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#Lasst die Leute reden

Lasst die Leute reden

Eigentlich hat das Kino sie kaputtgemacht: diese Momente, in denen ernsthafte Gespräche über blödsinnige Themen – wie eine mögliche Karriere als Gangsterpaar, das metrische System im Zusammenhang mit Fastfood oder die wahre Bedeutung des Song-Titels von Madonnas „Like a Virgin“ – ganz uneitel, unironisch und mit Leidenschaft geführt werden können. Denn in einer Zeit, in der vom Drogenexzess bis hin zum Entstehen eines Tattoos zwischen den Pobacken wirklich alles gefilmt und ins Internet gestellt wird, was auf dieser Erde gesagt und getan wird, manifestiert sich in solchen Unterhaltungen auf der beobachtenden Geistesebene der Dialogteilnehmer doch häufig der Wunsch, Quentin Tarantino oder Jim Jarmush möge das Ganze mit der Kamera einfangen, um das hier aufblitzende Absurde im Kontrast zur eigenen Abgeklärtheit zu beglaubigen. In diesem Moment verlieren solche Gespräche ihre Unschuld. Dabei sind es ja die schönsten Sprachlabore, um herauszufinden, mit wie viel Unsinn man Gespräche beladen muss, um plötzlich an einem höchst sinnvollen oder ernsten Punkt anzukommen.

Axel Weidemann

Die australische Serie „No Activity“ hat aus diesen Tarantino-Jarmush-Momenten – Menschen in Zwischenräumen reden mit heiligem Ernst über Profanes – 2015 ein eigenes Format kreiert. Die Polizisten Hendy (Patrick Brammall) und Stokes (Darren Gilshenan) sitzen während eines Überwachungseinsatzes im Auto und reden Blech. TVNow, das Streamingportal von RTL, hat dieses Format nun mit Jürgen Vogel und Serkan Kaya in der Serie „Keine besonderen Vorkommnisse“ (KBV) umgesetzt. Die zwei blonden Kolleginnen von der Leitstelle werden von Annette Frier und Maike Jüttendonk gegeben, während Denis Moschitto und Rocko Schamoni den Part der Gangster übernehmen. Damit sind schon einmal die Richtigen versammelt. Hinzu kommen – auch das werktreu vom australischen Vorbild übernommen – Gastauftritte, etwa von Kida Khodr Ramadan, Rauand Taleb, Daniel Zillmann oder Andrea Sawatzki.

Mit etwas unbeholfener Selbstironie wirbt TVNow für KBV als „langweiligste Serie“ im Programm. Gemeint ist – und es wirkt, als wolle man das seinem Publikum noch einmal extra erklären –, dass neben den Dialogszenen wenig los ist. Die Polizisten Samuel (Serkan Kaya) und Gilles (Jürgen Vogel) sitzen in ihrem alten BMW, funken entweder mit der Leitstelle oder mit Lars von der Hafensicherheit (Daniel Zillmann). Danach Schnitt zu den Disponentinnen oder zu den Gangstern, die sich stets an verschiedenen Orten im Hamburger Hafen verstecken und auf irgendetwas zu warten scheinen.

Die eine zieht sich gern „hochprozentige Bretter“ rein, die andere hat einen Sohn, der gerade seinen Körper entdeckt: Danni (Meike Jüttendonk, l.) und Carola (Annette Frier) von der Leitstelle


Die eine zieht sich gern „hochprozentige Bretter“ rein, die andere hat einen Sohn, der gerade seinen Körper entdeckt: Danni (Meike Jüttendonk, l.) und Carola (Annette Frier) von der Leitstelle
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Bild: TVNow

Schamoni als Bernhard und Moschitto als Maurizio sind in diesem Ensemble das stärkste Paar, obgleich auch Frier und Jüttendonk sowie Kaya und Vogel mitunter große, komische Momente erzeugen. Doch wenn Bernhard und Maurizio über den durch „Pulp Fiction“ populär gewordenen Bibelvers Ezechiel 25,17 sprechen, dann wandeln sie auf exakt der Grenze zwischen brutalem Ernst und noch brutalerem Blödsinn, die diese Art von Humor zwischen Fremdscham und Erkenntnis ansiedelt: „Weißte, woher das ist?“, fragt Maurizio Bernhard nach seinem Auftritt mit einer echt aussehenden Feuerzeugpistole. „Na, von dem Tarantino“, sagt Bernhard. „Nee, noch weiter oben.“ Und schon sind die beiden bei bedrohlichen Blicken. Denn Bernhard hat es nicht so mit dem Reden, aber den Blick, den hat er drauf: „diesen Carsten-Maschmeyer-Blick wie in (Selbstironie plus Eigenwerbung) Höhle der Löwen, weißte, so … voll hart“.

Wie in der Serie „Jerks“, nur eben nicht mit der gleichen konsequenten Härte, findet der Humor auch in KVB oft unterhalb der Gürtellinie statt. Zwar orientieren sich die Dialoge, geschrieben von Johannes Boss („Jerks“, „Er ist wieder da“), Mark Werner („Mein Leben & Ich“, „Beste Schwestern“), Marko Lucht („Ritas Welt“, „Der Lehrer“) und Lutz Heineking, an den Drehbüchern des „No Activity“-Schöpfers Trent O’Donnell, doch merkt man ihnen die ungesunde deutsche Unterleibsfixierung bald an. Es wird die Sexualität siamesischer Zwillinge verhandelt oder die tierischen Aspekte oraler Befriedigung. Als könnte der Unterleib in dieser hypersexualisierten Welt noch ein Garant für humoristische Grenzüberschreitung sein. Das heißt nicht, dass es in KBV nie funktionierte. Neben großartigen Requisiten (Polizeischäferhundkeksdose) und einer Art Metadialog über die Kunst des Schauspielens, dürfen vor allem Maike Jüttendonk und Denis Moschitto ihre Figuren immer wieder gegen den Strich bürsten. Das Eskalationspotential ist hoch. Was fehlt, ist ein verbindendes Element, so dass KBV schlussendlich zu einer losen Aneinanderreihung von Gags oder Peinlichkeiten gerät, von der wenige Szenen wirklich hängenbleiben. Doch den Versuch ist es allemal wert.

Keine besonderen Vorkommnisse läuft auf TVNow.

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