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#Künstler der Weimarer Republik Werner Scholz: Ein Maler formal riskanter Bilder

Er bevorzugte Karton statt Leinwand, weil ihm ein Unterarm fehlte: Der heute vergessene Werner Scholz war seinerzeit so gut wie Dix und Grosz, wie das Hamburger Barlach Haus zeigt.

Der Blick fällt auf eine Frau in schwarzem Rock. Sie liegt auf dem Rücken, den Kopf nach hinten gekippt, die angewinkelten Beine sind gespreizt, auf der weißen Bluse leuchtet ein Blutfleck. Vor ihr steht in Rückenansicht – noch halb über sie geneigt, aber sich schon seitlich zur Flucht wendend – ein Mann mit schwarzer Hose und blauer Jacke, den Kopf mit rotem Hut tief in die Schultern gezogen. In seinem 1930 entstandenen Gemälde „Mord“ füllt Werner Scholz mit dieser Szene das quadratische Bildformat bis an die Ränder aus und schafft so eine albtraumhafte Nahsicht auf Opfer und Täter, die beide gesichtslos bleiben.

Die Brutalität des Verbrechens erscheint in der Bildwelt dieses Künstlers nur als eine, wenn auch extreme Ausdrucksform der Macht- und Gewaltverhältnisse, die die Gesellschaft der Weimarer Republik prägen. Besichtigen lässt sich diese Bildwelt, die vor allem bevölkert ist von Notleidenden, Waisen und Versehrten, aber auch von ruppigen Proletariern und Halbweltexistenzen, jetzt in einer sehr sehenswerten Ausstellung des Hamburger Ernst Barlach Hauses.

Ein Jahr vor dem Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ entstanden: Werner Scholz’ „Mord“ von 1930


Ein Jahr vor dem Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ entstanden: Werner Scholz’ „Mord“ von 1930
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Bild: Van Ham Kunstauktionen / Saša Fuis, Köln

Thematisch und stilistisch verbindet den gebürtigen Berliner Werner Scholz (1898–1982) vieles mit seinen um einige Jahre älteren Zeitgenossen Otto Dix und George Grosz. Doch während sie sich als Porträtisten der Weimarer Republik in das Gedächtnis der Nachwelt eingeschrieben haben, ist Werner Scholz diese öffentliche Reputation bislang versagt geblieben. Dabei gehörte er in den späten Zwanziger- und beginnenden Dreißigerjahren mit vielen erfolgreichen Ausstellungen zu den aufgehenden Sternen am Künstlerhimmel der Weimarer Republik.

Er sah früh das Elend des Nationalsozialismus heraufziehen

Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die ihn als bekennenden Linken schon früh ins Fadenkreuz genommen hatten, wurde seine künstlerische Existenz immer gefährdeter. Als 1937 die braunen Machthaber seine Bilder als „entartet“ schmähten, zog sich Scholz nach Alpach ins österreichische Tirol zurück – eine Gegend, die er seit seiner Kindheit regelmäßig besuchte. Eine Bombe zerstörte 1944 sein Berliner Atelier und vernichtete die dort versteckten Bilder.

Die Hamburger Ausstellung konzen­triert sich auf die Produktion des Jahrzehnts von 1927 bis 1937. Mit gutem Grund: Es sind die künstlerisch herausragenden Jahre in Scholz’ langer Schaffenszeit, die bis in seine letzten Lebensjahre reichte. Im Gegensatz zu seinem bundesrepublikanischen Œuvre ist dieses Frühwerk jedoch bislang nur fragmentarisch dokumentiert und im Bewusstsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit wenig präsent.

Expressives Osterinsel-Gesicht: Werner Scholz’ „Bittende Frau“ von 1934


Expressives Osterinsel-Gesicht: Werner Scholz’ „Bittende Frau“ von 1934
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Bild: Ernst Barlach Haus Hamburg

Mit rund vierzig Gemälden und Pastellen demonstriert die Schau im Barlach Haus nun, warum der Kunstkritiker Kurt Kusenberg 1932 urteilte, Scholz sei „wesentlich, weil er Inhalte unserer Zeit, die uns alle angehen, hinstellt, und weil er formal wirklich etwas riskiert“. Verdienstvollerweise hat der Kurator Karsten Müller viele Lücken in der Überlieferung des Werks durch historische Werk- und Ausstellungsfotografien aus dem Nachlass des Künstlers zumindest dokumentarisch gefüllt. Zeitgenössische Zeitungsberichte vermitteln zudem einen Eindruck von der Resonanz, die sein Werk auslöste.

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