuweisen hat? Während man die ersten Wochen noch naiv in sein Studium hineingetaumelt ist, wurde man nach den ersten paar Monaten auf den harten Boden der Realität zurückgeholt. Viele meiner damaligen Kommilitonen wechselten das Studium, bevor das erste Semester überhaupt zu Ende war, um zum Beispiel auf Jura oder Lehramt umzuschwenken.

Auch bei Lina haben Zukunftsängste ihre Studienwahl stark beeinflusst. „Ich dachte mir, wenn ich Bioinformatik studiere, finde ich später leichter einen gut bezahlten Job“, sagt sie. Lina ist schon früh von Zuhause weggezogen, weil sie ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter hat. Da diese sie nicht finanziell unterstützen kann, ist sie darauf angewiesen, neben der Uni zu arbeiten. „Ich habe Bafög beantragt“, sagt sie, „aber das dauert alles so lange, gleichzeitig merke ich, wie sehr mein Studium darunter leidet, da ich so viel arbeite.“ Das verstärkt ihre Ängste noch.

Damit ist Lina kein Einzelfall. Studierende waren lange nicht (vielleicht nie) so beansprucht wie heute. Die Corona-Pandemie fungierte als eine Art Katalysator für Zukunftsängste, Geldsorgen und Prüfungsdruck. Laut dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2023 ist mehr als jeder dritte Student burnoutgefährdet. „Mein Stresspegel ist sehr hoch“, sagt Lina. Bei dem Versuch, Studium und Job gerecht zu werden, bleibt sie oft selbst auf der Strecke. Es ist kein Geld übrig, um sich mal was zu gönnen. Als sie merkte, dass ihre Geldsorgen, gepaart mit ihren Existenzängsten, sie zunehmend belasteten, wandte sie sich an eine Psychotherapeutin. „Ich hatte das anfangs alles selbst mit mir ausgemacht“, sagt sie, „weil ich dachte, über Geld redet man einfach nicht.“ Auch ihr half das Reden über ihre Angst dabei, sie in Schach zu halten.

Wie am besten mit der Angst umgehen?

Es muss sich noch viel tun, damit allen Studierenden geholfen werden kann, die Hilfe benötigen. Es müssen nicht nur mehr Angebote und Plätze in der Psychotherapie und bei psychologischen Beratungsstellen geschaffen werden, es muss sich auch gesellschaftlich etwas ändern. Obwohl die Zahl der jungen Erwachsenen, die therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, weiter steigt, liegt immer noch ein Stigma auf dem Thema „psychische Erkrankungen“. Daher suchen Studierende oft erst dann Hilfe, wenn es schon fast zu spät ist.

Dabei können aus Sicht Maria-Magdalena Attenbergers in einem frühen Stadium oftmals schon eine Kurzzeitberatung mit einer bis fünf Sitzungen oder ein Workshop helfen. Hierbei kann man wichtige Strategien lernen, um trotz Ängsten den Alltag gut zu bewältigen. Immer wieder zeige sich, dass es mit der richtigen Hilfe sehr wohl einen Weg gibt, mit Angst zu leben. Man sollte sie rechtzeitig nutzen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!