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#Eine Hexe, ein Bäcker und ein Choralhaus

Eine Hexe, ein Bäcker und ein Choralhaus

Mechelen, zwischen Brüssel und Antwerpen gelegen, ist der Ursprungsort der Familie „Van Beethoven“. Übersetzt bedeutet der Name „vom Rübengarten“. Knapp fünfzig Familien dieses Namens kann man noch heute im Umkreis der malerischen Stadt finden. Jelle Dierickx, der hier das Festival Lunalia leitet und zuvor an der Seite von Andrea Palent kluge Programme für die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci ersonnen hatte, kommt selbst aus dieser Gegend. Er schwärmt von der „Perle Flanderns“, die in ihrem Inneren noch immer so aussieht wie zu Zeiten, da Margarethe von Österreich Statthalterin der Spanischen Niederlande war. Und er kann einem Mechelen so nahe bringen, dass man nach drei Stunden Spaziergang glaubt, sein halbes Leben hier verbracht zu haben.

Jan Brachmann

Wir stehen in der Van-Beethoven-Straße, umgeben von verklinkerten Neubauten, die ein Hotel, Restaurants und ein Einkaufszentrum beherbergen. Hier stand einmal das Haus, in dem Louis van Beethoven, der Großvater des Komponisten, 1712 zur Welt gekommen war. „Der kleine Ludwig van Beethoven in Bonn hat seinen Mechelener Großvater Louis nur drei Jahre gekannt“, erzählt Dierickx. „Merkwürdig aber ist, dass Beethoven, obwohl er in Wien so oft umgezogen ist, immer das Ölporträt seines Großvaters mitgenommen hat. Irgendwas muss da gewesen sein, dass er sich diesem Mann – er war ja Bonner Hofkapellmeister – so verbunden fühlte und ihn sich als Vorbild nahm.“ Ein modernes Denkmal, bei dem der kleine Ludwig schüchtern mit einer goldenen Rose hinterm Rücken vor das Bild seines flämischen Großvaters tritt, erinnert heute daran: anschaulich, leutselig, liebevoll.

Flucht nach Bonn

Beethovens Urgroßvater hatte aus Mechelen nach Bonn fliehen müssen. Er war ein reicher Bäcker gewesen. „Und er hat viele Häuser aufgekauft“, weiß Dierickx. „Irgendwas muss dabei schiefgelaufen sein. Jedenfalls wartete er bei einem Gerichtsprozess nicht das Urteil ab, sondern machte sich auf und davon nach Bonn zu seinem Sohn.“

Es gibt in Mechelen heute noch vier Orte, die mit Beethovens Großvater verbunden sind: die Beethoven-Straße, in der er gelebt hat, das Choralhaus, wo er zur Schule ging, die Romboutskathedrale, wo er gesungen hat, und die Katelijnekirche, wo er getauft worden war. „Deswegen ist Mechelen nicht gleich eine Beethoven-Stadt, aber es ist der Ort, wo die Musik in der Familie ihren Ursprung hat. Und vielleicht hat das Beethoven doch geprägt“, vermutet Dierickx. Noch Beethovens Vater Johann wollte von Bonn zurück ins heutige Belgien und hatte sich auf eine Stelle als Sänger an der Kathedrale in Lüttich beworben. Die flandrische Herkunft muss in der Familie ein Thema geblieben sein, wenn man bedenkt, wie wichtig ein Text wie Goethes „Egmont“ für Beethoven war.

Eine noch entferntere Vorfahrin des Komponisten ist durch ihren grausamen Tod in Flanderns Geschichte eingegangen. „Das war seine Ururururoma Jocelyn van Beethoven. Die ist tatsächlich als Hexe verbrannt worden, in Brüssel, auf dem Großen Markt“, erzählt Dierickx. In seinem Roman „Beethovn“ ließ Albrecht Selge sie als Geist namens Josyne durch die Jahrhunderte wandern und alle Ludwigs ihres Namens besuchen. Das Kapitel, in dem sie den schlafenden Komponisten streichelt und ihn dadurch träumen lässt, ist von metaphysischer Zärtlichkeit im Roman, einem der schönsten Beethoven-Bücher, die es überhaupt gibt.

„Aber es gibt einen Plan D“

Jelle Dierickx hatte viel Beethoven bei seinem Festival Lunalia in diesem Jahr geplant, doch im Mai machte die Pandemie erstmals alles zunichte; dann zerschlug Mechelens Bürgermeister im Sommer durch ein Veranstaltungsverbot das Alternativprogramm; die neue Stilllegung des öffentlichen Lebens machte dann im November auch den Plan C zunichte. „Aber es gibt einen Plan D“, sagt Jelle Dierickx lachend, der immer schon verstanden hat, Geist und Herz als Programmmacher zusammenzubringen und sich nie den Mut rauben zu lassen.

Zu Beethovens mutmaßlichem Geburtstag am 16. Dezember wird das Projekt „Beethoven Physical Distance Experience“ von 12 Uhr an im Internet unter www.lunalia.be gestreamt. In acht „Bubbles“ – also Beethoven-Blasen – kann man sich interaktiv seine eigene Konzertdramaturgie bauen aus den drei Equalen für vier Posaunen, dem „Heiligen Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit“ aus dem Streichquartett op. 132, dem Rätselkanon „Wir irren allesamt, nur jeder irret anders“, Beethovens allerletzter Komposition, sowie den zwei Stücken für die Flötenuhr. Filme und einen Vortrag über die „Mondscheinsonate“ wird es geben. Das Kulturzentrum „Sjarabang“, das Menschen mit Schwellenängsten und eingeschränkten Begabungen an Kunst heranführt, lässt einige Kursteilnehmer zu Beethovens Musik malen, zeichnen und tanzen.

Jelle Dierickx, Leiter des Festivals Lunalia, vor dem Koraalhuis in Mechelen (Singschule, die Beethovens Großvater als Kind besucht hat)


Jelle Dierickx, Leiter des Festivals Lunalia, vor dem Koraalhuis in Mechelen (Singschule, die Beethovens Großvater als Kind besucht hat)
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Bild: Jan Brachmann

Der Rest des Festivalprogramms ließ sich nicht retten. Nur ein Projekt zur „Pastorale“ wurde auf 2021 verschoben. Im nächsten Jahr soll der Komponist Philippus de Monte gefeiert werden, der hier vor fünfhundert Jahren zur Welt kam. Das ist doppelt so lang her wie die Geburt Beethovens, aber vielleicht bekommt man dann noch eine der zwanzigtausend Brottüten, die für Lunalia dieses Jahr bedruckt wurden zur Erinnerung an jenen Mechelener Bäcker, der Beethovens Urgroßvater war.

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