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Paare, Passionen

Wer konservativ ist, der will heute erhalten, was er, als es neu war, bekämpft hat. Und wie könnte jemand, der jahrzehntelang ins Kino gegangen ist, nicht konservativ sein – wo man doch dort, gerade weil Filme so wunderbare Speichermedien sind, ganz klar und scharf und meistens farbig, die Dinge und Verhältnisse betrachten kann, die uns in der Wirklichkeit längst entschwunden und womöglich verlorengegangen sind?

Claudius Seidl

Der Regisseur Adrian Lyne wurde, als er anfing, bekämpft und geschmäht von der Filmkritik. Das lag daran, dass er ein gelernter Werbefilmer ist; in den Siebzigern war er nicht irgendeiner, sondern einer der besten im Vereinigten Königreich – so gut, dass einmal ein Anruf von Stanley Kubrick kam: Er habe einen Werbeclip für Milch gesehen, und jetzt wolle er wissen, mit welchen Tricks und Linsen da Lyne gearbeitet habe. Dass er als Student die Filme der Nouvelle Vague genau studiert hatte, vor allem Godard, Truffaut, Chabrol, das nahmen seine Gegner lieber nicht zur Kenntnis.

Als Lyne nach Hollywood kam, in den frühen Achtzigern, liebten die Kritiker andere Inszenierungen, solche, die den Raum erkundeten, die Zeit vermaßen und den Menschen genug Platz für deren Eigenart ließen. Adrian Lyne betrieb das Gegenteil: Seine Blicke berauschten sich an den Oberflächen; seine Montagen liefen auf Verlockung und Verführung hinaus: Der Unterschied zwischen „Neuneinhalb Wochen“ oder „Eine verhängnisvolle Affäre“ einerseits und einem Werbefilm andererseits bestehe eigentlich nur darin, dass man, was diese Filme zeigten, nicht kaufen könne. Heute, wenn man das wiedersieht, glaubt man fast, man sehe die Achtziger, so wie sie wirklich waren.

Die Körper wollen anders als die Köpfe

Es gibt eine Filmfigur, die man als eine Art Selbstporträt ihres Regisseurs ruhig deuten darf. Es ist, ausgerechnet, die Lolita in Lynes Nabokov-Verfilmung, jenes minderjährige Mädchen, das im Roman nur ein Geschöpf aus Worten, eine Sehnsucht, die reine Phantasie des Erzählers Humbert Humbert ist. Aber bei Lyne ist sie präsenter als alle anderen Figuren – und sie schaut zurück, in die Kamera, auf die Menschen und die Dinge, und ihre Unschuld ist das, was Humbert zur Verzweiflung treibt: dass sie auf einen Körper nicht anders als auf einen Becher Eiskrem blickt. Sie will haben, was sie sieht, sofort und schamlos und ohne die Folgen zu bedenken.

Dominique Swain als Lolita und Jeremy Irons als Humbert Humbert in „Lolita“



Bilderstrecke



Adrian Lyne
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Viele Thrills

Besser noch als mit dieser Geschichte (die womöglich auch der beste Film nicht retten kann) kam Lyne aber immer mit Paaren zurecht, die einander ebenbürtige Gegner sind. Die Körper wollen etwas anderes als die Köpfe, das Begehren braucht nicht den Filter der Vernunft – und Lynes Inszenierungen zielten fast immer zugleich aufs Begehren des Publikums: Die Szene, die in „Neuneinhalb Wochen“ den größten Sex-Appeal hat, ist die erste Begegnung von Kim Basinger und Mickey Rourke. Da geht es nur um Blicke, ein Lächeln, die unabweisbare Anziehungskraft der Körper. Die fetischistischen Spielchen, die sie danach veranstalten, sind eher unzulängliche Versuche, die Kontrolle über die Gefühle zu gewinnen.

„Eine verhängnisvolle Affäre“, die Geschichte eines Seitensprungs mit tödlichen Folgen, sah man damals als Paraphrase der neuen Aids-Gefahr, als Werbefilm für Treue und Zurückhaltung. Heute staunt man darüber, wie Lyne hier die Sprache der Körper als Dementi der Dialoge inszeniert: eine Verständigung, so sieht es aus, kann kaum gelingen.

Es ist fast neunzehn Jahre her, dass Lyne seinen letzten Film ins Kino brachte. „Untreu“ hieß der, was das Thema schon benennt; und es war auch deshalb sein schönster, reifster und wahrhaftigster Film, weil sich die Inszenierung auf die Seite der Frau schlug, deren Untreue trotzdem fürchterliche Folgen hatte. Es war Adrian Lynes Hommage an Claude Chabrol; kein Remake, eher eine Variation von dessen „Untreuer Frau“.

Seitdem war von Lyne nicht mehr viel zu hören und zu lesen; man fürchtete, er habe sich zur Ruhe gesetzt. Bis vor einigen Monaten die Meldung kam, dass Lyne an einem erotischen Psychothriller arbeite, dem Kampf einer Frau und ihres Mannes gegeneinander, der Verfilmung von Patricia Highsmith’ „Deep Water“. Heute wird er achtzig; man wünscht ihm noch viele Thrills.

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