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#Nicht mehr Letzter sein

Nicht mehr Letzter sein

Egal, wie gut oder schlecht alle sind, wenn Ranglisten erstellt werden, ist immer einer der Letzte. Beim bundesweiten Vergleich der Erstimpfungen war das zuletzt stets Hessen. 24,4 Prozent der Bevölkerung haben hier nach Angaben des Robert-Koch-Instituts eine Erstimpfung erhalten, im Saarland, dem Spitzenreiter, sind es 28,7. Am Donnerstag lag Hessen zwar erstmals seit Längerem nicht mehr auf dem letzten Platz, sondern knapp vor Brandenburg und Sachsen.

Für die hessische Landesregierung aber ist das kein hinnehmbarer Zustand, sieht sie sich doch grundsätzlich eher in einer Liga mit den Spitzenländern. Aus den Landkreisen in Hessen heißt es daher nun, das Land stehe unter Druck und der werde weitergegeben. Auch auf Kreisebene gibt es schließlich Ranglisten – und auch hier gibt es die hinteren Ränge. Aus mehreren Kreisverwaltungen heißt es nun, das Landesinnenministerium, das die Impfkampagne verantwortet, habe sie zuletzt aufgefordert, weniger Reserve vorzuhalten und schneller zu impfen.

„Wir verimpfen eh, was geht“

„Das brauchen die uns nicht zu sagen“, heißt es dazu unisono. „Wir verimpfen eh, was geht.“ Nun sind Ranglisten trügerisch. Im Falle der Länder auch deswegen, weil einige davon (darunter das Saarland) aufgrund der Nähe zu Virusvariantengebieten mehr Impfdosen erhalten als andere. Darauf verweist auch das hessische Innenministerium.

Doch erklärt sich Hessens schlechte Position bei den Erstimpfungen aus Sicht der Kreise auch dadurch, dass es bei der Vergabe von Impfterminen weiterhin große Probleme gibt. „Die Vergabe des Landes funktioniert nicht“, sagt ein Sprecher des Landkreises Kassel. Sie sei „nicht transparent und nicht nachvollziehbar“. Auch aus anderen Kreisen heißt es, es komme zu vielen Doppelbuchungen, auch verschwänden reihenweise Registrierungen.

„Hessen bleibt besonnen“, lautet der Leitspruch der schwarz-grünen Landesregierung in der Pandemie. Öffnungsschritte gab es meist nur im Gleichklang mit anderen Ländern. Bei der Vergabe der Impftermine für die Impfzentren aber setzte das Land auf eine eigene Lösung, nicht allein auf das Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung. Zu Beginn war die Plattform so wie andernorts überlastet. In Hessen aber hielten die Probleme an, vor allem bei telefonischen Buchungen.

Aus Sicht der Kreise liegt das auch daran, dass die Mitarbeiter der Callcenter teilweise im Ausland sitzen und nicht gut Deutsch sprechen. Zudem sei das System sehr fehleranfällig. Unterschiedliche Schreibweisen etwa seien verhängnisvoll. „Es gibt eine große Anzahl von Leuten, die sich neu registrieren mussten“, sagt ein Sprecher des Kreises Kassel. Das sei mit ein Grund dafür, dass immer noch viele ältere Menschen ungeimpft seien.

Jüngere waren schneller geimpft als sie

Heidrun Weidemann kann dazu einiges erzählen. Die 77 Jahre alte Frau hatte sich Mitte Februar erstmals telefonisch bei der „Impfhotline“ registriert. Nach vier Wochen fragte sie nach, Ergebnis: Es fanden sich keine Daten von ihr. Zwei weitere Male registrierte sie sich telefonisch, beide Male gingen die Daten wieder verloren. In der Folge habe man ihr geraten, sich beim Hausarzt impfen zu lassen, sagt Weidemann. Doch der habe keine Kassenzulassung, dürfe also gar nicht impfen. Deutlich jüngere Leute aus ihrem Bekanntenkreis seien da längst an ihr vorbeigezogen und geimpft worden, sagt sie. Erst vor kurzem erhielt sie nun in einer Frankfurter Praxis eine erste Impfung.

Derlei Fälle gebe es häufiger, heißt es aus den Landkreisen. Viele Personen, auch aus den ersten beiden Priorisierungsgruppen, warteten schon Monate auf einen Termin. „Noch immer warten Zehntausende von impfwilligen Über-80- und Über-70-Jährigen auf die Immunisierung“, kritisierte kürzlich auch die hessische SPD-Vorsitzende Nancy Faeser. In den Kreisen wird gewarnt, die Leute redeten miteinander und sähen nun, dass auch Personen aus der Prioritätengruppe 3 rasch Impftermine erhielten, dass also deutlich Jüngere an ihnen vorbeizögen. Das führe zu mangelndem Staatsvertrauen.

Der Landkreis Kassel hat Mitte April ein eigenes System zur Vergabe von Impfterminen für die Prioritätengruppen 1 und 2 (dazu gehören unter anderen Personen über 80 und über 70 Jahre sowie Erkrankte) parallel zum hessischen System freigeschaltet. So soll das örtliche Impfzentrum ausgelastet werden, schließlich gibt es meist mehr Kapazität als zugewiesene Termine. Nach Angaben des Landkreises gab es innerhalb kürzester Zeit Tausende Anmeldungen, mittlerweile sind es 18.000. Darunter nach Angaben des Landkreises viele von jenen, die seit Monaten im offiziellen hessischen System auf einen Termin warteten.

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