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#Möglichst unauffällig

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Möglichst unauffällig

Die erste Frage ist programmatisch. „Liegen bleiben oder aufstehen?“, wird Olaf Scholz von Brigitte Huber, der Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Brigitte, gefragt. Und da kann Scholz, der etwas abgeschlagene Kanzlerkandidat der SPD, natürlich nichts anderes sagen als „Aufstehen“, auch wenn er dann sehr ausführlich erläutert, dass er eigentlich lieber liegen bleibt. Morgens im Bett, versteht sich. Scholz ist der dritte Kanzlerkandidat, der bei „Brigitte Live“ zu Gast ist, einem Format, das „den Menschen hinter dem Wahlprogramm“ zeigen möchte. Bevor Scholz, Huber und ihre Kollegin Meike Dinklage die Bühne des „Astor Filmpalastes“ auf dem Berliner Kurfürstendamm betreten, sieht man auf der Leinwand einen Ausschnitt früherer Interviews mit Angela Merkel. „Sind Sie eitel?“, lautet die Frage an die Kanzlerin, die gewohnt nüchtern sagt, sie fühle sich wohler, seit nicht mehr über ihre Haare gelästert werde. Das ist also der Kontext. Scholz hat sich, das merkt man, gut vorbereitet. (Es wird dann, später, auch um seine Haare gehen, die er, wie er sagt, viel früher hätte abrasieren sollen.)

Anna Vollmer

Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

In gewisser Weise passt es, dass der Kanzlerkandidat der SPD ein paar Wochen nach seinen Mitbewerbern hier auftritt, über die gerade so viel geredet wird, über ihn dagegen kaum. Immerhin nicht negativ, könnte man Scholz zugutehalten. Auffällig im Unauffälligsein, Glänzen durch die Fehler der anderen. Zu Scholz’ Auftritt an diesem Abend gehört, diese Fehler nicht auszuschlachten, nur sehr selten schlecht über seine Mitbewerber zu reden. Nur einmal, als es um die Klimapolitik geht, wird Scholz sehr deutlich: Da stehe Laschet, stehe die Union „auf der falschen Seite“. Das war es dann aber auch schon. Wenn Kritik, dann subtil: Lange und ausführlich über diverse Ämter und seine Berufserfahrung als Anwalt reden, was ihn das alles gelehrt habe. Und dabei stumm darauf hindeuten, was er seiner Mitbewerberin voraushat.

Die Ruhe selbst

In einem Kommentar zu dem Brigitte-Auftritt der Grünen-Kandidatin vor einigen Wochen hieß es, Baerbock fehle das Teflon. Ob das nun ein Defizit ist, sei dahingestellt, Olaf Scholz zumindest fehlt es nicht. Man glaubt ihm tatsächlich, dass er, wie er sagt, „in sich ruht“, während er da vollkommen entspannt sitzt, abwechselnd zu seinen Interviewerinnen und in den leeren, dunklen Saal schaut, in dem sich ein paar vereinzelte Journalisten Notizen machen. Scholz weiß, an welchen Stellen man privat sein kann, ohne dass es verfänglich wird, wann man das Private ins Politische wenden und das wirklich Politische erfolgreich abbügeln sollte. Zwischen „Körper oder Seele“ wählt er Ersteres („Damit wir viel Spaß haben“), um dann von seiner Verwandlung vom unsportlichen Jugendlichen zum sportlichen Kanzlerkandidaten zu berichten. Joggen gehe er gern, aber nicht, um Probleme zu wälzen, und auch ohne Messgeräte – kein neoliberaler Erfolgsjunkie also, ein Sozialdemokrat joggt um des Joggens willen. Oder, um auf seine erste, philosophische Antwort auf die Frage zurückzukommen: für die Einheit von Körper und Geist.

Auf seine frühen, etwas linkeren Jahre angesprochen („Was würde Ihr zwanzigjähriges Ich heute von Ihnen denken?“), entgegnet er ein trockenes „Tja“ – um danach zu erläutern, dass der Vorteil wechselnder Meinungen in unterschiedlichen Lebensphasen doch sei, toleranter gegenüber den Meinungen anderer zu werden. Was ja, gerade in diesen Tagen, ein Satz ist, auf den sich die meisten dann doch einigen können. Auch zum Thema des Tages, dem Cum-ex-Urteil, das ihn selbst nicht unerheblich betrifft, hat er, auf die zugegebenermaßen absolut unkritischen Fragen, ein paar vollkommen konsensfähige Sätze parat. Es sei ein „großartiger Tag“, er habe „ein reines Gewissen“.

Wie souverän Scholz diese Mischung aus Routine (der obligatorisch sozialdemokratische Verweis auf „die fleißige Selbständige, den kleinen Handwerker“) und spontaner Reaktion auf die ihm gestellten Fragen hinbekommt, merkt man dann besonders an einer Situation. Hatte Annalena Baerbock die unangemessen geschlechtsspezifische Frage, was sie an ihrem Körper ändern würde, noch brav beantwortet (sie wäre gerne größer), lässt Scholz sich auf Klischees dieser Art nicht ein. Und sagt, als Meike Dinklage fragt, ob denn seine Frau, sollte er Bundeskanzler werden, weiterarbeiten werde, schlicht: „Meine Frau ist eine erfolgreiche Politikerin und jetzt in einem zweiten Bundesland Ministerin.“ Dinklage, die beim Sprechen zwar gendert, sich der Absurdität dieser Frage aber immer noch nicht bewusst zu sein scheint, ist das nicht genug, sie fragt noch einmal: „Heißt? Weiterarbeiten?“ Worauf Scholz dann sagen kann, dass ihn diese Frage „empört“, weil sie einer Frau selbstverständlich niemals gestellt werden würde. Dinklage fühlt sich nun sichtlich ertappt, lacht nervös und kommt am Ende des Interviews noch einmal darauf zurück: Das sei „die dusseligste Frage“ gewesen, die sie seit Monaten gestellt habe, und es sei toll, wie Scholz darauf reagiert habe. So einfach kann es manchmal sein, Punkte zu machen.

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