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#Konzertkritik: Robbie Williams an der Messe München: Teils beglückend, teils befremdlich

„Konzertkritik: Robbie Williams an der Messe München: Teils beglückend, teils befremdlich“




Ohne Regen und Helene Fischer, dafür mit Überraschungen und Übelkeit: Das Revival des Entertainers vor rund 100.000 Zuschauern gelang – den Umständen entsprechend.

Es ist ein doppelter Stresstest. Zum einen: Wie steht es um das legendäre Showtalent Robbie Williams heute? Zum anderen: Zeigt sich wenigstens bei ihm, dass die Riesenarena an der Münchner Messe wirklich stimmungsvoll zu bespielen ist? Schlüsselfrage dazu: Würde das Wetter mitspielen?

Diesen Abend wird niemand vergessen. Der wohl beste Entertainer seiner Generation auf dem Höhepunkt seines Schaffens wickelt auch noch die größten Massen um seinen kleinen Finger. Eine Supershow in München, in der aus abgrundtiefen Selbstzweifeln hymnischer Narzissmus wird, begonnen schon mal damit, dass der Star kopfüber hängend zum programmatischen Hit „Let Me Entertain You“ auf die Bühne einfliegt…

Robbie Williams übergibt sich in München auf die Bühne

So war das vor inzwischen 19 Jahren, als Robbie Williams in einem restlos ausverkauften Olympiastadion mit noch Abertausenden draußen, die er zwischenzeitlich bei totaler Stille in der vor Begeisterung vibrierenden Arena durch Echo-Ovationen einfach mit dazu holte. Ob es also wirklich mehr Menschen sind, die an diesem Samstagabend in der für diesen Sommer, für Andreas Gabalier, Helene Fischer und ihn erbauten Riesenarena, ob das also wirklich das größte Konzert hier des mit inzwischen 48 Jahren noch immer größten Entertainers ist. Von 100.000 Zuschauern spricht Robbie – und natürlich ist es unfair, ihn heute an dieser Sternstunde von damals zu messen. Aber in direkten Bezug dazu setzt er sich dazu eben an diesem Abend, der demnach wie ein großes Revival wirkt auch immer wieder selbst.

Robbie kündigt Film über sich 2023 an – und wieder ein Konzert?

Nicht zuletzt, weil er nun wieder – wie bei den Tourneen seitdem nicht – mit seinem Superstimmungs-Hit auf die Bühne kommt, diesmal aber einfach dorthin tritt, nicht einfliegt, nachdem zuvor über die Bildschirme die Zuschaueranimation fragend darauf hingeführt hat. Nachdem von (alles in Englisch freilich) „Ist da draußen jemand?“ bis zu „Bin ich noch euer Sohn?“ (vorgreifend auf seinen bald schon gespielten, charakteristischten Song), also: „Let Me Entertain You?“ Was also ist vom Entertainer, der hier ja durch Covid um zwei Jahre verzögert auch sein 25-jähriges Jubiläum als Solo-Künstler feiert, wirklich noch davon übrig?

Doch bevor es zum vergleichstauglichen Revival-Regen geht, erst mal zu den Neuheiten. Und nein, es waren nichts von dem, was zuvor gemunkelt wurde. Weder trat Helene Fischer zu ihm auf die Bühne, um das gemeinsame Duett zu singen, das auf dessen schlimmem Weihnachtsalbum düdelte. Noch trat Robbie schon zur Vorgruppe Lufthaus mit auf, ein britisches DJ-Duo, für das er zwar einige Vocals eingesungen hat, sich aber als Teil von deren abgedroschener Party-Performance aber auch gleich in die Rente verabschieden hätte können… Nein, Robbie kündigt zu seiner besten Gesangsleitung an diesem Abend mit „Better Man“ ein gleichnamigen Film an, der im kommenden Jahr von ihm, mit ihm und über ihn laufen wird. Und er stellt dazu vielleicht auch ein weiteres Konzert 2023 in München in Aussicht.

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Das Wetter spielte perfekt mit beim Konzert an der Messe

Er spielt, so versichert er, zum letzten Mal den Evergreen „Sweet Caroline“, das er bislang immer mit seinem Vater zusammen gesungen hat, der aber inzwischen an Parkinson leidet, die Fans grüßen lässt, für all die Jahre dankt, aber nun eben kaum noch das Haus verlässt. Robbie spielt mit „Lost“ auch einen neuen Song, der, wie er einräumt, aber auch gut zum Selbstzweifelprogramm von damals passen würde und der jedenfalls zum am kommenden Freitag erscheinenden Jubiläums-Album gehört, das ansonsten in weitesten Teilen ein Best-Of ist, die größten Hits nur eben neu arrangiert mit Orchester. Das aber hat er für diesen Abend in dieser Riesenarena lieber zu Hause gelassen, die 150 Meter breite Monsterbühne dröhnt dafür das, was Robbies Band und Sängerinnen wuchtig liefern mit maximaler Lautstärke in den Münchner Abendhimmel.

Der übrigens selbst eine großartige Überraschung liefert: Mieses Wetter war angesagt, vergleichbar mit dem Regentag bei Helene Fischer eine Woche zuvor – aber stattdessen bleibt alles trocken, erst zu „Angels“ zum Abschluss des genau zweistündigen Programms fallen erste Tropfen. Der kokette Robbie, der gleich mit „Monsoon“ als zweitem Song und dazu Regenfluten und Blitzen auf den Riesenmonitoren sein Glück noch herauszufordern schien, während sich am Horizont tatsächlich von Blitzen durchzuckte Gewitterfronten auftürmten: Er blieb mal wieder ein Glückjunge. Dem selbst aber ging es am Ende des Konzerts so gar nicht gut. Offen wie es sonst vielleicht kaum ein Sänger eingestehen würde, erklärte er in den Zugaben, er habe sich gerade hinter das Schlagzeug übergeben und fühle sich irgendwie krank – nicht ohne sich dabei auch bei einer Barbara aus der ersten Reihe zu entschuldigen, an die er diesmal sein „She’s the One“ gerichtet hatte, es aber aufgrund der Übelkeit eben nur zur Hälfte auch hatte performen können. Ob es daran lag, dass er inzwischen statt zu rauchen eben zu viele Minzbonbons lutscht?

Der Entertainer Robbie Williams mit einer Kanonade aus Selbstzitaten

Diesmal hier jedenfalls Barbara also, zu „Something Stupid“ bittet er diesmal eine Lisa auf die Bühne, zu „Road to Maderlay“ bittet er das Publikum wieder, das Bambambam vorzutesten und inbrünstig mitzusingen, dafür schießt er dann wieder Souvenirs mit einem Luftdruckgewehr ins Publikum. Er stellt sich wieder einmal vor mit: „My Name is Robbie Williams, this ist my Band“ (zu ihr gehört als Musikdirektor auch der seine Legendzeit geformt habende Guy Chambers) – „and this is my Arse“, natürlich wieder das Hinterteil präsentierend. Er spricht wieder über das, was ihn zu einem „fucked up Guy“ mache, diese Schizophrenie zwischen Selbstzweifeln und Narzissmus, und bedankt sich vor allem immer wieder, dass die Deutschen hier noch immer so treu zu ihm hielten, nach all den Jahren. Fragt wieder, ob man weiter zusammen alt werden wolle, versichert dem Publikum immer wieder seiner Liebe. Und Robbie bricht auch wieder mit großer Lust gerade entstandene innige Momente ironisch auf…

Es sind Gesten und Witze, die eigentlich reine Selbstzitate sind – und vor allem, wenn es um seinen psychischen Zustand geht, kann man sich schon fragen, ob dieses fortwährende Bestätigen der aus der eigenen Dunkelheit die großen Triumphe gewinnende Muster von einst sich als gar nicht so gesunde Rolle manifestiert hat, die er der Familienvater braucht, um weiter Popstar zu sein. Oder ob das einfach Robbie ist und sein muss? Siehe „Bin ich noch euer Sohn?“: Als fünften Song spielt er das großartig abgründige „Come Undone“, aus dem die Zeile stammt und das ihn als Heiligen und Hure offenbart. Wie lange hält man so was aus? Kann man das nur spielen?

Die Zuschauer hat Robbie Williams jedenfalls mit all seinen Hits auch auf den wohl 300 Meter entfernten Tribünen bereits mit den ersten Songs aus den Sitzen gehoben – in der zweiten Hälfte folgt eine ganze umjubelte Salve mit hintereinander weg „Millennium“, „Hot Fudge“, „Kids“, „Feel“ und „Rock DJ“. Zwar mag auf dieser Riesenfläche an der Messe einfach nicht zünden, was etwa im Olympiastadion bei ihm immer zuverlässig ging: Dass auf den Rängen schon vor seinem Auftritt La Ola, die Begeisterungswelle, anhebt und sich dann durchs ganze Oval ausbreitete – hier versandet das als Strohfeuer in der Peripherie. Und Robbie ist der Letzte, der die Probleme eines solchen Ortes mit seinen Entertainer-Instinkten nicht begreifen und verarbeiten würde, er sagt: „Ihr da ganz hinten, ihr seht wohl eine ganz andere Show, wahrscheinlich Coldplay. Ihr würdet nicht mal mitkriegen, wenn ich die ganze Show über meine Penis aus der Hose hängen lassen würde. Sind die Bildschirme auch wirklich groß genug für euch?“ Aber so ganz einholen kann auch der dieses Defizit des allzu Diffusen nicht, zumal die Bühne etwa beim prächtig verzweifelten „Supreme“, das er befremdlicherweise auf seinen arg netten Glückshit „I Love My Life“ folgen lässt, immer wieder so laut dröhnt, dass mindestens dadurch sein Gesang etwas arg angestrengt wirkt.

Robbie-Konzert: Und den letzten Höhepunkt verdirbt der Stadionsprecher…

So bleiben von diesem Abend 2022, 19 Jahre später also, eher gemischte Gefühle. Aber auf was für einem Niveau! Denn dieser Robbie Williams verfügt eben nicht nur über all das hinreißende Pop-Hymnen-Material von damals (das er hier längst nicht ausgereizt hat) – er ist auch trotz der unweigerlichen Ferne zu großen Teilen des Publikums in einer solchen Arena auf eine Art gegenwärtig, die im Vergleich hier etwa zu Andreas Gabalier und Helene Fischer, den Entertainer kennzeichnen: wirkt spielerisch, souverän, unaufgesetzt, natürlich, als er selbst.

Und er hat trotz seines Unwohlseins auch noch die schönste Pointe gesetzt ganz zum Schluss. Noch einmal fordert er Menschen auf, den Refrain des Songs zu singen, mit dem sein Solo-Start damals glückte, vielleicht 100.000 Zuschauer also singen a-cappella „Angels“ und sehen sich erstmals dabei auf allen Riesenmonitoren: sich selbst, die eigene selige Masse im Taumel – während sich der Star des Abends dabei leise, unbemerkt, aber wohl auch berührt von der Bühne stiehlt. Bloß dann, mitten hinein in diese ausklingende Beseeltkeit, plärrt dann auch schon der unsägliche Bühnensprecher ins Mirko, dass das doch toll gewesen sei, und fordert sie Menschen auf mit zu plärren: „So ein Tag, so wunderschön wie heute…“ Was praktisch keiner tut, es ist vorbei, abgewürgt – vielleicht ja auch standesgemäß für die Riesenevents auf der Messe München, nicht das Wahre. Nicht mal mit Revival-Robbie.

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