Wissenschaft

#Geheimnisvolles Insekten-Kalkül

Wüstenameisen „wissen“ offenbar, wie gut ihre Kundschafter den Heimweg zum Nest anhand von Landmarken finden können. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen einer experimentellen Studie wider. Die Krabbler bauen demnach nur bei Bedarf ihre Hügel zu weithin sichtbaren Orientierungshilfen für Heimkehrer aus. Wenn es hingegen bereits andere Landmarken im Umfeld des Nesteingangs gibt, verzichtet der Staat auf die Investition in den aufwendigen Portalbau. Bisher bleibt geheimnisvoll, worauf das ressourcensparende Kalkül der Wüstenameisen basiert, sagen die Wissenschaftler.

Ein Haufen wuselnder Winzlinge, doch von Chaos keine Spur: Durch raffinierte Regelsysteme bildet ein Ameisenvolk eine komplexe Einheit mit erstaunlicher Leistungsfähigkeit. Ein solcher Superorganismus kann dabei sogar kollektive Intelligenz hervorbringen – die Gemeinschaft verhält sich in geradezu magisch erscheinender Weise sinnvoll, zeigen Studien. Bei der Erforschung der Wüstenameisen der Art Cataglyphis fortis stand bisher vor allem die erstaunliche Orientierungsfähigkeit dieser Bewohner der Salzpfannen Nordafrikas im Fokus. Sie leben in unterirdischen Nestern, deren Eingangsbereich sich durch kleine Hügel bemerkbar machen kann. Manche sind fast 30 Zentimeter hoch, bei anderen Nestern fällt die Erhebung hingegen ausgesprochen flach oder kaum sichtbar aus.

Meistern der Orientierung auf der Spur

Um in dem kargen Lebensraum für die Ernährung des Volkes zu sorgen, marschieren Scouts von den Nestern aus weit ins Umland hinaus. Wie es die Ameisen schaffen, nach ihren Erkundungsreisen zu ihrem Nest zurückzufinden, erforschen bereits seit einiger Zeit Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. „Wir glauben, dass dieser extrem raue Lebensraum im Laufe der Evolution zu einem Navigationssystem von unübertroffener Präzision geführt hat,“ sagt Erst-Autorin Marilia Freire. Wie sie berichtet, wurden bereits einige spannende Aspekte der Orientierungsfähigkeit aufgezeigt. In der sandigen Umgebung können die Insekten offenbar nicht ihrer eigenen Duftspur folgen. Zur Einstellung der Laufrichtung dient ihnen stattdessen ein Sonnenkompass. Grundsätzlich wurde außerdem bereits gezeigt, dass sie geruchliche, aber auch sichtbare Landmarken als Anhaltspunkte nutzen.

Die Grundlage der aktuellen Studie bildete nun die Feststellung, dass die Nester in der Mitte der Salzpfannen, wo es besonders wenige sichtbare Orientierungspunkte gibt, vergleichsweise hohe Hügel an den Nesteingängen aufweisen. Die Hügel in der Nähe der mit Büschen bewachsenen Ränder der Salzpfannen schienen hingegen niedriger oder kaum vorhanden zu sein. So fragten sich die Forscher, ob die hohen Hügel den Ameisen in den kargen Bereichen vielleicht als Orientierungshilfe auf dem Weg nach Hause dienen könnten. „Es ist immer schwer zu sagen, ob ein Tier etwas zielgerichtet tut oder nicht. Die hohen Nesthügel hätten auch ein Nebeneffekt der unterschiedlichen Bodenstruktur oder der unterschiedlichen Windverhältnisse sein können“, sagt Seniorautor Markus Knaden. Deshalb entschieden sich die Forscher, der Frage experimentell nachzugehen. „Dazu entfernten wir einige Hügel, versahen dann einige Nester mit künstlichen Orientierungspunkten, andere wiederum nicht und beobachteten anschließend, wie die Ameisen darauf reagieren,“ sagt Knaden.

Nur wenn nötig, wird gebaut

Für die Experimente folgten die Forscher den Scout-Ameisen zudem mittels GPS-Technologie. „Wir beobachteten, dass Wüstenameisen in der Lage sind, weit größere Entfernungen zurückzulegen als bislang berichtet. Die weiteste Strecke, die ein einzelnes Tier zurücklegte, war mehr als zwei Kilometer lang,“ berichtet Freire. Zudem konnten die Forscher auch eine überraschend hohe Sterblichkeitsrate dokumentieren: Etwa 20 Prozent der futtersuchenden Ameisen gelang die Rückkehr nicht.

Es zeigte sich, dass offenbar die Hügel bei den Nestern in den besonders kargen Regionen dafür sorgen, dass die Verluste nicht noch höher sind. Sie bilden wichtige visuelle Orientierungshilfen, geht aus den Ergebnissen hervor. Wurden sie entfernt, fanden weniger Ameisen zurück, während ihre Nestgenossen gleichzeitig damit begannen, die Hügel schnellstmöglich wiederaufzubauen. Erstaunlicherweise war das aber nicht der Fall, wenn die Wissenschaftler 50 Zentimeter hohe Zylinder in der Nähe der Nester platzierten, deren Hügel sie zuvor abgetragen hatten. Dann investierten die Ameisen nicht in den Bau neuer Hügel. Offenbar „begreifen“ die Völker demnach irgendwie, dass sie mit diesen Zylindern bereits über ausreichende Orientierungshilfen verfügen.

Wie die Forscher erklären, könnte es zwischen den Ameisen, die sich auf Futtersuche begeben und den Bau-Ameisen einen Informationsaustausch geben. „Eine Möglichkeit wäre etwa auch, dass im Nest wahrgenommen wird, dass die Rate der Rückkehrenden sinkt, und infolgedessen Aktivitäten zum Bau des Nesthügels verstärkt werden,“ spekuliert Freire. Letztlich bleibt die Grundlage der Fähigkeit allerdings bisher ein Geheimnis. Dazu sagt Knaden abschließend: „Dass Wüstenameisen sogar eigene Landmarken zur Orientierung bauen und sich nur dann für diesen Arbeitsaufwand entscheiden, wenn andere Orientierungshilfen fehlen, ist schon erstaunlich“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.05.019

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!