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#Die geschenkte Akropolis

Die geschenkte Akropolis

Der Weg der Ukraine aus der sowjetisch geprägten Diktatur über die Erringung von Unabhängigkeit und Demokratie bis zum heutigen Europa-Kurs hat drei Akte mit steigender Dramatik erlebt. Sie alle spielten in Kiew auf dem Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit. Der erste Akt, die Revolution auf Granit auf dem harten Pflaster des Platzes, war ein Hunger- und Sitzstreik von Studenten im Oktober 1990. Er führte zum Rücktritt des kommunistischen Parteichefs der Sowjetukraine. Der zweite war die Orangene Revolution vom November 2004; sie erzwang die Wiederholung einer gefälschten Wahl, wodurch der zunächst unterlegene, proeuropäisch gesinnte Kandidat (seine Parteifarbe war Orange) siegte. Dieser Umbruch hatte etwas von der ausgelassenen Stimmung in Berlin nach dem Mauerfall.

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Der ernste dritte Akt dagegen erinnerte eher an das Leipzig der Montagsdemonstrationen von 1989, als die Gefahr eines Eingreifens seitens der Stasi oder gar der sowjetischen Armee in der Luft lag. Er begann im November 2013, als Präsident Viktor Janukowitsch das jahrelang mitgetragene Ziel der EU-Assoziierung des Landes fast über Nacht zugunsten einer Annäherung an Russland über Bord warf. Zum dritten Mal kampierten Demonstranten in Zelten auf dem Maidan, diesmal mit EU-Fahnen. Im Februar 2014 eröffneten Sicherheitskräfte das Feuer. Die etwa hundert Toten, vor allem unter den in Hundertschaften organisierten Protestierern, werden seitdem als die Himmlische Hundertschaft verehrt. Die am Ende siegreiche Bewegung ist als Revolution der Würde oder Euromaidan zum Gründungsmythos der neuen Ukraine geworden.

Ein Geschenk an die ukrainische Bevölkerung

Die Architekten des Berliner Büros Kleihues+Kleihues haben für den Museumsbau zu Ehren der Revolution und ihrer Märtyrer den Zuschlag erhalten. Der Auftrag kam nach einem als transparent gelobten Wettbewerb bei starker internationaler Konkurrenz. Am Montag wurde während einer Videoschalte eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der das Architekturbüro das Urheberrecht an seinem Entwurf an das Kiewer Museum der Revolution der Würde überträgt. Das Büro hat sich nach eigenen Angaben „entschlossen, den Entwurf der ukrainischen Bevölkerung zu schenken, wodurch seine weitere Umsetzung wesentlich vorangebracht wird“.

Zwei Jahre lang war das Projekt weitgehend blockiert: aufgrund des Mangels an Erfahrung und an praktikablen Gesetzen. „Das wird in der Ukraine der erste Museumsbau nach einem großen internationalen Architekturwettbewerb sein“, sagt Ihor Poschywajlo, Chef des entstehenden Museums. Er hofft auf einen Baubeginn im Jahr 2022 und auf die Fertigstellung 2026 bei Baukosten von umgerechnet 30 Millionen Euro. Die Berliner Schenkung zeigt auch einen Ausweg aus in Kiew derzeit offenbar bestehenden finanziellen Engpässen. Jan Kleihues, Chef des Architektenbüros, sagte der F.A.Z., bei allen Schwierigkeiten finde er das Projekt so toll, dass er vorgeschlagen habe, den Entwurf zu stiften.

Hoffnung auf weitere enge Zusammenarbeit

Allerdings gibt Kleihues+Kleihues zugleich die Planungsverantwortung aus der Hand. Das Büro hofft jedoch, weiterhin zurate gezogen zu werden, auch wenn bei der Ausgestaltung andere zum Zuge kommen werden. Man fühle sich geehrt, zum Gedenken an die tragischen Ereignisse von 2014 beitragen zu können. Die Sorgen eines Gesprächspartners, womöglich werde Kleihues künftig nicht mehr nach Russland einreisen können, weil er dieses Projekt in der Ukraine anpacke, nimmt man nicht allzu ernst.

„Museumsbauten, das ist für viele Architekten die Königsdisziplin“, sagt Kleihues, der derzeit auch an einem Ergänzungsbau zum Berliner Pergamonmuseum arbeitet. „Das städtebauliche Ensemble ist für uns dabei immer besonders wichtig. Doch der in Kiew geplante Bau ist trotz seiner Bezüge zur Umgebung schon ein Solitär.“ Er erhebt sich in der hügelreichen Stadt oberhalb des Maidans. Das soll den Ansturm der Demonstranten auf die Höhen der Macht symbolisieren. Das Gebäude mit seinen Glasfassaden und umlaufenden Rampen wird über der Stadt aufragen wie eine Akropolis.

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