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#Nicht bewegen!

Nicht bewegen!

Das Studio Yoga W60 in Berlin-Pankow ist ein Ort der Ruhe. Normalerweise breitet vor gut besuchten Kursen ein Dutzend Interessierter dünne Trainingsmatten auf dem Parkettboden aus. Jetzt sind die Kerzen ausgeblasen und die Decken für die Entspannung weggeräumt. Im Übungssaal im Erdgeschoss eines Altbaus liegen Kabel. In einer Stunde wird Rico Schulz seinen Online-Kurs beginnen. „Das wird besser angenommen als im ersten Lockdown“, sagt Schulz, der seit 1997 Yoga praktiziert.

Das Studio bietet einen Online-Monatspass an, der häufig gebucht wird. Auch die von den Krankenkassen bezuschussten Präventionskurse laufen online weiter. Dennoch musste Schulz Einbußen hinnehmen: Vor der Pandemie unterrichtete er noch in einem weiteren Yoga-Studio, das inzwischen geschlossen ist, und gab Akrobatikkurse für Kinder. Von den bis zu 15 Kursen, die er je Woche in beiden Studios anbot, sind nur drei übrig geblieben. Seinen drei Kollegen, die ebenfalls im Yoga W60 arbeiten, geht es ähnlich. Glücklicherweise haben alle noch andere Jobs. Rico Schulz arbeitet noch als Coach. „Wir hatten uns hier ohnehin nicht dem totalen Kommerz verschrieben“, sagt er. Verärgert sei er nicht nur wegen der fehlenden Einnahmen, sondern weil die Politik nicht ausreichend wertschätze, was Yoga zu Gesundheit und Entspannung beitrage.

Ähnlich argumentiert Volker Ebener vom Deutschen Fitness- und Aerobic-Verband. „Sportler und ihre Personal Trainer machen zusammen Übungen im Freien und halten dabei den Mindestabstand ein: Warum ist das zurzeit verboten?“, fragt er. „Schließlich trägt eine gute körperliche Verfassung dazu bei, das Immunsystem zu stärken – was wiederum gut ist für die Virusabwehr.“ Ebener, seit mehr als 50 Jahren in der Branche tätig, legt folgende Schätzungen vor: Etwa der Hälfte der festangestellten Fitnesstrainer sei gekündigt worden, oder ihr Arbeitsverhältnis ruht. Die anderen seien in Kurzarbeit.

Zwei Millionen Menschen in einer Tanzschule pro Jahr

80 Prozent der Aushilfstrainer hätten ihren Job verloren, und kaum ein freiberuflicher Trainer würde noch Honorar abrechnen können. Vor zehn Jahren waren in den Studios noch viele Menschen im Nebenberuf tätig. Inzwischen haben viele Beschäftigte eine Berufsausbildung oder sogar ein Studium absolviert, um dort arbeiten zu können. Das Studio garantierte ihnen vor der Pandemie den hauptsächlichen Broterwerb. Daher, sagt Volker Ebener, könnten sie in der Krise auch nicht so einfach ausweichen.

Kurzarbeit, Kündigungen – das betrifft auch die Tanzlehrer. Immerhin konnten sie 2020 vom staatlichen Programm „Neustart Kultur“ profitieren und Geld für Personal- und Sachkosten beantragen. Wie auch in anderen Branchen bemühten sich viele Freiberufler um die sogenannten Novemberhilfen. Doch deren Auszahlung „zieht sich schleppend hin“, sagt Heidi Schumacher vom Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband. Ihr Mann sei freiberuflicher Tangolehrer, erzählt sie: „Er hat seit März letzten Jahres nicht mehr arbeiten können.“

Vor der Pandemie besuchten zwei Millionen Menschen im Jahr eine Tanzschule. 11,6 Millionen waren in einem Fitnesscenter angemeldet. 3,4 Millionen praktizierten regelmäßig Yoga. Jetzt stellen die Beschäftigten fleißig Kurse ins Netz, viele sogar kostenlos. Selbst Walzertanzen kann man auf diesem Weg lernen, weil die Schulen hoffen, so den Kontakt zu ihren Kunden zu halten. Doch von den Online-Angeboten leben können die wenigsten. „Es hat unsere Verbandsmitglieder sehr geärgert, dass Tanzschulen in vielen Corona-Verordnungen kaum vorgekommen sind“, sagt Heidi Schumacher. „Und wenn sie mal erwähnt wurden, dann in einem Atemzug mit Bordellen und anderen sogenannten Lustbarkeiten. Wir sind Einrichtungen der kulturellen und sozialen Bildung!“

Kleinen Unternehmen fehlen die Rücklagen

Im ersten Lockdown rechneten viele Fitnesscenter noch damit, bald normal öffnen zu können. Die Inhaber renovierten und schafften neue Geräte an, statt das Geld für eine lange Durststrecke zurückzulegen. Sonst melden sich zu Beginn eines Jahres viele neue Mitglieder an, die ihre Vorsätze verwirklichen möchten – 2021 nicht.

Ob Fitness, Tanz oder Yoga – schlecht geht es vor allem kleinen Unternehmen und denen, die noch keine Stammkundschaft haben. Sie haben kaum Rücklagen, während große Studios in gute Technik für Online-Übertragungen investieren können. Doch Dramen spielen sich überall ab, zumal die Miete und andere Festkosten weiter zu Buche schlagen. „Ich kenne einen Kollegen, der seine Fitnesscenter für je einen Euro zum Verkauf anbietet – nur um die laufenden Kosten loszuwerden“, sagt Volker Ebener.

Sorgen gibt es auch um den Nachwuchs. An der Akademie des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes etwa sind 500 Auszubildende in der dreijährigen Berufsausbildung. Heidi Schumacher fragt sich, ob es auch künftig noch so viele sein werden. Schließlich konnten die Tanzschulen keine Anfängerkurse anbieten, und deshalb wird es vielerorts auch keine Fortgeschrittenenkurse geben. „Wenn jemand nicht selbst getanzt hat, wird er sich kaum vorstellen können, das zu seinem Beruf zu machen“, sagt sie.

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