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#Die historische Abstimmung der Amazon-Mitarbeiter

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Die historische Abstimmung der Amazon-Mitarbeiter

Die Mitarbeiter von Amazon in einem Distributionszentrum im amerikanischen Bundesstaat Alabama könnten Geschichte schreiben: Am Montag endete eine Abstimmung über die Gründung einer Gewerkschaft an dem Standort, an dem rund 5800 Menschen arbeiten. Es wäre die erste Gewerkschaft des Online-Händlers in seinem Heimatmarkt seit seiner Gründung vor fast 27 Jahren. Die historische Bedeutung hat dem Votum Aufmerksamkeit im ganzen Land beschert. Präsident Joe Biden hat signalisiert, er unterstütze die Bildung einer Gewerkschaft, der Senator Bernie Sanders, ein langjähriger Amazon-Kritiker, ist am Freitag nach Alabama gereist. Der Konzern selbst stemmt sich gegen das Vorhaben und hat seinen Mitarbeitern mit einer aggressiven Kampagne nahegelegt, gegen eine Gewerkschaft zu stimmen.

Roland Lindner

Bastian Benrath

Nach Ansicht von Beobachtern könnte ein Votum für eine Gewerkschaft in Alabama wegweisend sein, Beschäftigte in anderen Amazon-Lagern haben offenbar ebenfalls schon Interesse bekundet, sich zu organisieren. Es wäre allgemein für Gewerkschaften in Amerika nach jahrzehntelangem Bedeutungsverlust ein willkommener Energieschub. Im vergangenen Jahr waren nach Regierungsangaben nur etwas mehr als zehn Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Gewerkschaften organisiert, 1983, als diese Zahlen zum ersten Mal erhoben wurden, lag der Anteil noch fast doppelt zu hoch.

15 Dollar Stundenlohn

Es hat freilich in jüngster Zeit auch schon andere Erfolge gegeben, Anfang des Jahres kündigten Mitarbeiter der Alphabet-Holding um den Internetkonzern Google die Gründung einer Gewerkschaft an. Amazon wäre als zweitgrößer privater Arbeitgeber in Amerika hinter dem Wettbewerber Walmart freilich ein noch größerer Wurf. Entstünde ausgerechnet in Alabama die erste Amazon-Gewerkschaft, wäre das auch deshalb bemerkenswert, weil die südlichen amerikanischen Bundesstaaten traditionell als gewerkschaftsfeindliches Revier gelten. Dieser Umstand hat sie für viele Unternehmen attraktiv gemacht, auch für deutsche Autohersteller wie Mercedes-Benz und BMW, die hier Werke betreiben.

Bis das Ergebnis in Alabama feststeht, dürften einige Tage vergehen, die Auszählung folgt einem komplizierten Verfahren. Der Ausgang gilt als offen. Zwar haben in einem vorherigen Schritt schon mehr als 3000 Mitarbeiter mit ihrer Unterschrift Unterstützung einer Gewerkschaft signalisiert, aber das lässt nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf das endgültige Ergebnis zu. Im Falle eines positiven Votums würden sich die Amazon-Mitarbeiter der amerikanischen Handelsgewerkschaft RWDSU anschließen.



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Die Bemühungen, eine Gewerkschaft in Alabama zu gründen, haben mit Unzufriedenheit in der Belegschaft über die Arbeitsbedingungen zu tun, etwa strengen Produktivitätsvorgaben. Die Mitarbeiter hoffen auch darauf, dass die Gewerkschaft höhere Löhne durchsetzen kann. Amazon selbst hält dem entgegen, seine Mitarbeiter gut zu bezahlen. Der Konzern hat seinen Mindestlohn in Amerika vor etwas mehr als zwei Jahren auf 15 Dollar in der Stunde angehoben, mehr als das Doppelte der staatlichen Untergrenze in Amerika. Diesem Schritt war politischer Druck vorausgegangen, unter anderem auch von Sanders. Amazon engagiert sich seither auch für eine Anhebung des landesweiten Mindestlohns. In seiner Kampagne gegen die Gewerkschaft auf einer eigens gestarteten Internetseite argumentiert der Online-Händler, seine Mitarbeiter hätten angesichts guter Bezahlung keinen Grund, 500 Dollar Gewerkschaftsbeiträge zu zahlen. Er legte sich in den vergangenen Tagen auch in ungewöhnlich aggressiver Form mit einigen Politikern an. Nachdem Sanders auf Twitter fragte, warum Amazon-Chef Jeff Bezos so viel Geld in eine Anti-Gewerkschafts-Kampagne stecke, konterte ein Amazon-Manager, der Senator solle sich „Lektionen mit dem Zeigefinger“ sparen, solange er nicht in seinem eigenen Bundesstaat Vermont einen höheren Mindestlohn durchsetze.

Von Amazons offiziellem Twitter-Konto kam auch eine Replik auf den Kongressabgeordneten Mark Pocan, der über Berichte twitterte, wonach Fahrer, die Amazon-Pakete ausliefern, in Flaschen urinieren, weil der von Amazon ausgeübte Zeitdruck es ihnen erschwere, öffentliche Toiletten aufzusuchen. Amazon twitterte, der Politiker glaube dies ja wohl selbst nicht, denn dann würde ja niemand für das Unternehmen arbeiten wollen. Wenig später veröffentlichte die Online-Publikation „The Intercept“ aber ein Dokument, das den Eindruck erweckt, dem Amazon-Management sei wohl bewusst, dass seine Fahrer auf solche Flaschen zurückgreifen.

In Deutschland ist das Verhältnis zwischen Amazon und Gewerkschaften ähnlich angespannt wie in Amerika, allerdings verhindert die deutsche Rechtslage zum Arbeitsschutz viele Dinge, die in Amerika üblich sind. Berichte über Pinkelflaschen gab es hier beispielsweise noch nicht, und Amazon kann die zuständige Gewerkschaft Verdi auch nicht vom Unternehmen fernhalten. Der Versandriese ist aber trotzdem seit Jahren erfolgreich darin, sich einem Tarifvertrag zu widersetzen. Die Streiks, zu denen Verdi regelmäßig an Ostern oder Weihnachten aufruft, tun dem Konzern nicht wirklich weh. Das zeigt sich auch jetzt wieder, seit Montag streiken nach Verdi-Angaben rund 2000 deutsche Amazon-Mitarbeiter in sechs Verteilzentren. Der Konzern entgegnet, dass trotzdem mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter normal arbeiten – und beide Seiten haben recht. Solang es Verdi nicht gelingt, die Streikbeteiligung maßgeblich zu erhöhen, dürfte der Konflikt deshalb bis auf weiteres festgefahren bleiben.

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