#Von Richterkönigen, Volksvertretern und Generationengerechtigkeit
Inhaltsverzeichnis
„Von Richterkönigen, Volksvertretern und Generationengerechtigkeit“
Über den schon als „bahnbrechend“ bezeichneten Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18 u.a.) ist bereits vieles geschrieben worden. Wohl noch nie hat überdies ein Gesetzgeber in solch rascher Weise angekündigt, den Forderungen des BVerfG nachzukommen, ja diese noch zu übertreffen. Man könnte daher mit einiger Befriedigung zur „Tagesordnung“ übergehen. Nach dem letztjährigen EZB-Urteil des Zweiten Senats des BVerfG markiert dieser Beschluss jedoch einen weiteren Schritt hin zu einer ungewöhnlich aktiven Rechts- und Politikgestaltung, wie sie derzeit in Karlsruhe praktiziert wird. Dabei ist es weniger das Ergebnis, das bislang überwiegend positiv aufgenommen worden ist. Es ist vielmehr die Art und Weise wie das Gericht das „Gute“ zu erreichen trachtet, dabei aber die Grenzen der gebotenen richterlichen Zurückhaltung und der methodischen Stimmigkeit in mancherlei Hinsicht überschreitet. Dabei kommt abermals dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine entscheidende Rolle zu. Grund genug also für einige weitere Anmerkungen.
Rätselhafte Annahme der Beschwerdebefugnis von Ausländern
Schon die Überlegungen des Gerichts zur Zulässigkeit der dem Beschluss zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden, die u.a. von Bürgern aus Nepal und Bangladesch erhoben worden waren, lassen aufhorchen. Diese seien „beschwerdebefugt, weil nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Grundrechte des Grundgesetzes den deutschen Staat auch zu ihrem Schutz vor den Folgen des globalen Klimawandels verpflichten“ (Rn. 90). Die weiteren hierzu getroffenen Feststellungen bleiben freilich ausgesprochen nebulös, wenn es etwa zur Begründung heißt, eine „Wirkung der Grundrechte auch gegenüber diesen Beschwerdeführern [erscheine] nicht von vorn herein ausgeschlossen“ (Rn. 101). Bislang hatte das Gericht im Hinblick auf Verfassungsbeschwerden, die sich unmittelbar gegen ein Gesetz richteten, in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass die Beschwerdeführer von dem Gesetz „selbst, gegenwärtig und unmittelbar“ in ihren Grundrechten betroffen sein müssen. Eben diesen Maßstab wendet das Gericht auch in Bezug auf die übrigen (deutschen) Beschwerdeführer an (Rn. 129). Wie aber soll man den insoweit eher beiläufig getroffenen Hinweis des Gerichts verstehen, dass etwas „anderes […] für die in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden“ gelte, da diese „insoweit nicht selbst betroffen“ und folglich „diesen Maßnahmen nicht unterworfen“ seien (Rn. 132)? Die fehlende eigene Grundrechtsbetroffenheit hätte in jedem anderen Verfahren unweigerlich zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde geführt, und es bleibt eines der Rätsel des Beschlusses, weshalb der Erste Senat von diesem Erfordernis abrückt, ohne dies allerdings deutlich zu machen. Da die Verfassungsbeschwerde dieser Beschwerdeführer an späterer Stelle ohnehin für unbegründet erachtet wird (Rn. 173 ff.), drängt sich fast der Eindruck auf, der Erste Senat habe in seiner großzügigen prozessualen Behandlung der ausländischen Beschwerdeführer (die auch im Rahmen der Kostenentscheidung deutlich wird) sowie der fast überdeutlichen Betonung der internationalen Dimension der nationalen Klimaschutzverpflichtung aus Art. 20a GG (s. etwa LS 1.c.) unbewusst beabsichtigt, die „Scherben“ zusammenzufegen, die der Zweite Senat durch sein EZB-Urteil jedenfalls auf europäischem Parkett hinterlassen hatte.
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