Wissenschaft

#Belastungsgrenzen für eine sichere und gerechte Welt

Klimawandel, Flächennutzung, Luftverschmutzung: Wir Menschen prägen die Gestalt und die Zukunft unseres Planeten. Eine Studie definiert nun Grenzwerte, innerhalb derer wir natürliche Systeme wahrscheinlich nicht schwerwiegend aus dem Gleichgewicht bringen – und zugleich verhindern, dass Millionen von Menschen gravierende Schäden erleiden. Anders als frühere Ansätze, die sich vor allem auf biophysikalische Faktoren stützten, bezieht die Studie auch soziopolitische Faktoren ein. Dies führt in einigen Bereichen zu deutlich strengeren Grenzwerten. Viele davon sind bereits überschritten.

Wir Menschen prägen unsere Umwelt so sehr, dass Wissenschaftler unser Zeitalter als neue geologische Epoche einstufen: das Anthropozän. Durch menschliche Einflüsse entfernt sich unsere Welt rapide vom stabilen Zustand des vorangegangenen Zeitalters, des Holozäns. Das Klima erwärmt sich schneller als in den Jahrtausenden zuvor, die Artenvielfalt sinkt und die Luftverschmutzung nimmt zu. Bereits 2009 haben Forschende neun sogenannte planetare Grenzen definiert, die sichere Handlungsspielräume für die Menschheit festlegen sollen. Diese Grenzwerte – unter anderem für die globale Erwärmung, die Wassernutzung und die Stabilität von Ökosystemen – wurden seither mehrfach überarbeitet. Bisher basierten sie allerdings vor allem auf globalen Erwägungen zu biophysikalischen Regelsystemen.

„Sichere“ und „gerechte“ Grenzwerte

„Wir legen zum ersten Mal quantifizierbare Zahlen und eine solide wissenschaftliche Grundlage vor, um den Zustand unserer planetarischen Gesundheit nicht nur im Hinblick auf die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Erdsystems, sondern auch im Hinblick auf das menschliche Wohlergehen und die Gerechtigkeit zu bewerten“, sagt Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hat er auf Basis früherer Studien sowie eigener Modellierungen Grenzwerte in acht Bereichen definiert: das Klima, die natürliche Ökosystemfläche, die funktionale Integrität der Ökosysteme, das Oberflächenwasser, das Grundwasser, den Stickstoff, den Phosphor und die Aerosole.

Dabei unterscheidet das Team zwischen sicheren und gerechten Grenzwerten. In Übereinstimmung mit den bereits zuvor definierten planetaren Grenzen beziehen sich die „sicheren“ Grenzwerte darauf, die Stabilität des Erdsystems zu erhalten oder wiederherzustellen. Im Bereich Klima gilt beispielsweise eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius als sicher, da sich unterhalb dieses Wertes vermeiden lässt, dass zahlreiche klimatische Kipppunkte überschritten werden. Doch bereits unterhalb dieses „sicheren“ Grenzwertes erleiden Millionen von Menschen klimabedingte Schäden: Sie sind extrem hohen Temperaturen ausgesetzt, leiden unter Wassermangel und Nahrungsknappheit oder müssen befürchten, dass ihre Heimat bald unbewohnbar wird.

Auswirkungen auf die Menschen

Die „gerechten“ Grenzwerte zielen daher darauf, Menschen vor erheblichen Schäden zu schützen. „Gerechtigkeit ist eine Notwendigkeit für die Menschheit, um innerhalb der planetarischen Grenzen zu leben“, sagt Co-Autorin Joyeeta Gupta von der Universität Amsterdam. „Die überwältigenden Beweise zeigen, dass ein gerechter und ausgewogener Ansatz für die Stabilität des Planeten unerlässlich ist. Ohne Gerechtigkeit können wir keinen biophysikalisch sicheren Planeten haben. Dazu gehört die Festlegung gerechter Ziele, um erhebliche Schäden zu verhindern und den Menschen den Zugang zu Ressourcen zu garantieren, sowie gerechte Veränderungen, um diese Ziele zu erreichen.“

Dies führt zu deutlich strengeren Grenzwerten. In Bezug auf die globale Erwärmung kommt das Team beispielsweise zu dem Ergebnis, dass der Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf ein Grad Celsius begrenzt werden müsste. Dieser Wert wurde mit 1,2 Grad aktueller Erwärmung bereits überschritten. Auch die weiteren festgelegten gerechten Grenzwerte halten wir aktuell nicht ein. Wir nutzen mehr Grundwasser als sich regenerieren kann, leiten über Düngemittel mehr Stickstoff und Phosphor in die Natur, als die Ökosysteme vertragen, und verschmutzen die Luft zumindest in einigen Regionen so stark, dass die dort lebenden Menschen ernsthafte gesundheitliche Schäden fürchten müssen.

Lösungsansätze noch ausstehend

„Unsere sicheren und gerechten Grenzen dienen als Richtschnur für die Festlegung von Zielen, müssen aber auch durch gerechte Transformationsprozesse umgesetzt werden, die den Menschen ein Mindestmaß an Zugang zu Ressourcen sichern“, sagt Gupta. Gerechtigkeit umfasst dem Forschungsteam zufolge sowohl Gerechtigkeit zwischen heute lebenden Menschen in verschiedenen Regionen der Welt, Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen als auch Gerechtigkeit gegenüber unseren nicht-menschlichen Mitgeschöpfen.

Wie genau gerechte Transformationsprozesse aussehen könnten, hat das Autorenteam nicht ausgearbeitet. „Viele Fragen des Zusammenspiels von menschlicher Entwicklung und Lebensgrundlagen bleiben letztlich noch offen“, kommentiert Gregor Hagedorn vom Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin, der nicht an der Studie beteiligt war. „Wie methodisch belastbar ist die Einbeziehung der Gerechtigkeitsaspekte und deren Quantifizierung? Solange die sozialen Entwicklungsziele nur knapp angesprochen, nicht aber quantifiziert werden, ist auch die daraus entstehende Minimalbelastung der Lebensgrundlagen für eine gerechte Welt nicht quantifizierbar. Weitere Arbeiten werden hier vermutlich folgen.“

In einem begleitenden Kommentar zur Studie, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, schreibt Stephen Humphreys von der London School of Economics and Political Science: „Auch wenn die Arbeit mehr Fragen aufwirft als beantwortet, ist sie ein entscheidender Schritt zur Überbrückung der Kluft zwischen biophysikalischer und soziopolitischer Forschung. Damit besteht die Hoffnung, dass sie uns der Verwirklichung eines wirklich sicheren und gerechten Erdsystems näher bringt.“

Quelle: Johan Rockström (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06083-8

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