#Nachruf auf Franz Beckenbauer: Der Kaiser hat zwei Körper
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Die journalistischen Jahrzehnte mit ihm und die Erinnerung daran sind ein Geschenk des Himmels. Das „Sommermärchen zerstört“? Unsinn! Eine persönliche Erinnerung an Franz Beckenbauer.
Es ist der 19. Mai 2022 vormittags in Sevilla. Eintracht Frankfurt hat am Vorabend das Finale der Europa League gewonnen. Kein Netz in der überfüllten Abflughalle, um den Bericht zu übermitteln. Ein Agentur-Fotograf hilft mittels seines Spezial-iPhones. Mitten im Übertragungsstress klingelt mein Handy. Anrufer: Franz B. „Servus Hartmut, Gratulation zum Europapokalsieg.“ – „Aber ich habe doch nicht gespielt. Franz, ich bin gerade mitten im Übertragungsstress. Ich rufe zurück.“ – „Ich rufe an, weil ich weiß, wie du an der Eintracht hängst. Ich wusste nicht, dass die Frankfurter so gut Fußball spielen können. Servus.“
„Lieber Gruß auch von Franz an Dich“
Unsere Freundschaft hatte sich im letzten Jahrzehnt vertieft. Wir hielten Kontakt über gelegentliche Telefonate hinaus. Franz kam zu meiner Buchpräsentation im Corona-Herbst 2020 nach Frankfurt. Ich habe ihn im Juni 2022 in seinem Haus in Salzburg besucht. Zum Jubiläum „33 Jahre WM ’90“ am ersten Juli-Wochenende 2023 im Chiemgau wurde ich als einer von zwei Journalisten eingeladen. Die gesundheitlich angeschlagene Ikone kam leider nicht. Heidi Beckenbauer entschuldigte ihren Mann vor den nahezu vollzählig angereisten 90er Weltmeistern mit der extremen Hitze. Jeder bedauerte zutiefst das Fehlen des geliebten und verehrten Teamchefs, „ohne den wir nicht Weltmeister geworden wären“ (Lothar Matthäus). Die Antwort auf den App-Dank nach dem dennoch fröhlichen Wiedersehensfest: „. . . Lieber Gruß auch von Franz an Dich. Heidi.“
Franz Beckenbauer beim Spiel des FC Bayern München gegen den 1. FC Kaiserslautern am 1. Spieltag der Bundesliga am 17. August 1968.
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Bild: WEREK Pressebildagentur
Mit dieser Hommage aus ganz persönlicher Perspektive gebe ich bewusst die journalistische Distanz auf. Ich bin der Ansicht, dass ich mir das bei zwei derart außergewöhnlichen Persönlichkeiten gestatten darf, die mir in den über sechzig Jahren meiner journalistischen Laufbahn bis zu ihrem Tod immer wieder begegnet sind: Beckenbauer und Ali.
Es bleibt ein Trost. In seinem Buch „The King’s Two Bodies“ schreibt der Historiker Ernst Kantorowicz: „Der König . . .“ – also auch der Kaiser – „. . . hat zwei Körper. Einen sterblichen und einen unsterblichen. Der eine vergeht mit seiner irdischen Existenz, der andere ist ewig.“ Erinnerungen an all unsere Begegnungen werden bleiben. Denn „die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“ (Jean Paul).
In meinem Büro hängt ein spektakuläres Plakat: „Franz Beckenbauer’s Farewell Game. COSMOS with special guest player Pelé vs. NASL select team. Wednesday, September 24, 9:00 P.M. Giants Stadium – The Meadowlands“. Es fehlt die Jahresangabe 1980. Das Poster hält die ganze Eleganz des Weltstars im weißen Outfit mit der Nummer sechs in zwei Vierer-Bildstafetten fest: einmal von vorn die geschmeidige Ballführung, einmal von der Seite die perfekte Schusstechnik. Die Widmung darauf Jahre später: „Meinem lieben Freund Hartmut in alter Verbundenheit.“ Signatur. 23.10.93.
„Was machst du denn hier?“
Mit meinem deutschen Presseausweis hatte ich es geschafft, im Stadion bis zu Franz Beckenbauer im Massageraum durchzukommen. Er lag vor dem Spiel auf einer Pritsche und wurde gepflegt. Bass erstaunt fragte er: „Ja, was machst du denn hier?“ Ich würde lügen, nur wegen seines Abschiedsspiels nach New York geflogen zu sein. Eine Woche später versuchte Muhammad Ali in Las Vegas gegen Larry Holmes ein Comeback.
Den Kaiser und den Größten, die beiden Ikonen meines Journalistenlebens, innerhalb einer Woche noch einmal auf dem Platz beziehungsweise im Ring zu erleben war wahrhaftig eine Amerikareise wert. Beide spürten das nahende Ende ihrer ruhmreichen Karriere. Alis Rückkehr mit 38 Jahren scheiterte. Beckenbauer hingegen wurde nach vier Titeln mit dem FC Bayern bei seinem Comeback in der Bundesliga mit dem Hamburger SV im Alter von 36 Jahren 1982 noch einmal deutscher Meister.
Franz Beckenbauer bei der Siegerehrung nach dem WM-Finale zwischen Deutschland und den Niederlanden (2:1) am 7. Juli 1974 vor 75.300 Zuschauern im Münchner Olympiastadion.
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Bild: Picture Alliance
Einmal eingefangen von seiner Aura, zählte ich mich im weitesten Sinn zum Gefolge des Fußballkaisers. Über fünfzig Jahre lang, seit seinem Debüt in der Nationalmannschaft am 26. September 1965 im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden (2:1) in Stockholm. Das erste brillante Länderspiel, dem 102 weitere folgen sollten. Sein auf der Welt einzigartiges Triple, Weltmeister als Spieler, Weltmeister als Teamchef, Organisationschef einer Weltmeisterschaft – alles miterlebt.
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