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#Mann sein war auch schon mal einfacher

Mann sein war auch schon mal einfacher

Es beginnt mit einem nackten Hintern. Ein Männer-Po, und was für einer: schlaff, weiß, behaart, schwabbelig. Ein alternder Mann gehört zu diesem Po, der hier in überlebensgroßen Schwarz-Weiß-Fotografien gezeigt wird und den Betrachter sofort in den Bann zieht. Das sind wir nicht mehr gewöhnt, diese nackte Zurschaustellung alternder Haut. Der britische Künstler John Coplans hat diese Selbstporträts 1994 angefertigt, und sie führen direkt ins Thema der großartigen Ausstellung „Masculinities“, die derzeit im Berliner Gropius-Bau in Kooperation mit dem Barbican Centre London zu sehen ist.

Hannah Bethke

Die Kuratorin Alona Pardo hat den Plural bewusst gewählt, denn es geht nicht bloß um eine spezifische Männlichkeit oder das, was wir dafür halten, sondern um diverse Kategorien und Zuschreibungen dessen, was als männlich gelebt, gefühlt, inszeniert wird. Die Zeitspanne reicht dabei bis in die sechziger Jahre zurück.

Da gibt es Archetypen: Muskeln, Cowboys, Soldaten. Ein ölverschmierter Typ mit nacktem, sehnig-muskulösem Oberkörper und Reifen in der Hand guckt mit verlangendem Blick in die Kamera von Herb Ritts. Daneben hängen Aufnahmen des jungen Arnold Schwarzenegger, den man für eine Comicfigur halten könnte, wüsste man nicht, dass es ihn wirklich gibt. Doch hier erweitert der amerikanische Fotograf Robert Mapplethorpe den Horizont und lichtet auch Lisa Lyon ab, nackt, Bodybuilderin, mit einer kraftstrotzenden Pose, wie sie sonst nur für Männer üblich ist.

Peter Hujar, David Brintzenhofe Applying Makeup (II), 1982



Bilderstrecke



Fotoschau im Gropius-Bau
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Formen der Männlichkeit

Wir sehen schlafende Soldaten, die der israelische Künstler Adi Nes in berührenden Bildern aufgenommen hat, und Männer im Halbkreis, die mit dem Rücken zum Fotografen in karger Landschaft in die Ferne pinkeln. Die Bilder vermitteln männliche Stereotype: Stärke, Ego, Härte. Die niederländische Fotografin Rineke Dijkstra zeigt Porträts portugiesischer Stierkämpfer, blutverschmiert, mit zerrissener Kleidung, tapfere Helden, direkt nach dem Kampf.

Doch sogleich erfolgt die Erschütterung all dieser Klischees: ein weinender Mann (gefilmt von Bas Jan Ader); ein Mann, der sich schminkt (fotografiert von Peter Hujar); ein junger Football-Spieler, der ohne Helm aussieht wie ein zerbrechliches Kind (Catherine Opie). Wir sehen in Aufnahmen von George Dureau einen Mann ohne Beine, deren Fehlen auf den ersten Blick gar nicht auffällt; und einen Transsexuellen in fünfzig Kleinaufnahmen des kanadischen Künstlers Cassils.

Es hätte der nervtötend um politische Korrektheit bemühten Ausstellungstafeln nicht bedurft, um auf diskriminierende Normen aufmerksam zu machen. Die Fotos vermitteln das bereits; jeder sollte sie selbst interpretieren dürfen.

Männliche Ordnungen in Frage stellen

Das Wechselspiel zwischen herkömmlicher „Männlicher Ordnung“, wie eine der Abteilungen der Ausstellung heißt, und der Dekonstruktion von Rollenzuschreibungen ist nicht etwa deshalb so spannend, weil der Gedanke so neu wäre, sondern weil die Bildauswahl besticht und überzeugt. Das gilt für jedes der sechs Themen, die dafür ausgewählt wurden. Mit „queerem Blick“ schaut beispielsweise Karlheinz Weinberger auf einen nackten Mann mit langen blonden Haaren und femininem Wildledermantel mit Fell. Peter Hujar zeigt das Porträt eines jungen Mannes, dessen Gesichtsausdruck nicht jeder sofort zuordnen dürfte. Er kneift die Augen zusammen, hält den Kopf schief und lehnt sich an eine Hand. Doch spätestens bei der Bildunterschrift wird klar: Das ist ein „Orgasmic Man“.

Eine weitere Abteilung zeigt die geballte männliche Macht, Männer in Schlips und Kragen, die allesamt aufgestiegen und zu Ruhm und Ehren gelangt sind, Politiker, Militärs und Industrievertreter, 1976 dokumentiert in neunundsechzig Kleinaufnahmen von Richard Avedon.

Die Rückeroberung schwarzer Identität

Aus weiblicher Perspektive ist die Machtverteilung im Patriarchat klar. Die kürzlich verstorbene Künstlerin Marianne Wex veranschaulicht 1977 die Ungleichheit der Geschlechter in einer Serie zu Körperhaltungen und Sitzpositionen von Männern und Frauen, die Rückschlüsse über Herrschaft und Unterordnung erlauben. Sie markiert den Beginn der Frauenemanzipation, die den männlichen Blick verkehrt.

Noch diverser wird es in der Beleuchtung des schwarzen Körpers. Diese Bilder sollen eine „Rückeroberung“ der eigenen Identität vermitteln – etwa durch bewusst inszenierte Fotos von Deana Lawson oder Collagen von Hank Willis Thomas, die Vorurteile über Schwarze freilegen sollen. Die Bildsprache ist hier allerdings mitunter so verschlüsselt, dass die Aussage nicht immer ganz klar ist. Das trübt die Qualität dieser überaus anregenden Ausstellung aber nicht, im Gegenteil: Leerstellen wie diese zeigen nur, wie viel mehr es noch zu entdecken gibt. „Masculinities“ zeigt, was möglich ist.

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