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#Mit viel Herz und auf leichtem Fuß

„Mit viel Herz und auf leichtem Fuß“

Ein später Nachhall des Beethoven-Jahres 2020: die Veröffentlichung des zweiten Teiles von Jordi Savalls Gesamteinspielung der Symphonien. Der erste Teil mit den Symphonien eins bis fünf konnte noch rechtzeitig fertiggestellt werden, dann machte Corona den Plänen des katalanischen Originalklang-Spezialisten einen Strich durch die Rechnung (im wahrsten Sinne des Wortes: wichtige Einnahmen aus den geplanten Tourneen fielen weg, das Projekt stand kurz vor dem Abbruch). Savall hatte diese Gesamteinspielung mit einem pädagogischen Projekt verbunden: An seiner Untersuchung und Bewertung der verfügbaren Quellen, sollten auch junge Musiker auf dem Sprung zur Profi-Laufbahn beteiligt werden. Sie wurden in Probespielen ausgewählt und stellten rund ein Drittel des Ensembles, dessen Kern Jordi Savalls „Concert des nations“ bildete. Mehrere Arbeitsphasen gingen den Aufnahmen und Konzerten voraus, eingespielt wurde in der Stiftskirche des Castell de Cardona, nördlich von Barcelona gelegen; im Falle der achten Symphonie wich man auf Breslau aus, dessen „Nationales Musikforum“, die 2015 neu eröffnete Philharmonie, gleichwohl eine Kirchenakustik bereitstellt.

Ludwig van Beethovens Musik in den sakralen Raum zu stellen, scheint wohl weniger Savalls Anliegen gewesen zu sein – auch wenn er sich im Sprechen über den Komponisten am Rande religiöser Bewunderung bewegen kann. Gern nimmt er aber den opulenten Klang einer Kirche mit, was man mit strengem Blick auf das Originalklanganliegen problematisch finden kann. Die mittelgroßen Säle Wiens, in denen Beethovens Symphonien zu dessen Lebzeiten zur Aufführung kamen, dürften deutlich ärmer gewesen sein an klangunterstützendem Nachhall.

Vielleicht wollte Savall aber einfach ein Zeichen setzen, dass Originalklang-Bemühungen keineswegs einer Reduktion der klanglichen Mittel gleichkommen müssen. Denn das fällt doch zuallererst auf: die klangliche Sinnlichkeit dieser Aufnahmen. Die Streicher erscheinen als ein vor Lebendigkeit vibrierender Klangkörper, dessen Oberflächenstruktur von geräuschhaften Anteilen geprägt wird – viel stärker als bei modernen Instrumenten. Ein Forte-Akkord wie zu Beginn der siebten Symphonie erhält auf diese Weise eine silbrige Rahmung, die aus dem Geräusch frei schwingender Darm-Saiten entsteht. In solch ein angeschärftes Klangbild wiederum passen sich ganz unproblematisch Holz- und Blechbläser ein, die hier nasaler und im Forte niemals hart tönen. Worauf moderne Symphonieorchester viel Arbeit und Bewusstsein verwenden müssen, nämlich auf die Balance und Mischfähigkeit der Instrumente, das stellt sich mehr oder weniger von allein ein.

Und Savall ist sich dieser klanglichen Komponenten sehr bewusst. Im Zweifel scheint er ihnen sogar den Vorzug zu geben vor dem Anspruch auf unbedingt klare Artikulation. Am Beginn der „Pastorale“ etwa lässt Savall die ersten Geigen so weich spielen, dass das Muster von zwei durch Legato verbundenen Achteln und einer mit Staccatopunkt versehenen Achtelnote kaum erkennbar ist. Das Legato der kommenden Takte ist schon mitgedacht, die „angenehmen“ Empfindungen, „welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen“, scheinen ihm wichtiger als die „heiteren“ (oder die strengen des bloßen Musikwissenschaftlers). Dass sich Savall in seinem Klangbewusstsein durchaus in der Nähe einer romantischen Aufführungstradition bewegt (Wilhelm Furtwänglers Aufnahmen gehören für den Dirigenten zu den frühesten Höreindrücken), überrascht, ist wohl aber auch ein Ausweis dafür, wie sehr der Katalane hier mit dem Herzen bei der Sache ist. Allein bei den langsamen Sätzen bleibt er den Bräuchen der Originalklangszene ganz treu, schnell bis unruhig nimmt er sie, verweisend auf die Metronomangaben des Komponisten.

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