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#Muss er in die Hölle?

Muss er in die Hölle?

Wer dachte, der „Tatort“ aus Münster wäre schon halbtot oder seit dem Ableben von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) am Ende, kann nun seiner Auferstehung beiwohnen. Dabei sieht es zu Beginn nicht gut aus, regelrecht fatal: Ein von den typischen Boerne-Thiel-Alberich-Nickligkeiten gewürztes Abendessen auswärts, begleitet von Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), endet mit dem Abschied des Gerichtsmediziners – womöglich einem für immer.

Auf der Fahrt in die holländische Klausur, wo Professor Boerne (Jan Josef Liefers) ein Standardwerk über den Tod im Allgemeinen und im Besonderen verfassen will, überschlägt sich der Wagen des Rechtsmediziners. Prompt reicht ein dunkel gekleideter Herr, der Kommissar Thiel (Axel Prahl in einer Doppelrolle) zum Verwechseln ähnlich sieht, der schwerverletzten Koryphäe die Hand – entführt sie in den titelgebenden „Limbus“.

Bei demselben handelt es sich, wie Besserwisser Boerne für mit Spitzfindigkeiten christlicher Theologie weniger vertraute Zuschauer extemporiert, um einen jenseitigen Ort zwischen Verdammnis und Erlösung. Bei der Münsteraner Version der Vorhölle indes, mit deren Betreten der Schmunzel-„Tatort“ in seiner siebenunddreißigsten Ausgabe genussvoll jegliche Glaubwürdigkeit zum Teufel schickt (Buch Magnus Vattrodt), handelt es sich um ein finsteres Bürokratenverlies, in dem ein satanisch freundlicher Sachbearbeiter (ebenjener Thiel-Doppelgänger) die arme Seele auf der anderen Seite des Schreibtischs zu Fastnachtsmusik Formulare ausfüllen und Leberwurstbrote essen lässt, bis ihr „Fall“ von der Leitung entschieden wurde. Das kann schon mal eine halbe Ewigkeit dauern. Ob es anschließend hinab in Etage U 229 geht oder hinauf in Abteilung Römisch Eins, aus der Nadeshda Krusenstern einen Kurzbesuch abstattet, ist so lange ungewiss.

Das alles für sich ist eine harmlos alberne Posse, der man mit viel gutem Willen die Erbschaft mittelalterlicher Mysterienspiele andichten könnte. Aber aus ihr lassen sich doch kriminologische und komödiantische Funken schlagen, die am Ende sogar das Herz wärmen. Während Boernes Körper im Koma liegt und sein Geist mit der Beamtenversion von Thanatos oder dem Leibhaftigen Schnick-Schnack-Schnuck um noch ein wenig Auslauf an der frischen Luft der Lebenden spielt, hat ein höchst dubioser Doktor Jakoby (Hans Löw) den Chefposten an der Seite einer todtraurigen Silke Haller (Christine Urspruch) in der Gerichtsmedizin eingenommen. Ein Hochstapler ist Jacoby gewiss. Ist er auch ein mörderischer Arztdarsteller, der mit Curare operiert?

Dass Boerne als immaterieller Besucher im Diesseits allen Normalsterblichen wieder einmal haushoch an Wissen überlegen ist, aber machtlos zusehen muss, wie sich die Kollegen von dem Schwindler einwickeln lassen, ist der Witz des Ganzen. Ganz auf die Publikumsränge verwiesen bleibt der Professor indes nicht. Merke: Sobald Lampen flackern oder Werbemails das Postfach fluten, sollten nicht nur Spiritisten mit Übersinnlichem rechnen. Auf der physischen Seite der Ermittlungen treibt der Dilettantismus der (natürlich regelwidrigen) Ermittlungen im Fall des fragwürdigen Unfalls Blüten und soll es wohl auch, tut doch der Dilettant bekanntlich etwas rein um des eigenen und fremden Vergnügens willen.

Rührend wiederum wirkt, wie Boerne – in einem Fall sogar überaus herzlich – vermisst und sein Tod gefürchtet wird, obwohl niemand Positives über ihn zu berichten weiß. Das bietet in diesem spielfreudig vom Ensemble dargebotenen und mit leichter Hand von Max Zähle in Kammerspielszenen inszenierten „Tatort“ vielerlei Anlässe für individuelle Läuterung und allgemeine Katharsis der watteweichen Art. Genau das also, was man für anderthalb Stunden erbaulicher Weltflucht braucht.

Der Tatort: Limbus läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

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