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#Licht und Zwielicht

Licht und Zwielicht

Wer zur großen Leser­gemeinde des franzö­sischen Nobelpreisträgers Patrick Modiano gehört, weiß, dass es fast in jedem seiner Romane früher oder später um Fotografie geht. Häufig ge­hören professionelle Fotografen zum ­En­semble seiner Figuren, oder er nutzt das vielfältige Spektrum der Gebrauchsweisen des Mediums, indem er Porträts, Passbildern und Momentaufnahmen eine strukturierende Funktion im Erzählvorgang zuweist. Während in der litera­rischen Tradition von André Breton bis W. G. Sebald Fotografien dazu eingesetzt werden, das Authentizitätsversprechen der Darstellung zu beglaubigen, zeigt Modiano nie wirkliche Bilder, sondern beschränkt sich auf ihre Beschreibung. Seine Foto-Fiktionen evozieren Wünsche, Erinnerungen und Phantasien, die über das Gegenständliche der Aufnahmen hinausgehen.

Häufig klammern sich seine Figuren an Bilder als vermeintliche Beweisstücke in einem Indizienprozess, den sie führen, um ihre Identität zu klären. So beginnt der Roman „Außenbezirke“ mit dem zufälligen Fund einer alten Aufnahme, auf der der Protagonist seinen ihm fremden Vater erkennt. Diese Entdeckung wird zum Ausgangspunkt einer Recherche, die ihn immer stärker mit der zwielichtigen Vergangenheit des Vaters während der Jahre der deutschen Okkupation in Frankreich konfrontiert. Zwar ist mit der Besatzungszeit eines der zentralen Themen Modianos angesprochen, aber er hat wiederholt darauf hingewiesen, dass er sich ihr nicht als Historiker nähere, sondern sie ihm einen Imaginationsraum für seine Literatur erschließe. Grundsätzlich habe er weniger vergangene Dinge als vielmehr deren bis in die Gegenwart führende Spuren im Blick.

In einem seiner wenigen Interviews hat Modiano betont, dass ihm an der Technik des 1946 von Joseph Mankiewicz gedrehten Schwarz-Weiß-Films „Some­where in the Night“ aufgegangen sei, wie die visuellen Künste durch Kamera- und Lichtführung am Set eine spezifische Atmosphäre erzeugen können. Modianos Werk besticht nicht zuletzt dadurch, dass es ihm gelingt, mit sprachlichen Mitteln eine vergleichbare Wirkung zu erzielen, Stimmungen darzustellen, die nach Otto Friedrich Bollnow als „Grundverfassungen des seelischen Lebens“ eine welterschließende Funktion ausüben. Zudem weist sich Modiano als vorzüglicher Kenner der jüngeren Film- und Fotogeschichte aus, der sich auch gelegentlich zu einzelnen ihrer Themen essayistisch äußert.

Der Schriftsteller Patrick Modiano erhielt 2014 den Literaturnobelpreis.


Der Schriftsteller Patrick Modiano erhielt 2014 den Literaturnobelpreis.
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Bild: FAZ

Echte und fiktive Fotografen Seite an Seite

Im Mittelpunkt seines Romans „Ein so junger Hund“ steht ein Fotograf namens Jansen, der von seiner langen Zusammenarbeitet mit Robert Capa berichtet. Dem Ich-Erzähler, der sich mit ihm anfreundet, fällt auf, dass Jansen fast unmerklich und scheinbar ohne Absicht seine Rolleiflex immer wieder auf die eigenen Schuhe richtet. Eine Übung, deren Symbolik für Jansen die wahre Lehre fotografischen Handelns enthält: „Man muss die Dinge behutsam und still nehmen, sonst entziehen sie sich.“ Bei einem gemeinsamen Spaziergang, der sie zu einer kleinen Pariser Buchhandlung führt, bemerkt Jansen, dass er kurz vor dem Krieg hier eine Fotoausstellung des deutschen Künstlers Wols gesehen und dessen Bekanntschaft gemacht habe. Er „bewunderte ihn genauso wie Capa. Er besuchte Wols in Cassis, wohin dieser sich zu Beginn der deutschen Besatzung geflüchtet hatte. Wols war es, der ihm beigebracht hatte, die eigenen Schuhe zu fotografieren.“ Der Kunstgriff Modianos, seiner fiktiven Figur Jansen bekannte Fotografen an die Seite zu stellen, enthüllt sein Raffinement in den Details der Durchführung, denn die Angaben zu Capas Kriegsberichterstattung stimmen ebenso wie die Hinweise auf Wols’ Werk. Tatsächlich wurde es erstmals vom 30. Januar bis zum 18. Fe­bruar 1937 in der renommierten Fotogalerie „Galérie de la Pléiade“ unter dem Titel „Photographies par Wolf Schulze“ öffentlich aus­gestellt; ein als Selbstpor­trät bezeichneter Vintage Print, entstanden um 1940, wiederum zeigt die Schuhe von Wols.

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