#Neurologische Krankheiten: Hauptursache für verlorene Lebensjahre
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Weltweit leiden Menschen heute mehr unter Erkrankungen des Nervensystems als an jeder anderen Krankheit. Eine globale Erhebung zeigt, dass im Jahr 2021 rund 3,4 Milliarden Menschen von neurologischen Problemen betroffen waren – Erkrankungen von Gehirn und Nervensystem sind damit inzwischen die häufigste Ursache für Krankheit und Behinderung weltweit. Die Spanne reicht dabei von Kopfschmerzen bis hin zu Demenz, Epilepsie und Schlaganfällen. Die wichtigste Ursache für die zunehmenden Fallzahlen sind die wachsende Weltbevölkerung und die steigende Lebenserwartung. Zudem spielen auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren eine Rolle.
Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems haben viele Gesichter. Sie umfassen gelegentliche Leiden wie Spannungskopfschmerzen und Migräne, Behinderungen wie Epilepsie und Autismus-Spektrum-Störung, Erkrankungen wie Hirnhautentzündung und Tumore des zentralen Nervensystems, neurologische Probleme durch Frühgeburten sowie Erkrankungen, die üblicherweise im Alter auftreten, darunter Schlaganfälle und Demenz. Zusammen stellen sie weltweit die Hauptursache für gesundheitliche Probleme und Behinderungen dar.

Steigende Fallzahlen
Im Rahmen der Global Burden of Disease-Studie hat ein internationales Forschungsteam nun zusammengetragen, in welchem Ausmaß Menschen weltweit von neurologischen Krankheiten betroffen sind. Dazu werteten die Forschenden Daten aus 204 Ländern und Territorien zwischen 1990 und 2021 aus, wobei sie 37 verschiedene Krankheiten des Nervensystems und des Gehirns erfassten – darunter auch neu aufgekommene wie neurologischen Probleme in Folge von Covid-19. Daraus berechnete das Team nicht nur die Gesamtzahl der betroffenen Menschen, sondern auch, wie viele gesunde Lebensjahre durch neurologische Krankheiten verloren gehen. Dieser Wert wird als Disability-adjusted life years bezeichnet, kurz DALYs.
„Weltweit litten im Jahr 2021 rund 3,4 Milliarden Menschen an einer von 37 erfassten neurologischen Krankheiten, und 11,1 Millionen Menschen starben daran“, berichtet das Forschungsteam. „Insgesamt gingen dadurch 443 Millionen gesunde Lebensjahre verloren, 18 Prozent mehr als 1990.“ Der Anstieg der absoluten Zahl ist den Forschenden zufolge vor allem darauf zurückzuführen, dass die Weltbevölkerung immer größer und durchschnittlich immer älter wird. Betrachtet man dagegen nur die verlorenen Lebensjahre pro Altersgruppe, zeigt sich, dass dieser Wert seit 1990 um etwa ein Drittel gefallen ist. Die Gründe für diese positive Entwicklung sind der Analyse zufolge bessere Aufklärung, Impfungen und globale Präventionsmaßnahmen für einige Erkrankungen. So sind die altersstandardisierten DALYs durch Tetanus seit 1990 um 93 Prozent zurückgegangen, bei Meningitis um 62 Prozent.
Unterschiede zwischen den Ländern
Zwischen den verschiedenen Regionen der Welt stellten die Forschenden große Unterschiede fest. Am besten ist die neurologische Gesundheit in einkommensstarken Regionen des asiatisch-pazifischen Raums. Hier gehen pro 100.000 Einwohner weniger als 3.000 gesunde Lebensjahre durch neurologische Erkrankungen verloren und nur 65 von 10.000 Menschen sterben im Jahr daran. In Westeuropa liegt der Durchschnittswert bei 3.114 verlorenen Lebensjahren und 68,6 Todesfällen pro 100.000 Einwohner. Deutschland schneidet mit 3.299 DALYs und 71,1 Todesfällen pro 100.000 Einwohner dabei etwas schlechter ab als seine Nachbarländer.
Wesentlich stärker betroffen sind allerdings ökonomisch schwache Länder. In Regionen in West- und Zentralafrika verzeichnet die Analyse mehr als 7.000 verlorenen Lebensjahre und 198 Todesfälle pro 100.000 Menschen. „Viele der ärmsten Länder sind unverhältnismäßig stark von Gesundheitseinschränkungen des Nervensystems betroffen“, erklärt Co-Autorin Tarun Dua vom Department für Hirngesundheit der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das ist insbesondere auf die höhere Prävalenz von Erkrankungen bei Neugeborenen und Kindern unter fünf Jahren zurückzuführen, vor allem durch geburtsbedingte Komplikationen und Infektionen.“
Prävention fördern
Die häufigsten neurologischen Erkrankungen im Jahr 2021 waren Spannungskopfschmerzen mit etwa zwei Milliarden Fällen sowie Migräne mit etwa 1,1 Milliarden Betroffenen. Die größte Zunahme der Fälle gab es bei der sogenannten diabetischen Neuropathie, also Nervenschäden infolge von Diabetes. „Die Zahl der Menschen mit diabetischer Neuropathie hat sich seit 1990 weltweit mehr als verdreifacht und ist bis 2021 auf 206 Millionen gestiegen“, berichtet Co-Autorin Liane Ong von der Washington University in den USA. „Dies steht im Einklang mit dem Anstieg der weltweiten Prävalenz von Diabetes.“
Da es für viele neurologische Erkrankungen keine Heilung gibt, ist es den Forschenden zufolge besonders wichtig, einen Fokus auf Präventionsmaßnahmen zu legen. So ließen sich beispielsweise 84 Prozent der DALYs durch Schlaganfälle verhindern, unter anderem, indem Bluthochdruck durch Medikamente oder Lebensstiländerungen bekämpft wird. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse den politischen Entscheidungsträgern dabei helfen können, die Auswirkungen neurologischer Erkrankungen auf Erwachsene und Kinder besser zu verstehen, um gezieltere Maßnahmen in den einzelnen Ländern zu ergreifen“, sagt Co-Autorin Jaimie Steinmetz von der University of Washington. „Erkrankungen des Nervensystems müssen durch wirksame, kulturell akzeptable und erschwingliche Strategien für Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Langzeitpflege angegangen werden.“
Quelle: GBD 2021 Nervous System Disorders Collaborators, The Lancet Neurology, doi: 10.1016/S1474-4422(24)00038-3
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