Wissenschaft

#Künstliche Intelligenz hilft bei Quanten-Experimenten

In vielen quantenphysikalischen Experimenten werden elektromagnetische Felder genutzt, um Teilchen festzuhalten und zu manipulieren. Doch ihre Feinjustierung ist bisher sehr zeitaufwendig. Jetzt haben Physiker deshalb eine lernfähige künstliche Intelligenz entwickelt, die dies übernehmen kann: Das maßgeschneiderte neuronale Netz wird mit früheren Varianten solcher Experimente trainiert und lernt dadurch, welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten gelten und wie sich Veränderungen der Felder auf das Teilchenverhalten auswirken. Erste Tests belegten, dass das KI-System die Einstellungen und Ergebnisse solcher quantenphysikalischen Experimente korrekt vorhersagen und nachbilden kann. Damit könnte künstliche Intelligenz auch die quantenphysikalische Forschung erleichtern, wie die Wissenschaftler erklären.

Mit elektromagnetischen Feldern lassen sich Quantenteilchen manipulieren: Man kann sie einfangen, festhalten oder an einen bestimmten Ort bewegen. Wichtig ist dies beispielsweise für ihre Nutzung in Quantencomputern oder bei quantenphysikalischen Messungen. „Um Quantenteilchen zu kontrollieren, verwenden wir eine Kombination aus mehreren elektromagnetischen Feldern“, erklärt Co-Autor Maximilian Prüfer von der Technischen Universität Wien. „Durch winzige Strukturen wird elektrischer Strom geschickt, dadurch entsteht ein Magnetfeld. Zusätzlich verwenden wir Lichtstrahlen, die durch Linsen, Spiegel und Filter gezielt manipuliert werden können.“ Die Form und Intensität des Lichtstrahls bestimmen, welche Kräfte die Teilchen an welcher Stelle spüren. Indem man die Intensitätsverteilung des Lichts anpasst, kann man die Teilchen gezielt beeinflussen.

Aufwendige Justierung

Doch welche Form die elektromagnetischen Teilchenfallen für den gewünschten Effekt haben sollten und wie man sie während des Experiments verändern muss, ist nicht einfach zu ermitteln. Bisher sind dafür meist langwierige Versuchsreihen mit zahlreichen Messungen notwendig. „Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Methoden, dieses Lichtfeld zu steuern“, erklärt Prüfer. „Man kann vorab berechnen, welche Form das Feld haben muss – das gelingt aber nur dann, wenn man alle Details des Experiments, inklusive aller Störeffekte, wirklich ganz genau kennt. Das Ergebnis kann daher immer nur höchstens so präzise sein, wie das Rechenmodell, das man verwendet.“ Die zweite Möglichkeit sind iterative Steuerungsalgorithmen: Dabei führt man nach jedem Änderungsschritt ein neues Experiment durch und nutzt das Ergebnis, um die Anordnung zu optimieren.

„Solche Algorithmen sind im Prinzip nur durch die experimentelle Messgenauigkeit beschränkt. Diese wunderbare Eigenschaft hat jedoch einen Preis: Jeder Verbesserungsschritt benötigt einen eigenen Versuch am Experiment.“ erklärt Co-Autor Andreas Deutschmann-Olek von der TU Wien. Dadurch können die für solche Versuchsreihen nötigen Messungen Wochen dauern und schon eine geringfügige Änderung am gewünschten Lichtfeld bedeutet, dass man von vorne beginnen muss. Deshalb hat das Team um Erst-Autor Martino Calzavara vom Forschungszentrum Jülich jetzt künstliche Intelligenz zu Hilfe genommen. „Wir haben ein neuronales Netz entwickelt, dessen Struktur genau an die physikalische Aufgabe angepasst ist, die es hier zu lösen gilt“, erklärt Prüfer. „Wichtig war es, unser Wissen über die physikalischen Eigenschaften des Systems zu nutzen und von vornherein in die künstliche Intelligenz einzubauen. Wir nennen das ein Physik-inspiriertes neuronales Netz.“

KI-System lernt Gesetzmäßigkeiten der Experimente

Das Forschungsteam trainierte sein lernfähiges KI-System mit digitalen Varianten des Experiments auf Basis aller bisherigen Versuchsdaten. Mit einer Kamera wird dabei jeweils gemessen, wo sich die Teilchen befinden. Mit diesen Bildern wird das neuronale Netz trainiert. Im Laufe der Zeit lernt es dadurch, welche Änderungen am Experiment sich auf welche Weise auf die Quantenteilchen auswirken – ohne dass ihm die physikalischen Formeln, die diesen Zusammenhang beschreiben, zuvor einprogrammiert wurden. Die künstliche Intelligenz entwickelt dadurch selbständig ein gewisses „Verständnis“ für die Gesetzmäßigkeiten des Experiments. Vergleichbar ist dies mit der Fähigkeit eines Menschen, anhand von nur ein paar skizzenhaften Linien zu erkennen, welches Objekt oder Tier auf einer Zeichnung abgebildet ist: Die KI benötigt nach dem Training nur ein relativ geringes Maß an Information, um die Steuerung für das gewünschte Experiment zu ermitteln.

„Wir konnten zeigen: Die künstliche Intelligenz lernt tatsächlich, das Verhalten des physikalischen Systems korrekt zu imitieren“, sagt Prüfer. Somit können die Algorithmen blitzschnell ausprobieren, wie sich verschiedene Änderungen am Experiment in der aktuellen Situation auswirken, ohne dass dafür lange, aufwendige experimentelle Versuchsreihen nötig wären. „Die gesammelte Information aus vergangenen Versuchen wird im neuronalen Netz strukturiert abgelegt und kann so auf neue Situationen übertragen werden“, erklärt Deutschmann-Olek. Wo man früher vielleicht hundert Experimente gebraucht hätte, bis man die richtigen Einstellungen gefunden hat, reicht heute ein kleiner Bruchteil davon. Damit kann man nun eine Vielzahl von Experimenten durchführen, die bisher nur mit viel größerem Aufwand oder gar nicht möglich gewesen wären. „Der Einsatz von maschinellem Lernen in der quantenphysikalischen Forschung ist gerade groß im Kommen“, erklärt Prüfer. „Wir hoffen, dass unsere Arbeit auch Einsichten liefert, wie ein physikalisches Verständnis zusammen mit den weit entwickelten AI-Methoden Experimente verbessern kann.“

Quelle: Martino Calzavara (Forschungszentrum Jülich) et al., Physical Review Applied, doi: 1103/PhysRevApplied.19.044090

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