Nachrichten

#Hurra, hurra, wir bauen uns ein Schloss

Hurra, hurra, wir bauen uns ein Schloss

Schloss ist nicht gleich Schloss. Wenn man im Internet „Schloss“ und „Berlin“ eingibt, dann erscheint eine Website, auf der vier reizende junge Menschen zu sehen sind – Laura, René, Hasan und Marie. „Dürfen wir vorstellen: Unsere Schloss-Botschafter“, steht dort, und im Folgenden wird erzählt, was das Schloss für sie ist: der Ort, an dem sie am liebsten ihre Zeit verbringen, ein Ort der Identifikation. Donnerwetter, denkt man: Hatten diejenigen, die nach 1989 dafür plädierten, den Palast der Republik abzureißen und stattdessen das Hohenzollernschloss wiederaufzubauen, doch recht – würde das Schloss nicht bloß, wie die Kritiker meinten, ein Treffpunkt für hartgesottene ältere Preußen-Fans, DDR-Hasser und chinesische Touristen werden, sondern auch, wie es etwa die Grünen-Politikerin Antje Vollmer gern ohne jede empirische Grundlage behauptete, ein Ort, an dem „sich vor allem junge Berliner treffen“ würden, die Kunst- und Musikszene der Stadt?

Niklas Maak

„Als Schloss-Botschafterin interessiert sich Laura vor allem für gutes Essen und Mode“, heißt es auf der Website; Schloss-Botschafter René, so ist dort zu lesen, ist Kampfsportler und interessiert sich im Schloss für den Media Markt. Nicht für die Kuppel, für die Passage, das Humboldt-Forum? Irgendwann merkt man dann, dass das Schloss, für das die jungen „Botschafter“ so energisch werben, bloß eine „Das Schloss“ getaufte, sehr populäre Shoppingmall im alten Westen, in der Steglitzer Schlossstraße ist und nicht das, was man auf dem Berliner Schlossplatz aufgebaut hat.

Die Online-Flatrate: F+


An wohl keinem Bauprojekt hat sich das wiedervereinigte Deutschland so erhitzt und zerstritten wie an diesem; selten wurde so lange und heftig debattiert, was im Zentrum der neuen Hauptstadt entstehen soll, selten wurden die unterschiedlichen Geschichtsbilder derer so offensichtlich, die nach 1989 über das Bild der neuen Hauptstadt zu entscheiden hatten und darüber, wie und von wem ihre Räume genutzt werden – und wofür „das neue Berlin“ überhaupt stehen sollte.

Nun hatte schon die Geschichte des Berliner Schlosses mit einem krachenden Streit begonnen: Kurfürst Friedrich II., ein Melancholiker, den man auch „Eisenzahn“ nannte und der bis 1447 mit seinem Bruder Friedrich dem Fetten regierte, hatte 1443 den Grundstein für den ersten Schlossbau legen lassen, was zu Protesten der damals 8000 Einwohner zählenden Stadt geführt hatte: Die Berlin-Cöllner fürchteten um ihre städtischen Freiheiten und sabotierten den Bau, indem sie die Baugrube nahe der Spree nachts unter Wasser setzten – eine legendäre Aktion, die als „Berliner Unwillen“ in die Geschichte einging. Das Schloss wurde trotzdem gebaut. Im frühen achtzehnten Jahrhundert verpasste ihm Andreas Schlüter ein neues, barockes Erscheinungsbild, bis 1918 war es Residenz der Hohenzollern, im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1950 von der DDR-Regierung nicht aus technischer Notwendigkeit, sondern aus ideologischen Gründen gesprengt worden: Die neuen Herrscher sahen im Schloss vor allem ein Überbleibsel des preußischen Militärstaats, dessen Erbe es sichtbar aufzulösen galt.

Das Berliner Stadtschloss im November 2008, nach dem Abriss des Palastes der Republik.


Das Berliner Stadtschloss im November 2008, nach dem Abriss des Palastes der Republik.
:


Bild: Imago

Anfang der siebziger Jahre ließen sie hier den modernistischen „Palast der Republik“ errichten. 1992 gründete der aus Pommern stammende Landmaschinenverkäufer Wilhelm von Boddien den „Förderverein Berliner Schloss“, dem er seit der Insolvenz seines Unternehmens auch als Geschäftsführer vorstand. Von Boddiens Mitstreiter empfanden den Palast der Republik als Schandfleck und wollten, wie es oft hieß, das „leere Zentrum Berlins heilen“, indem man das Schloss wiederaufbaut. Kritiker dieses Plans argumentierten, dass die Geschichte mit ihren Wendungen und Brüchen sichtbar bleiben solle. Und dass der von den DDR-Politikern verlassene, inzwischen von Künstlern, Ausstellungs- und Theatermachern eroberte und lebendig bespielte Palast der Republik das viel bessere Symbol für eine gelungene Wiedervereinigung sei als der Versuch, alle Spuren der Teilung aus dem Stadtbild zu tilgen und seinen Sieg über das feindliche System zu feiern, indem man seine Bauten verschwinden lässt, wie dieses System einst die Symbole seiner Gegner, zu denen auch das Schloss gehörte, verschwinden ließ. Bei dieser von vielen als revanchistisch empfundenen Bereinigung des Stadtbilds vom Erbe der DDR-Moderne verschwanden nicht nur Symbolbauten eines Unrechtsstaats, sondern auch Orte, an denen für viele DDR-Bürger Erinnerungen hingen.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!