#Neues Gutachten bestärkt alte Zweifel
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„Neues Gutachten bestärkt alte Zweifel“
Fast 17 Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau will eine Initiative mit einem weiteren Brandtest und einem Film belegen, dass Jalloh angezündet und ermordet wurde. Dazu wurde die Situation in der Polizeizelle am 7. Januar 2005 von einem beauftragten britischen Brandschutz-Gutachter nachgestellt und das Feuer gefilmt, wie die Initiative am Mittwoch in einer Pressekonferenz erläuterte. Der Brandschutzexperte Iain Peck erklärte dazu, seiner Meinung nach zeigten die Ergebnisse, dass es am wahrscheinlichsten sei, dass Jalloh mit einer Flüssigkeit wie Benzin übergossen und entzündet worden sei.
Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ wirft Polizei und Staatsanwaltschaft seit Jahren vor, die Aufklärung des Todes zu verhindern. Sie fordert neue Prozesse gegen die Polizisten. Vorbereitet werde derzeit auch eine Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt wegen Strafvereitelung im Amt, sagte Nadine Saeed von der Initiative. „Wir sind nicht in der Lage, die Staatsanwaltschaft zu etwas zu zwingen. Wir hoffen auf die Öffentlichkeit und den öffentlichen Druck.“
Originalgetreue Simulation der Tat
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg teilte mit, das aktuelle Gutachten sei ihr noch nicht übermittelt worden. Sollte es sich dabei „um ein neues Beweismittel handeln, welches geeignet ist, einen genügenden Tatverdacht gegen eine konkrete Person zu begründen, könnten die Ermittlungen (dann) wieder aufgenommen werden“. Bei früheren Brandgutachten im Auftrag der Initiative von 2013 und 2015 sei das aber nicht der Fall gewesen.
Für das Gutachten baute der Sachverständige Peck die Zelle 5 im Keller des Polizeireviers Dessau originalgetreu nach. Einziger Unterschied: Für eine Videodokumentation wurde die vierte Wand der ansonsten komplett gefließten Zelle aus feuerfestem Glas errichtet. Mit einem Dummy aus Schweinestücken und Schweinehaut in den Körpermaßen von Jalloh stellte der Brandgutachter die Abläufe an diesem 7. Januar 2005 in Echtzeit nach. Die offizielle Behördenversion, wonach sich der damals 36-jährige Jalloh an Händen und Füßen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze fixiert selbst angezündet haben soll, hält er deshalb für unwahrscheinlich.
Mehrere entsprechend durchgeführte Brandversuche waren laut Peck vergeblich und gaben das auf Fotos festgehaltene Brandbild der damaligen Zelle nicht wieder. Erst als Peck 2,5 Liter Benzin über dem Dummy ausgoss und den Körper anzündete, entstand ein Bild mit vergleichbaren Brandschäden. Darüber hinaus hätten Bewegungsversuche mit einer an vier Punkten fixierten Person auf einer Matratze in Originalgröße gezeigt, dass Jalloh weder den Bewegungsspielraum noch andere Möglichkeiten hatte, die Matratze selbst anzuzünden, sagte Peck.
Andere Brandgutachter, Mediziner und Kriminologen waren in den vergangenen Jahren zu einem gleichen Ergebnis gekommen. Zudem kam ein forensisches Gutachten des Frankfurter Radiologen Boris Bodelle 2019 zu dem Schluss, dass Jalloh vor seinem Tod schwer misshandelt wurde. Mit dem neuen Brandgutachten „wollen wir die Fakten- und Beweislage vergrößern und den öffentlichen Druck erhöhen“, sagte Nadine Saeed von der Initiative.
Zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden
Der afrikanische Asylbewerber Jalloh war betrunken und stand unter Drogen, als er gefesselt auf einer Matratze liegend in der Zelle starb. Ob er selber die Matratze anzündete, ist bis heute unklar. Die genauen Umstände des Todes konnten in zwei Prozessen nicht geklärt werden. Ein Polizist wurde 2012 verurteilt, weil er nicht dafür sorgte, dass Jalloh korrekt beaufsichtigt wurde. Zwei Sonderermittler stellten in einem 300 Seiten langen Untersuchungsbericht zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden fest.
Die sachsen-anhaltische Linken-Politikerin Henriette Quade erklärte am Mittwoch auf Twitter, das neue Gutachten müsse „ernst genommen werden“. Die Behauptung, Jalloh habe sich selbst angezündet, sei auch bisher nicht belegt gewesen. „Mit diesem Gutachten ist sie endgültig nicht zu halten“, so Quade.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg verwies darauf, dass das Ermittlungsverfahren im November 2018 eingestellt worden sei, „weil sich keine beweisbaren Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Entzündung der Matratze“ durch Jalloh ausschließen können und „die eine Entzündung durch Polizeibeamte oder durch bestimmte Dritte belegen“. Ein Gegenantrag der Familie Jallohs sei vom Oberlandesgericht verworfen worden, weil es keinen hinreichenden Tatverdacht gebe. Auch in dem Untersuchungsbericht der Sonderermittler des Landtags von 2020 sei die Einstellung als „sehr gut nachvollziehbar und angesichts der Beweislage sachlich und rechtlich richtig“ bezeichnet worden.
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