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#Molotowcocktails gegen das Miteinander

Molotowcocktails gegen das Miteinander

Alles ist schwarz vom Ruß. Sonntagmorgen vor zwei Wochen, Moni Yosef steht an der Eingangstür zu seinem Büro im Theaterzentrum von Akko und schaut zu Boden. Arabische Jugendliche haben in der Nacht Brandbomben durch die Fenster geworfen. „Wir hatten Glück, nicht alle Molotowcocktails sind explodiert“, sagt der Direktor des Theaterzentrums und zeigt auf eine Flasche vor seinen Füßen in der Asche.

Hinter Israel liegen die schwersten Unruhen seit 20 Jahren. Während der Konflikt mit Gaza eskalierte, erschütterte die Gewalt zwischen radikalen jüdischen und arabischen Israelis das Innere des Landes. Mobs zogen überall in Israel durch Straßen. In der Altstadt von Akko, einer 5000 Jahre alten Hafenstadt im Norden, stieg über Tage schwarzer Rauch in den blauen Himmel auf. Hotels, Restaurants, Ferienwohnungen, die Täter griffen gezielt Eigentum jüdischer Israelis an. Im Akko Theaterzentrum arbeiten seit knapp 40 Jahren jüdische und arabische Israelis zusammen. Das Projekt ist das Symbol der friedlichen Koexistenz der Stadt. Deshalb hat es hier gebrannt.

Seine Handflächen sind schwarz vom Ruß

Feuer hat eine fiese Eigenschaft, bereits ein kleiner Brand genügt, um große Zerstörung anzurichten. Eine Woche nach dem Angriff. In den Gewölben des Theaters hängt der Geruch von geschmolzenem Plastik, ein giftiger Gestank. Wo normalerweise die Besucher nach den Aufführungen zusammenkommen, sitzt nun Yosef, sucht nach Erklärungen. „Wir haben uns hier immer gut verstanden“, sagt der zurückhaltende Mann mit schmalen Schultern. „Vielleicht gab es auch Spannungen, und ich habe sie ignoriert.“

Die dicken Mauern von Akko verhindern den freien Blick auf das Innere der Stadt. Wer sich in diesen Tagen aber umhört, trifft auf Anwohner, die die gestiegene Bandenkriminalität beklagen, und erzählen, dass die Polizei dem Problem nicht beikommt. Als während der Unruhen die ersten Häuser brannten, dauerte es, bis Polizisten in Akko auftauchten. „Die haben sich nicht in die Altstadt getraut“, sagt Yosef, windet sich. Nach dem Pandemiejahr braucht das Haus dringend Einnahmen, eben erst wurden neue Stücke einstudiert. Aber seit der Eskalation kommen keine jüdischen Israelis mehr nach Akko. Die Angst bedroht die Zukunft des Theaterzentrums. Entsprechend schwer fällt es Yosef, über die nun sichtbar gewordenen Abgründe von Akko zu sprechen.

„Man muss das wirklich betonen, wir leben hier seit Generationen friedlich zusammen, wir sind international bekannt für unsere Arbeit“, sagt Yosef. Sein Kollege, der Regisseur Kahled Abu Ali, setzt sich zu ihm, lächelt mit den Augen. Ali hat die alten Gewölbe damals restauriert, er stammt aus Akko. Er spricht nur wenig Englisch, aber begreift den Ernst dieses Gesprächs. „Wir sind hier eine Familie, wir sind so“, sagt er, presst beide Hände gegen­einander. Ali muss eben im Büro die Brandreste aufgeräumt haben, seine Handflächen sind schwarz vom Ruß.

„Wir werden weitermachen, bis es wieder kracht“

Während in Akko die Asche zusammengefegt wird, verhärten sich in anderen Orten Israels die Fronten. In Jaffa haben sich arabische Einwohner zu einem Komitee zur „Verteidigung Jaffas“ zusammengeschlossen. Sie wollen gegen den Zuzug jüdischer Bewohner kämpfen. Was in Akko die Kriminalität ist, das sind in Jaffa die Probleme durch Gentrifizierung. Die Aktivisten dort sagen, die jüngsten Unruhen seien der Anfang der Revolution. Sie meinen damit: Der Ausbruch der Gewalt markiert das Ende eines Glaubenssatzes. Die friedliche Koexistenz, das gelebte Miteinander, das war ein schöner Postkartengedanke. Mit der Wirklichkeit, vor allem der der arabischen Minderheit, hatte er nie viel zu tun.

„Jetzt redet doch endlich offen, wir müssen aufhören, die Probleme unter den Teppich zu kehren“, ruft ein Mann zu Yosef und Ali, tritt an den Tisch, unterbricht das Gespräch. Moti Tamam arbeitet als Schauspieler im Theater. „Die Leute wollen das nicht anfassen, schon gar nicht Israels Linke“, sagt Tamam, seine Stirn glänzt vor Aufregung. Er sei nicht überrascht von der Gewalt. „Wir haben uns alle etwas vorgemacht und gedacht, mit ein paar Theaterprojekten könnten wir hier Frieden schaffen. Aber das ist Quatsch, alles was wir hier geschaffen haben, ist mehr Hass.“ Im ersten Moment wirkt die Ehrlichkeit des Schauspielers erhellend, bei genauer Betrachtung aber offenbaren die Worte die ganze Dramatik der Situation. Seit vier Jahrzehnten arbeiten sie im Theaterzentrum zusammen. Auch wenn sie hier drinnen eins geworden sind. Draußen trennen tiefe Gräben die Welt der jüdischen und arabischen Israelis. Moni Yosef sagt, so sei das halt. Der Frust sei chronisch, alle paar Jahre explodiere er, jedes Mal gehe mehr kaputt.

„Wir werden weitermachen, bis es wieder kracht“, sagt Yosef, dann muss er los. Khaled Abu Ali lächelt zum Abschied, erzählt, dass er mal einen Film mit einem deutschen Regisseur gedreht habe. Seine Worte sind kaum zu verstehen. Im Hintergrund streitet Schauspieler Moti Tamam mit einem arabischen Kollegen über die Gewalt. Der eine spricht Arabisch, der andere spricht Hebräisch. Sie verstehen sich.

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