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#Matthias Alexander über das deutsche Weltkulturerbe

Matthias Alexander über das deutsche Weltkulturerbe

Hundert Prozent beträgt in diesem Jahr die Erfolgsquote Deutschlands, was die Neueinträge in die Liste des Weltkulturerbes angeht. Zwei nationale und drei transnationale Anträge fanden die Gnade des zuständigen UNESCO-Komitees. Ein Grund zu feiern für all jene, die sich in jahrelanger Arbeit engagiert haben. Und auf den ersten Blick für alle Interessierten: Deutschland ist nun mit 51 Welterbestätten vertreten, davon 48 Stätten des Kultur- und drei des Naturerbes. Damit ist der Rückstand auf den einzigen Staat geschrumpft, der im globalen Maßstab mehr nobilitierte Sehenswürdigkeiten des Kulturerbes zu bieten hat (Italien), und zugleich der Vorsprung auf den großen Rest des Feldes gewachsen.

Weshalb aber auch ein paar unangenehme Fragen zu stellen sind. Zunächst an die UNESCO. Schon vor mehr als 25 Jahren hatte die UN-Organisation das Ziel ausgegeben, die Überrepräsentation von Stätten in Europa im Vergleich zu den übrigen Weltregionen reduzieren zu wollen. In der Praxis erweist sich das jedoch als schwierig; die Denkmalschutz­apparate der europäischen Staaten liefern routiniert jene Unterlagen, die Gutachter überzeugen. Hier hat man sich auch geschmeidig auf den Wunsch der UNESCO eingestellt, nur mehr Beispiele jener Gebäudetypen und Epochen vorzuschlagen, die bisher kaum vertreten sind. Statt noch einen Dom oder noch eine Altstadt zu nominieren, schickte Deutschland beispielsweise 2011 das Fagus-Werk von Walter Gropius und Adolf Meyer ins Rennen und gewann.

Die Schattenseite des Erfolgs wird immer deutlicher: Hierzulande ist eine Inflationierung des Welterbes zu kon­statieren. Mit dem Kriterium des „außergewöhnlichen universellen Wertes“ hatte die UNESCO die Latte ursprünglich sehr hoch gehängt. Dass der Aachener Dom auf einer Liste mit der Chinesischen Mauer und den Pyramiden von Gizeh stehen kann, dürfte jedermann einleuchten. Aber gilt das auch für Bad Ems und den letzten, kaum noch sichtbaren Abschnitt des römischen Limes? Je häufiger das populäre Rangabzeichen nach Deutschland vergeben wird, desto mehr verliert es an Aussagekraft. Das schadet nicht so sehr den Titelträgern, sondern vor allem den vielen großartigen Stätten, die aus welchen Gründen auch immer nicht zum erlauchten Kreis zählen. Auf solche Weise deklassiert, verlieren sie an Bedeutung für bestimmte Besuchergruppen und in der Folge auch für die Politik, die Finanzmittel zu verteilen hat. Die Absicht, das Bewusstsein für das kulturelle Erbe zu schärfen, droht sich in ihr Gegenteil zu verkehren.

Der Aachener Dom als herausragendes Bauwerk der karolingischen Renaissance und Krönungsstätte vieler Könige und Kaiser ist der Dienstälteste der deutschen Stätten in der der Welterbe-Liste.


Der Aachener Dom als herausragendes Bauwerk der karolingischen Renaissance und Krönungsstätte vieler Könige und Kaiser ist der Dienstälteste der deutschen Stätten in der der Welterbe-Liste.
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Bild: dpa

Der Fachbeirat, der die Kultus­ministerkonferenz bei der Fortschreibung der deutschen Tentativliste berät, hat die Gefahr längst erkannt, die in der Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft von Superdenkmalen und dem großen Rest liegt. Schon im Jahr 2014 empfahl er der Politik, die Zahl der Stätten, die damals 38 betrug, möglichst gering zu halten. Der Ratschlag wurde nicht befolgt; im Gegenteil, immer mehr Bewerber drängt es zu den Titelehren. Inzwischen kommt es zu abstrusen Vorschlägen wie Peenemünde. Zu verlockend sind die Aussichten, mit dem begehrten Label mehr Besucher anzuziehen. Dass die Bilanz der Stätten in dieser Hinsicht gemischt ist – der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel hat beispielsweise profitiert, das Obere Mittelrheintal dagegen nicht –, spielt kaum eine Rolle.

Ein wichtiger Faktor für den fortdauernden Ansturm auf den Welterbetitel ist die Institutionalisierung der dazugehörigen Bürokratie. Längst gibt es eigene Abteilungen in Landesministerien und Landesdenkmalämtern, um die herum sich eine Beraterszene entwickelt hat; alle Beteiligten haben ein Interesse daran, die Bewerbungsmaschinerie am Laufen zu halten, durch deren Bedienung sie ihr Auskommen haben. Nun ist durchaus anzuerkennen, dass schon der Aufwand, der für eine Bewerbung um die Aufnahme in die Tentativliste zu betreiben ist, zumindest der regionalen Bekanntheit eines Denkmals und eventuell auch dessen Pflege zugutekommt, und zwar selbst im Fall des Misserfolgs. Der Schaden für die gesellschaftliche Wertschätzung von Denkmalen insgesamt ist aber höher zu bewerten. Deutschland wäre gut beraten, wenn es vorerst gar keine neuen Kandidaten mehr benennen und sein denkmalpflegerisches Know-how stattdessen Ländern mit Nachholbedarf zur Verfügung stellen würde.

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