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Herzstudie im Kreuzfeuer

Seit Monaten laufen Ärzte in aller Welt Sturm gegen eine spanische Studie , die sie für irreführend und potentiell gefährlich halten. Wie daraus hervorgeht, erleiden Personen mit hohem Blutdruck (Hypertonie) deutlich seltener schwere oder auch tödliche Herzkreislauf-Attacken, wenn sie alle Blutdrucksenker (Antihypertensiva) am Abend anstatt am Morgen einnehmen. Viele Hypertonie-Experten halten die im European Heart Journal erschienenen Resultate der Studie mit dem Kürzel „HYGIA“ jedoch für unglaubwürdig. Um der Flut an Kritiken zu begegnen, hat die Zeitschrift eine Untersuchung eingeleitet. Diese lieferte allerdings keine Hinweise auf fehlerhafte Analysen.

Korrekte Berechnungen sagen freilich nichts über die Solidität der diesen zugrunde liegenden Rohdaten aus. Wie die Herausgeber des Journals schreiben, haben sie dem Rektor der Universität von Vigo daher empfohlen, in naher Zukunft eine Überprüfung vorzunehmen und dar­über zu berichten. Dass ihr Rat auf offene Ohren stößt, scheint indes fraglich. Denn je nach Ausgang könnte eine solche Untersuchung dem Ruf der Universität erheblich schaden und wäre obendrein mit großem Aufwand verbunden. Schließlich waren fast 300 Allgemeinärzte mit insgesamt rund 20.000 Patienten an HYGIA beteiligt.

Die Resultate der spanischen Studie erscheinen unter anderem deshalb nahezu fantastisch, weil sie perfekter nicht sein könnten. So traten sowohl Hirnschläge als auch Herzinfarkte und Todesfälle jeglicher Art nach abendlicher Blutdruck-Therapie nur etwa halb so oft auf wie nach morgendlicher – und das unabhängig von möglichen Störeinflüssen wie dem Alter, dem Geschlecht und den Vorerkrankungen. „Für noch schlimmer halte ich, dass die Probanden im Mittel gar keine Hypertonie aufwiesen, und das, obwohl mehr als 40 Prozent nicht mit Blutdrucksenkern behandelt wurden“, sagt der Pharmakologe Björn Lemmer, Emeritus der Universität Heidelberg, auf Anfrage. Reinhold Kreutz von der Charité in Berlin, Präsident der europäischen Hypertoniegesellschaft, und weitere Hochdruck-Experten bezweifeln zudem, dass die Aufteilung der Probanden in eine morgendliche und eine abendliche Therapiegruppe nach den Regeln des Zufalls erfolgte.

Schwachpunkte der Herzstudie

Wäre dies geschehen, hätte es keine so großen Unterschiede zwischen den Kollektiven gegeben, schreiben Kreutz und seine Kollegen in der Zeitschrift Hypertension. So wurden die Patienten der morgendlichen Behandlungsgruppe vergleichsweise seltener mit Kalziumantagonisten und häufiger mit Betablockern und Diuretika – Medikamenten, die insbesondere bei Herzschwäche und nach Herzinfarkten verschrieben werden – versorgt. Da die Ärzte bei der Wahl der Blutdrucksenker freie Wahl hatten – ein weiterer Schwachpunkt der Studie –, ist denkbar, dass nicht der Zeitpunkt der Pilleneinnahme ausschlaggebend für das Behandlungsergebnis war, sondern der Gesundheitszustand der Patienten.

Ebenfalls merkwürdig: Bei allen Patienten wurde der Blutdruck einmal jährlich zwei Tage lang mit einem tragbaren Gerät erfasst. Nur bei rund drei Prozent der Probanden sollen die Messergebnisse aber unbrauchbar gewesen sein. „Schon Messungen über 24 Stunden halten viele Patienten nicht aus, weil sie das wiederholte Aufblasen der Blutdruckmanschette als unangenehm empfinden“, sagt Martin Middeke vom Hypertoniezentrum in München. Wären die Ergebnisse von HYGIA medizinisch harmlos, hätte sich der Sturm der Entrüstung vermutlich längst gelegt. Viele Ärzte befürchten aber, dass die Einnahme aller Antihypertensiva am Abend einigen Patienten schadet. Diese Gefahr besteht, wenn der nächtliche Blutdruck zu weit abfällt und die Durchblutung vorgeschädigter Organe beeinträchtigt. Hochdruckkranke, zumal solche fortgeschrittenen Alters, tragen in dem Fall ein hohes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.

„Auch die Gefahr von Augenschäden nimmt dabei zu“, sagt Middeke. „Bei Rückenlage in der Nacht erhöht sich der Druck im Augapfel und damit auch jener auf den Sehnerv. Ist die Netzhaut aufgrund eines zu niedrigen Blutdrucks im Schlaf schlecht durchblutet, kann der Sehnerv Schaden nehmen und sich ein grüner Star, eine häufige Erblindungsursache, ausbilden.“ Zu hoffen bleibt, dass die Wahrheit bald ans Licht kommt. Zwei ange­laufene Studien dürften zur Klärung der offenen Fragen maßgeblich beitragen. Dann wird sich zeigen, ob die Zweifel an der spanischen Studie berechtigt sind. Beruhigend dabei ist, dass die Selbstreinigungskräfte in der Wissenschaft Betrugsfälle meistens, wenn auch nicht immer, korrigieren können.

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