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#Kommentar zur Bundesbank: Worin Nagels Chance besteht

Kommentar zur Bundesbank: Worin Nagels Chance besteht

Joachim Nagel ist eine nachvollziehbare Wahl als Nachfolger Jens Weidmanns in der Präsidentschaft der Deutschen Bundesbank. In einer Zeit, in der in anderen Ländern zu­nehmend frühere Regierungsmitglieder an die Spitze formal unabhän­giger Zentralbanken berufen wer­den, rückt er als ein Mann an die Spitze, der viele Jahre in führenden Positionen in der Bundesbank ge­arbeitet hat und zuletzt für die Bank für Inter­nationalen Zahlungsausgleich ­ – die „Bank der Zentralbanken“ ­ – tätig ge­wesen ist.

Der promovierte Ökonom kennt sich in Theorie und Praxis mit Geldpolitik gut aus; zudem ist er mit dem in der Bundesbank heimischen Denken vertraut. Eine Mitgliedschaft in der SPD steht mit stabilitätspo­­li­tischen Überzeugungen in der Geldpolitik nicht zwingend in Widerspruch, wie allein die Erinnerung an den sozialdemokratischen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl belegt.

Eine lange Einarbeitungszeit wird dem neuen Bundesbankpräsidenten nicht beschieden sein. Nagel tritt sein Amt vielmehr in einer schwierigen Situation an. Die jüngste Entscheidung der Europäischen Zentralbank, ihre Anleihekäufe zwar zu reduzieren, aber auf einen festen Termin für die Einstellung des Kaufprogramms zu verzichten, hat auch unter solchen Ökonomen Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Strategie geweckt, die der EZB nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen.

Wachsende Abhängigkeit von Regierungen und Finanzmärkten

Deutschland, die Hochburg dieses Zweifels, dürfte zwar in den kommenden Monaten einen Rückgang der Inflationsrate gegenüber dem ak­tuellen Hoch von zuletzt 5,2 Prozent verzeichnen. Aber nach einer aktuellen Prognose der Bundesbank wird die Inflationsrate im kommenden Jahr immerhin noch gut drei Prozent erreichen. Ob die Rate anschließend spürbar sinken wird, wie derzeit zahlreiche Fachleute vermuten, steht in den Sternen.

Verbessern wird sich das Umfeld für die Geldpolitik angesichts weiterhin zunehmender Staatsschulden und ins Unermessliche gewachsener Finanzmärkte auf absehbare Zeit kaum. Der deutsche Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier hat in einer Reihe lehrreicher Arbeiten ge­zeigt, wie Zentralbanken mit dem Versuch, sich als Versicherer gegen schwere Wirtschaftskrisen zu betätigen, in die Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit von Regierungen und Finanzmärkten geraten.

Finanzminister hoch verschuldeter Staaten besitzen ebenso wie viele Teilnehmer an den Kapitalmärkten Interesse an weiterhin niedrigen Zinsen. Nagel wird sich gegen Versuche von Staaten und Großanlegern wenden müssen, die Geldpolitik in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Aber der Handlungsspielraum der Geldpolitik hat sich im Vergleich zur goldenen Epoche der Zentralbank­unab­hängigkeit vor 30 oder 40 Jahren re­duziert.

Häufig ist gerade in Deutschland zu hören, angesichts einer Mehrheit südeuropäischer Vertreter im Zen­tralbankrat der EZB sei jeder Widerstand zwecklos. Das ist eine merkwürdige Wahrnehmung, da die Südeuropäer auch unter Einrechnung Frankreichs nicht auf eine Mehrheit im Rat kommen. Vielmehr, und das mag aus deutscher Sicht ernüchternd sein, stützen sich die breiten Mehrheiten, mit denen früher Mario Dra­ghi die EZB führte und Christine Lagarde heute regiert, auch auf die Zustimmung von Ratsmitgliedern, de­ren Heimat nicht Südeuropa ist. Der bisherige Bundesbankpräsident Jens Weidmann geht daher nicht als informeller Chef eines festgefügten nordeuropäischen Blocks im Zentralbankrat, sondern als ein weitgehend, wenn auch nicht vollständig isoliertes Mitglied im EZB-Führungs­gre­mium.

Weidmann verdient für seinen Rücktritt Respekt

Draghi hatte es unter versierter Anwendung von Techniken der Macht verstanden, den Deutschen als vermeintlich starrsinnigen Neinsager (der Weidmann keineswegs war) in eine Ecke zu drängen und damit die Solidarisierung anderer Mitglieder zu erschweren. Unter Lagarde hat sich zwar der Umgangston im Rat verändert, die Machtverhältnisse sind aber gleichgeblieben. Weidmann tritt zu­rück, weil er um seinen geringen Einfluss weiß und keine Geldpolitik nach außen vertreten möchte, die er in seinem Inneren ablehnt. Daher verdient dieser Rücktritt Respekt.

Nagels Chance besteht darin, dass er zwar Weidmanns Sitz im Zentralbankrat einnimmt, aber mit dessen Vergangenheit im Beziehungsgeflecht der Ratsmitglieder nichts zu tun hat. Die jüngste Debatte in der EZB hat gezeigt, dass hinter verschlossenen Türen das Unbehagen über den geldpolitischen Kurs jetzt auch bei Mitgliedern wächst, die in der Öffentlichkeit bisher als unbedingte Parteigänger Lagardes galten. Die Mehrheiten im Rat mögen künftig weniger fest gefügt sein als in der Vergangenheit. Nagel ist jedenfalls zu wünschen, dass er sich im Eintreten für eine stabilitätsorientierte Geld­politik nicht entmutigen lässt.

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