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#Neue Kunstmesse in Japan: Tokyo Gendai

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Los geht es mit einer Carrera-Bahn. Wer die an der Bucht von Tokio gelegene Messehalle Pacifico betritt, bleibt zwangsläufig an der Installation aus klobigen, mit kräftigen Farben bemalten Holzskulpturen, einer Zigarette rauchenden Krabbe und Herrenmagazinen stehen, die der japanische Künstler Ryuichi Ohira um die Rennbahn für Kinder herum arrangiert hat. Rechter Hand zieht eine mannshohe Glaskon­struktion die Blicke auf sich, in der frische Äpfel, Orangen und Weintrauben gequetscht sind – „Still Life“ von dem in Berlin lebenden Reijiro Wada. Schräg gegenüber zeigt die Pariser Galeristin Almine Rech „Black Bra and Green Shoes“ von Tom Wesselmann.

Tim Kanning

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.

Tokyo Gendai heißt die jüngste Kunstmesse des internationalen Londoner Veranstalters Art Assembly. Sie ist ein Experiment. Was geht in Japan? Wie lässt sich dieses Land, das eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt ist, aber im internationalen Kunstgeschäft so gut wie keine Rolle spielt, doch noch als Markt erschließen? Das wollen die 77 Galerien aus Asien, Europa und den Vereinigten Staaten an diesem Wochenende herausfinden.

Irgendwie abgefahren: Installation von Ryuichi Ohira am Eingang der Messe Tokyo Gendai


Irgendwie abgefahren: Installation von Ryuichi Ohira am Eingang der Messe Tokyo Gendai
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Bild: Tokyo Gendai

Art Assembly hat in den vergangenen Jahren Kunstmessen in Hongkong, Singapur und anderen asiatischen Metropolen aufgebaut. Doch Tokyo Gendai – das Wort heißt „zeitgenössisch“ – ist nach ihren Angaben die erste internationale Kunstmesse in dem Land seit 30 Jahren. Vor allem die Tatsache, dass Japan traditionell schon bei der Einfuhr von Kunstwerken ins Land eine Steuer verlangt habe, habe viele internationale Galeristen stets abgeschreckt. Erst 2020 habe die japanische Regierung diese Regeln geändert. Tokyo Gendai sei nun die erste große Veranstaltung, bei der Galeristen Kunst steuerfrei einführen konnten.

Japan und der Rest der Welt

„Wir wollen helfen, die japanische Kunstszene mit dem Rest der Welt zu verbinden“, sagt Magnus Enfrew, einer der Gründer von Art Assembly. Tokyo Gendai richte sich an japanische Sammler, auch die Superreichen im Land, die bislang nicht in zeitgenössische Kunst investierten. Auf der Messe sollten sie „das Gefühl haben, nicht zu viel falsch machen zu können“. Er wisse, dass das erst ein Anfang sei. „Wir wollen hier erst einmal die Begeisterung für zeitgenössische Kunst wecken.“ Der Galerist Tim Blum von Blum & Poe aus Los Angeles hegt zu Beginn der Messe Zweifel: Er habe neun Jahre eine Galerie in Japan betrieben, erzählt er. Doch internationale Kunstmessen hätten hier nie funktioniert. Tokyo Gendai könne nur zum Erfolg werden, wenn Sammler auch aus Südkorea, Taiwan und anderen asiatischen Ländern kämen. Chloe Carroll von der Londoner Galerie Phillida Reid sagt ebenfalls, ihre Erwartungen seien nicht allzu hoch. Aber die Messe ermögliche, mit einem neuen Publikum in Kontakt zu treten.

Unterwäsche ist auch in Japan nicht unbedingt ein Renner: Tom Wesselmanns mit zwei Millionen Dollar bezifferte Arbeit „Black Bra and Green Shoes“ blieb bei der in Paris beheimateten Galerie Almine Rech erst einmal hängen.


Unterwäsche ist auch in Japan nicht unbedingt ein Renner: Tom Wesselmanns mit zwei Millionen Dollar bezifferte Arbeit „Black Bra and Green Shoes“ blieb bei der in Paris beheimateten Galerie Almine Rech erst einmal hängen.
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Bild: Tom Wesselmann / Almine Rech

Viele Galeristen auf der Messe gehen auf Nummer sicher und zeigen Kunst von japanischen Künstlern oder solchen, die in dem Land durch Einzelausstellungen bekannt geworden sind. Phillida Reid etwa verkauft Fotografien von Joanna Piotrowska, die kürzlich eine Soloschau in Tokio hatte, und Wandteppiche der in Japan geborenen Neuseeländerin Claudia Kogachi. Die Preise liegen umgerechnet zwischen 2000 und 14.000 Euro. Blum & Poe hat Arbeiten von Yo­shi­tomo Nara mitgebracht, daneben einige voluminöse Keramikvasen von Yuji Ueda und eine Holzkreation von Kishio Suga.

Doch bei aller Skepsis vermittelt schon der Tag vor der offiziellen Messeeröffnung, der den treuen Kunden der Galeristen, VIPs und Journalisten vorbehalten ist, den Eindruck, als könnte Tokyo Gendai tatsächlich erfolgreich werden. Besucher drängen sich durch die Gänge, fragen viel, scheinen ernsthaft interessiert. Das Publikum reicht von jungen hippen Japanern in Schlabberklamotten über elegant gekleidete Senioren bis hin zu Sammlern aus aller Welt, die sicher schon andere internationale Kunstmessen in diesem Jahr besucht haben.

Trifft auch asiatischen Kunstgeschmack: Werke von Imi Knoebel am Stand der australischen Galerie Fox Jensen.


Trifft auch asiatischen Kunstgeschmack: Werke von Imi Knoebel am Stand der australischen Galerie Fox Jensen.
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Bild: Imi Knoebel / Fox Jensen

Und die Gäste kaufen. Schon gegen Ende des Preview-Tags heißt es am Stand der französischen Galerie Perrotin, dass die gut zehn gezeigten Bilder des kalifornischen Airbrush-Künstlers Aryo Toh Djojo verkauft seien, zu Preisen zwischen 10.000 und 20.000 Dollar. Bei Almine Rech (Paris, Brüssel, London, New York und Shanghai) hat zwar Tom Wesselmanns mit zwei Millionen Dollar bezifferte Arbeit „Black Bra and Green Shoes“ noch keinen Käufer gefunden, dafür hat aber seine deutlich kleinere „Smoker Study“ für 350.000 Dollar den Besitzer gewechselt. Auch Tim Blum zeigt sich nach den ersten Stunden positiv überrascht. Mehrere Bilder seien bereits veräußert, darunter ein Nara für 400.000 Dollar.

In der Tokioter Kunstszene setzt man große Hoffnungen in die neue Messe. Mami Kataoka führt mit dem Mori Art Museum eine der ersten Anlaufstellen für zeitgenössische Kunst in Japan. „Tokio hat sehr viele Museen“, sagt sie. „Aber mit Blick auf den Kunstmarkt spielt es eine sehr kleine Rolle.“ Viele japanische Sammler konzentrierten sich auf traditionelle Kunst. „Da kann noch sehr viel mehr passieren.“ Auch für junge Menschen sei eine Veranstaltung wie Tokyo Gendai wichtig. „Die neue Generation muss erst an die Kunst herangeführt werden. Sie müssen lernen, dass man Kunst interpretieren kann und dass es nicht nur darum geht, Bilder zu machen und auf Instagram anzugucken.“ Daher hofft Kataoka, dass die Veranstalter es nicht bei einer einzelnen Ausgabe der Messe belassen werden.

Tokyo Gendai, Pacifico, Yokohama, bis 9. Juli, Eintritt 4000 Yen (ca. 25 Euro)

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