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#„Mein Name ist Estella“: Alia Trabucco Zerán erzählt Geschichte eines Kindermädchens

Die Chilenin Alia Trabucco Zerán zählt zu den wichtigsten literarischen Stimmen ihrer Generation. In „Mein Name ist Estella“ erzählt sie von einem Kindermädchen. Doch dann ist das Kind tot.

Hausmädchen gesucht, gepflegtes Erscheinungsbild, Vollzeit. Sonst stand da nichts, außer einer Telefonnummer, die sich bald in eine Adresse verwandelte, zu der ich mich in weißer Bluse und dem gleichen schwarzen Rock aufmachte, den ich auch jetzt trage.“

Mit dieser Stellenanzeige beginnt die Geschichte von Estela García. Die chilenische Schriftstellerin und Anwältin Alia Trabucco Zerán erzählt sie in ihrem Roman „Mein Name ist Estela“. Arm und arbeitslos verlässt Estela ihre Heimat und ihre Mutter im Süden Chiles und zieht in die Hauptstadt Santiago, um dort als Haushälterin eines reichen Paares und als „Nana“ – also als Ersatzmutter – für dessen Tochter Julia zu arbeiten. Sieben Jahre lang lebt Estela bei dieser Familie. Jahr für Jahr putzt, kocht, kauft sie für sie ein. Sie bekommt Einblicke in ihr Intimleben. Sie sorgt dafür, dass ihre ehrgeizigen Arbeitgeber, ein Arzt und eine Anwältin, immer funktionsfähig sind, und sie zieht deren Kind, ein von Ängsten geplagtes Mädchen, groß. Das fremde Haus, in dem Estela in einem Kämmerchen hinter der Küche wie ein Schatten wohnt, verlässt sie kaum.

Allerdings beginnt die Handlung des Romans zu einem ganz anderen Zeitpunkt: am Ende ihrer Tätigkeit als Haushälterin. In der ersten Szene des Buches sitzt Estela in einer Art Verhörraum. Sie verspricht Leuten, die sich angeblich hinter einer Glasscheibe befinden – die aber bis zuletzt kein einziges Zeichen von sich geben –, zu erzählen, wie es zu der Tragödie kam, die Estela in ihre gegenwärtige Situation gebracht hat. Das Mädchen, auf das die Haushälterin aufpassen musste, ist tot.

Es ist ein kriminalistischer Auftakt – ein Thriller ist der Roman aber nicht. Zwar erfahren wir zum Schluss, wie das Kind gestorben ist. Und wir glauben auch zu verstehen, warum es sterben musste. Aber das, was „Mein Name ist Estela“ zu einem intelligenten und erschütternden Roman macht, ist nicht, dass ein Kriminalfall gelöst wird, sondern es ist die Schärfe, mit der Estela die Geheimnisse, die kleinen alltäglichen Grausamkeiten, das bedrückende Leben der Familie offenlegt – und gleichzeitig an allererster Stelle ihre eigenen dunklen Seiten.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

F.A.S. jetzt lesen

Alia Trabucco Zerán ist eine der herausragenden Stimmen der zeitgenössischen Literatur Lateinamerikas. Sie wurde 1983 in Santiago de Chile geboren und arbeitete nach dem Jurastudium an der Universidad de Chile als Menschenrechtsanwältin. In New York studierte sie Kreatives Schreiben, später promovierte sie in Lateinamerikastudien in London. In ihrem Debütroman „Die Differenz“, der vor zehn Jahren erschien, untersuchte sie, wie die Erfahrungen der Chilenen unter Augusto Pinochets Diktatur noch heute auf die Familienbeziehungen im Land einwirken. Der Roman, der in sieben Sprachen übersetzt wurde, war für den Man Booker International Prize nominiert und erhielt in Deutschland den Anna-Seghers-Preis.

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