#Macron steht schon vor dem nächsten Kraftakt
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„Macron steht schon vor dem nächsten Kraftakt“
Laurent Bergers Standpunkt ist klar: Die Rente mit 64 oder 65 Jahren werde es mit ihm nicht geben. „Das einzige Rentenprojekt, das heute auf dem Tisch liegt, ist die Heraufsetzung des gesetzlichen Eintrittsalters. Wir bekämpfen es entschieden“, sagte Berger, ehe er am Freitag als Chef der größten französischen Gewerkschaft CFDT von knapp 97 Prozent der Mitglieder im Amt bestätigt wurde.
Die Positionierung der CFDT gibt einen Vorgeschmack darauf, welcher Gegenwind Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner zweiten Amtszeit entgegenbläst, selbst wenn er eine Mehrheit im Parlament bilden kann. Zwar kämpfen die Arbeitnehmerverbände wie in Deutschland seit Jahren gegen den Bedeutungsverlust: Das Geld in der Streikkasse sitzt nicht mehr so locker wie früher, es gibt weniger Arbeitsniederlegungen, und nur noch jeder zehnte Beschäftigte ist Gewerkschaftsmitglied.
Doch schon in Macrons erster Amtszeit hatten CFDT & Co. gezeigt, wozu sie immer noch fähig sind: Hunderttausende Franzosen gingen vor zweieinhalb Jahren auf die Straße, um gegen die geplante und von den Gewerkschaften heftig bekämpfte Rentenreform zu demonstrieren. Der Protest zeigte Wirkung, das Projekt landete in der Schublade. Jetzt droht eine Neuauflage des Konflikts: Macron hat die Rentenreform zur Priorität erklärt und will das Eintrittsalter schrittweise von 62 auf 65 Jahre erhöhen.
Die Lebenserwartung steigt
Streit ist programmiert. So zeigte sich die CFDT zwar bislang bereit, anzuerkennen, dass „die steigende Lebenserwartung eine Erhöhung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters rechtfertigen kann“. Auf der Jahrestagung vorige Woche stimmten jedoch zwei Drittel der Mitglieder für den Antrag, diesen Passus aus dem Programm zu streichen.
Das Votum wiegt schwer, denn die CFDT gilt noch als gemäßigt. Die radikalere zweitgrößte französische Gewerkschaft CGT lehnt ein längeres Arbeiten ohnehin ab. Ihr Chef Philippe Martinez gab sich in den vergangenen Wochen wiederholt kampfeslustig. „Die Gewerkschaftsfront existiert, alle Gewerkschaften sind gegen die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters“, sagte der Mann mit dem charakteristischen Schnauzbart.
Längst hat Macron den „sozialen Dialog“ zur Chefsache erklärt. Kürzlich lud er die Gewerkschaftschefs in den Élysée-Palast, um über die großen Fragen der Zeit zu sprechen. Zudem kündigte er an, in einem neuen „Nationalrat der Neugründung“ das Gespräch mit verschiedenen gesellschaftlichen „Kräften“ nach den Parlamentswahlen in größerer Runde zu suchen.
Doch die Gegensätze zwischen den „Kräften“ des Landes bleiben unübersehbar. Kompromisse in der Steuerpolitik – die Wirtschaft dringt auf weitere Entlastungen – könnten schwierig werden. Am größten aber ist Konfliktpotential in der Rentenpolitik. „Alle Länder in Europa arbeiten länger als wir“, sagte Arbeitgeberchef Geoffroy Roux de Bézieux. Das französische Rentensystem, dessen jährliche Kosten mit rund 13,5 Prozent der Wirtschaftsleistung den OECD-Durchschnitt deutlich übertreffen, sei zu großzügig. Den Reformbedarf bestätigt die Prognose eines staatlichen Expertenrats, wonach der größtenteils beitragsfinanzierten Rentenkasse ohne späteren Renteneintritt ein jährliches Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe drohe. Aus Sicht der Gewerkschaften sind die Defizite jedoch nur vorübergehend. Sie verschwänden mit dem demographischen Ungleichgewicht, das durch die Babyboomer entstanden ist.
Die Fronten sind verhärtet. „Wir bleiben behutsam“, sagte CGT-Generalsekretär Boris Plazzi der F.A.Z. mit Blick auf den geplanten „Nationalrat“. Macron habe im Wahlkampf bislang viel versprochen, wirke dabei aber opportunistisch. Anders als eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, die von einer guten Zusammenarbeit nicht zuletzt in der Corona-Pandemie spricht, hat sich aus Sicht des CGT-Generalsekretärs der Dialog zwischen Regierung und Gewerkschaften in den vergangenen Jahren immer weiter verschlechtert. Zuletzt war es indes sein Chef Martinez, der als einziger Gewerkschaftschef die Einladung in den Élysée-Palast ausgeschlagen und spöttisch von einem „Wahlkampf-Mittagessen“ gesprochen hatte.
Wie viel Dialog möglich ist, werden schon die kommenden Wochen zeigen. Macron will mit der Arbeit an der Rentenreform nach der Zusammenkunft im „Nationalrat“ beginnen. In Kraft treten soll sie dann „ab dem Sommer 2023“. Als Kompromissangebot gilt, das Eintrittsalter statt auf 65 „nur“ auf 64 Jahre zu erhöhen. Doch CFDT-Chef Berger machte jüngst deutlich, die Rentenreform so oder so nicht für die „Dringlichkeit der Stunde“ zu halten.
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