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#Pflanzenfressende Insekten entwickelten sich anders als gedacht

Eine Vielzahl von Insekten ernährt sich von Pflanzen. Diese Arten und ihre Ernährungsmuster haben sich schon sehr früh in der Evolution entwickelt – viel früher als bisher angenommen, wie nun Fraßspuren an 165 Millionen Jahre alten fossilen Blättern belegen. Demnach war es nicht erst die Entwicklung der Blütenpflanzen in der frühen Kreidezeit, die die Evolution der pflanzenfressenden Insekten vorantrieb. Stattdessen könnte der Selektionsdruck durch parasitäre Insekten die Evolution der pflanzenfressenden Insekten schon im Jura beschleunigt haben.

In den heutigen Ökosystemen bilden Pflanzen und pflanzenfressende Insekten ein komplexes System gegenseitiger Interaktionen. Ihre Artenvielfalt und Wechselwirkungen haben sich einer gängigen Annahme zufolge vor 125 bis 90 Millionen Jahren parallel entwickelt, in der Unterkreidezeit. Denn damals begannen die Blütenpflanzen, sich auszubreiten und zu diversifizieren. Parallel dazu, so die Annahme, entstanden neue Formen pflanzenfressender Insekten. Doch wann und wie deren Entwicklung tatsächlich vonstatten ging, war bisher unklar.

Foto eines Pflanzenfossils mit Fraßschäden von einem Insekt
Fraßschäden durch ätzende Insekten, die sich vom Pflanzeninneren ernähren, an Pflanzen aus der Daohugou-Pflanzenfossilsammlung aus der Jurazeit. © Lifang Xiao

Insektenspuren auf fossilen Pflanzen

Dies haben nun Biologen um Lifang Xiao von der Akademie der Wissenschaften Guangdong näher untersucht. Dafür analysierten sie 134 fossile Pflanzensammlungen unterschiedlichen Alters, die aus verschiedenen Weltregionen stammen, sowie drei moderne Waldsammlungen. Die Forschenden suchten darin nach Fraßschäden und anderen Spuren an den Pflanzen, die von pflanzenfressenden Insekten hinterlassen werden. Dazu zählen beispielsweise das Anfressen der Blattränder oder -oberfläche, das Anbohren und Fressen des Inneren, das Anstechen und Aussaugen der Pflanzen sowie Eiablagen. Aus diesen Spuren schlossen die Biologen auf die sich verändernden Lebens- und Ernährungsweisen der Insekten im Zuge der letzten 305 Millionen Jahre.

Die Auswertung ergab, dass es die heutige Insektenvielfalt und die durch sie hervorgerufenen Pflanzenschäden schon vor 165 Millionen Jahren gab, in der Mittleren Jurazeit. Dies belegte eine entsprechend alte Fossilsammlung aus dem chinesischen Daohugou, deren fossile Blätter ein ähnliches Muster zeigten wie die modernen Pflanzenproben. Zwar lebten damals teils andere Insekten als heute, ihre Vielfalt führte jedoch zum selben Ausmaß an Pflanzenfraß, erklärt das Team. Dieser Nachweis von Insektenfraß an Pflanzen ist damit auf rund 60 Millionen Jahre früher datiert als der Entwicklungsboom der Angiospermen, der bedecktsamigen Blühpflanzen. Demnach entwickelten sich die pflanzenfressenden Insekten deutlich früher als bisher angenommen, lange bevor Blütenpflanzen das Nahrungsangebot an Land dominierten.

Foto eines Pflanzenfossils mit Fraßschäden von einem Insekt
Fraßschäden durch grabende Insekten, die sich vom Pflanzeninneren ernähren, an Pflanzen aus der Daohugou-Pflanzenfossilsammlung aus der Jurazeit. © Lifang Xiao

Feind statt Futter als Evolutionsantrieb?

Doch von welchen Pflanzen ernährten sich die frühen Insekten im Jura dann, wenn nicht von Angiospermen? Die Fossilien aus dieser Zeit stammen vor allem von Gymnospermen wie Nadelbäumen, Palmfarnen und mehreren ausgestorbenen Pflanzengruppen. Die Samen dieser Nacktsamer sind im Gegensatz zu den Bedecktsamern nicht in einem Fruchtknoten eingeschlossen. Heutige pflanzenfressenden Insekten befallen solche Nacktsamer eher selten. Doch früher sah das offenbar anders aus: „Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Abstammungslinien der Insekten früher (vor 165 bis 100 Millionen Jahren) über ein breiteres Spektrum an Ernährungsstilen verfügten, das sich in der Neuzeit einschränkte“, schreibt das Team. Demnach waren die frühen Insektenarten jeweils auf bestimmte nacktsamige Pflanzen spezialisiert, spätere Arten nutzten hingegen etwas genereller die bedecktsamigen Pflanzen.

Die Forschenden schließen daraus, dass sich die pflanzenfressenden Insekten nicht wie zuvor gedacht durch die parallele Entwicklung der Pflanzen diversifizierten. Statt des Futterangebots als treibender Kraft könnten die natürlichen Feinde der pflanzenfressenden Insekten ihre Evolution vorangetrieben haben, wie Xiao und ihre Kollegen berichten. Demnach hat das Auftreten von parasitären Insekten, die die pflanzenfressenden Insekten befielen, deren Entwicklung im Jura wahrscheinlich vorangetrieben – als Versuch, den Feinden zu entkommen. Solche Insekten, vor allem Wespen, Fliegen und Käfer, erlebten einen Evolutionsschub beginnend vor rund 180 Millionen Jahren, im Frühen Jura, wie das Team erklärt.

Die Erkenntnisse zu vergangenen Evolutionsphasen könnten nach Ansicht von Xiao und ihren Kollegen helfen, die heutige Artenvielfalt und Pflanze-Insekt-Interaktionen zu verstehen. Mit dem Wissen könnten die Insekten und ihre Ökosysteme besser geschützt werden.

Quelle: Lifang Xiao (Akademie der Wissenschaften Guangdong) et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2412036122

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