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#Muskelkrebszellen in Muskelzellen umgewandelt

Das aus entarteten Muskelvorläuferzellen entstehende Rhabdomyosarkom ist der häufigste Weichteil-Krebs bei Kindern und manchmal schwer zu behandeln. Jetzt ist es einem Forschungsteam erstmals gelungen, entartete Zellen dieses Tumors in normale Muskelzellen umzuwandeln. Möglich wurde dies durch die Identifizierung eines Proteins, das eine entscheidende Rolle für die Aktivierung eines Krebsgens in den unreifen Muskelvorläuferzellen spielt. Als die Forschenden dieses NF-Y-Protein in den Krebszellkulturen ausschalteten, wandelten sich die Krebszellen in normale Muskelzellen um und verloren alle Merkmale einer entarteten Zelle, wie das Team feststellte. Ihrer Ansicht nach könnte dies einen neuen Ansatz zur Bekämpfung dieser und möglicherweise auch anderer Sarkome eröffnen.

Das Rhabdomyosarkom (RMS) ist eine aggressive Krebsform, die vor allem im Kindesalter auftritt. Etwa fünf Prozent aller Krebserkrankungen bei Kindern gehen auf diese Unterart der Weichteiltumore zurück. Ausgangspunkt dieser Krebsart sind Myoblasten, embryonale Vorläuferzellen der Muskelfasern. Diese spindelförmigen Mesenchymzellen bilden im Laufe ihrer Reifung die für die Muskelkontraktion wichtigen Aktin- und Myosinfasern, außerdem verschmelzen mehrere dieser Zellen miteinander, um die meist vielkernigen Skelettmuskelfaserzellen zu bilden. Beim Rhabdomyosarkom stoppt diese Ausreifung zur Muskelzelle jedoch, stattdessen entarten die unreifen Myoblasten und vermehren sich aggressiv. Einer der häufigsten Auslöser für diese Entartung ist eine fehlerhafte Verschmelzung zweier normalerweise auf den Chromosomen getrennter Krebsgene. Diese Fusion erzeugt das Onkoprotein PAX3-FOXO1, das die normale Differenzierung der Muskelvorläuferzellen stoppt und sie stattdessen in Rhabdomyosarkom-Zellen umwandelt.

Genblockade macht Krebs- zu Muskelzellen

Wie das Onkoprotein PAX3-FOXO1 dies bewerkstelligt und welche Gene noch an seiner massenhaften Produktion und der Entartung der Myoblasten beteiligt sind, ist bisher jedoch erst in Teilen geklärt. Deshalb haben nun Martyna Sroka vom Cold Spring Harbor Laboratory in New York und ihre Kollegen nach Genen gesucht, deren Blockade die Entartung der Rhabdomyosarkom-Zellen stört oder sogar rückgängig macht. Dafür nutzten sie eine modifizierte Version der Genschere CRISPR/Cas9, um verschiedenen Gene in diesen Zellen stillzulegen. Anschließend ermittelten sie mithilfe einer Immunofluoreszenzmarkierung und der Analyse der Zellform, ob dies bei den Krebszellen Wirkung zeigte. Während die Rhabdomyosarkom-Zellen wie für die unreifen Vorläuferzellen typisch eine rundliche, eher kompakte Form haben, sind gesunde, ausreifende Muskelzellen langgestreckt und spindelförmig.

Diese Fahndung ergab einen Treffer: Neben dem Genkomplex für das Onkoprotein PAX3-FOXO1 zeigte auch die Blockade der drei Genteile eines weiteren Proteins Wirkung: Verhinderten die Forschenden die Bildung dieses NF-Y genannten Proteins, entwickelten sich in der Zellkultur statt der rundlichen Krebszellen spindelförmige Zellen, die Aktin, Myosin und weitere muskeltypische Komponenten ausbildeten. „Diese Zellen wandelten sich in Muskelzellen um und verloren alle krebstypischen Attribute“, berichtet Seniorautor Christopher Vakoc vom Cold Spring Harbor Laboratory. „Die Krebszellen verwandeln sich von einer Zelle, die sich nur vermehren will, in eine auf Kontraktion hin ausgerichtete Zelle. Weil nun all ihre Energie und Ressourcen diesem neuen Ziel gewidmet sind, kann sie nicht mehr in ihren früheren entarteten Zustand zurückkehren.“ Diese fast vollständige Rück-Umwandlung der entarteten Krebszellen in relativ normale, ausdifferenzierte Muskelzellen war selbst für die Forschenden überraschend, wie sie schreiben.

Relevant auch für andere Sarkome

Nähere Analysen ergaben, dass das Ausschalten von NF-Y eine biochemische Kettenreaktion in Gang setzt, in deren Folge auch die Aktivität des Genkomplexes für das Onkoprotein PAX3-FOXO1 drastisch heruntergeregelt wird. „Dies stützt die Hypothese, dass NF-Y die Differenzierung der Rhabdomyosarkom-Zellen reguliert, indem es die Transkription des PAX3-FOXO1-Genkomplexes fördert“, erklärt das Team. Damit könnte die Entdeckung dieses Kontrollfaktors Bedeutung über das Rhabdomyosarkom hinaus haben: „Eine beeinträchtigte Differenzierung von Mesenchymzellen ist ein Schlüsselmerkmal vieler Weichteil-Sarkome“, erklären Sroka und ihre Kollegen. Daher könnte die von ihnen entwickelte Screening-Methode dazu beitragen, auch bei anderen Krebstypen solche Regulator-Gene ausfindig zu machen. Daraus ergeben sich dann auch neue Ansatzstellen für eine Therapie, die diese Differenzierungsblockade aufhebt und damit Krebszellen wieder zu gesunden, ausgereiften Zellen macht.

„Diese Technologie erlaubt es, jede Krebsart zu nehmen und nach den Hebeln zu suchen, durch die man sie zum korrekten Ausreifen bringen kann“, sagt Vakoc. „Das könnte ein wichtiger Schritt zu einer breiteren Anwendung solcher Differenzierungstherapien sein.“ In einer früheren Studie war es Vakoc und seinem Team bereits gelungen, auch Zellen des Ewing-Sarkoms, einem vor allem bei Kindern häufigen, aggressiven Knochentumor, wieder in gesunde Zellen zurückzuverwandeln. Das Team hofft, durch seine Forschungen Wirkstoffe zu finden, die die neu identifizierten Gene ausschalten und so den Krebs bekämpfen. Dies wird allerdings noch dadurch erschwert, dass beispielsweise das NF-Y-Protein auch von gesunden Zellen benötigt wird – wenngleich die entarteten Rhabdomyosarkom-Zellen deutlich sensibler auf eine Blockade reagieren. „Das könnte uns eine Chance eröffnen, durch vorübergehende Blockade von NF-Y die Sarkomzellen zur Differenzierung zu bringen, während gesunde Gewebe nur minimal betroffen sind“, erklären die Forschenden. Weitere Forschung zu diesem Ansatz sei daher lohnend und sinnvoll.

Quelle: Martyna Sroka (Cold Spring Harbor Laboratory, New York) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2303859120

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