Wissenschaft

#Matheangst: Selbsteinschätzung wichtiger als eigene Leistung

Angst vor Mathematik kann dafür sorgen, dass Kinder im Unterricht weniger motiviert sind, sich unwohl fühlen und später lieber einen Beruf wählen, in dem mathematische Kenntnisse kaum gefragt sind. Eine Studie hat nun anhand von Daten aus der PISA-Studie von 2012 untersucht, welche Faktoren zur Angst vor dem Fach beitragen: Eine wichtige Rolle spielen demnach das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die subjektive Erfolgserwartung. Objektive Leistungen haben demgegenüber einen deutlich geringeren Einfluss.

Wer Angst hat, sich im Unterricht zu blamieren oder in Klassenarbeiten schlechte Noten zu bekommen, kann in einen Teufelskreis geraten: Denn wenn die Angst überhandnimmt, blockiert sie wichtige kognitive Ressourcen, die dann nicht mehr dafür eingesetzt werden können, den Stoff zu verstehen oder die gestellten Aufgaben zu lösen. Dieses Problem kann grundsätzlich alle Schulfächer betreffen, kommt aber besonders häufig in Mathe vor. Die PISA-Studie von 2012, die die Lernstände von Schülerinnen und Schülern in 65 OECD-Staaten erhoben hat, hat einen besonderen Fokus auf die mathematischen Leistungen gelegt. Zusätzlich zu den fachlichen Aufgaben beantworteten die Jugendlichen für die Studie auch Fragen zu ihren persönlichen Einstellungen zu dem Fach und möglichen Ängsten.

Subjektive Faktoren am wichtigsten

Diese Daten haben Dénes Szücs von der University of Cambridge in Großbritannien und Enrico Toffalini von der Universität Padua in Italien nun mit einem neuen Ansatz ausgewertet. Um herauszufinden, welche Faktoren zur Matheangst beitragen, haben sie jeweils in Beziehung gesetzt, wie die Befragten ihre eigenen Mathefähigkeiten einschätzen, welche Erfolgserwartungen sie haben und für wie wichtig sie das Fach halten. Auch die tatsächlichen Leistungen bezogen die Forschenden ein.

Das Ergebnis: „Die subjektive Selbstwahrnehmung stand in einem stärkeren Zusammenhang mit der Matheangst als die tatsächlichen mathematischen Leistungen“, berichten Szücs und Toffalini. „Je stärker die Schülerinnen und Schüler den Eindruck hatten, Kontrolle über den Lernstoff zu haben, und je mehr sie davon ausgingen, in Matheprüfungen erfolgreich zu sein, desto weniger Angst hatten sie vor dem Fach.“ Der Zusammenhang zu den objektiven Leistungen war dagegen schwächer ausgeprägt. „Im Gegensatz zu häufigen Stereotypen haben 80 Prozent der Jugendlichen mit niedrigen Mathematikleistungen keine große Angst vor Mathe, während 80 Prozent der Jugendlichen mit hoher Matheangst durchschnittliche bis hohe Leistungen erbringen“, so die Autoren.

Hohe Leistung führt nicht automatisch zu Selbstvertrauen

Besonders ausgeprägt war dieser Effekt in Ländern wie China, Japan und Singapur. „Im Vergleich zu anderen Ländern weisen die Jugendlichen in diesen Ländern sehr hohe Leistungen in Mathematik auf, geben aber gleichzeitig eine viel stärkere Matheangst an, als aufgrund ihrer Leistungen zu erwarten wäre“, berichten Szücs und Toffalini. „Es ist wichtig zu sehen, dass eine hohe Leistung nicht unbedingt bedeutet, dass die subjektive Erfolgserwartung ebenfalls sehr hoch ist.“

In den meisten untersuchten Ländern zeigt sich zudem, dass Mädchen mehr Angst vor Mathe angaben und geringere Erfolgserwartungen hatten als Jungen, obwohl ihre objektiven Leistungen auf ähnlichem Niveau waren. In Deutschland war dieser Geschlechterunterschied allerdings vergleichsweise wenig ausgeprägt. In Bezug auf die Frage, wie wichtig die Jugendlichen Mathe finden und wie sich das auf die Angst vor dem Fach auswirkt, stießen die Forscher auf überraschendes Ergebnis: „Kinder, die Mathematik als wichtiger einstuften, hatten bei ähnlichen Niveaus der subjektiven Kontrolle und Erfolgserwartung mehr Angst vor Mathe als Kinder, die das Fach als weniger relevant bewerteten“, so das Team.

Hinweise für Maßnahmen gegen Matheangst

Die Ergebnisse haben den Forschern zufolge wichtige Auswirkungen auf mögliche Maßnahmen, um Matheangst zu verringern. „Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass wirksame Interventionen auf dem allmählichen Aufbau von Vertrauen in die eigenen mathematischen Fähigkeiten beruhen könnten. Diese könnten sich in erster Linie auf ein tieferes Verständnis des Fachs stützen, das die subjektive Erfolgserwartung und das Gefühl der Kontrolle über mathematische Aktivitäten verbessert“, schreiben sie.

„Unsere Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass – scheinbar paradoxerweise – Interventionen, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, den Jugendlichen zu vermitteln, wie wichtig Mathematik ist, kontraproduktiv wären.“ Wenn den Schülerinnen und Schülern nicht gleichzeitig das Gefühl vermittelt wird, den Stoff kontrollieren zu können, würde eine solche Maßnahme laut Szücs und Toffalini wahrscheinlich eher die Angst vor Mathe erhöhen. „Daher sollten Lehrkräfte die Bedeutung der Mathematik nicht von vornherein überbetonen“, empfehlen sie. „Unsere Ergebnisse deuten vielmehr darauf hin, dass der subjektive Wert von Mathematik von den Schülern selbst ‚natürlich‘ aufgebaut werden kann, wenn sich ihre Selbstwirksamkeit, ihr Selbstkonzept und ihre Kontrollwahrnehmung verbessern.“

Quelle: Dénes Szücs (University of Cambridge, UK) et al., Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.231000

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