Wissenschaft

#Schuppentier-Medizinroboter entwickelt

Aus hartem Material und dennoch geschmeidig: Inspiriert vom Schuppentier haben deutsche Forscher einen magnetisch steuerbaren Roboter aus Metallelementen entwickelt, der bei medizinischen Missionen im Körper zum Einsatz kommen könnte. Er kann seine Form an die jeweilige Aufgabe anpassen, Ladung aufnehmen und selektiv freisetzen. Vor allem lässt sich das metallische Material aber durch Magnetfelder effektiv erhitzen, sodass etwa Blutungen oder Tumore behandelt werden könnten, belegen Tests.

Kleine Roboter, die im Dienste der Medizin im Körper von Patienten unterwegs sind: Diese futuristisch wirkende Vision nimmt durch technische Fortschritte der letzten Jahre immer mehr Gestalt an. Vor allem wird dabei an Konzepten der sogenannten Softrobotik getüftelt, denn Konstruktionen aus flexiblen Materialien eignen sich besonders für den Einsatz in den empfindlichen Strukturen des Körperinneren. Metallische Materialien könnten der Technik dabei zusätzliche Fähigkeiten eröffnen – doch bisher gab es einen Nachteil: Bei bestimmten Materialstärken werden sie unflexibel.

Hilfreiches Natur-Patent

Doch wie bei vielen technischen Herausforderungen kann man sich offenbar auch in diesem Fall Rat bei der Natur einholen: Das Entwicklerteam um Senior-Autor Metin Sitti vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart hat sich vom „Patent“ des Schuppentiers inspirieren lassen. Der Körper dieser skurrilen Säugetiere ist hart gepanzert, aber dennoch flexibel. Möglich wird dies durch Schuppen aus dem Haar- und Nägel-Baustoff Keratin, die sich überlappen und direkt mit der darunter liegenden weichen Hautschicht verbunden sind. Durch diese besondere Anordnung können sich die Tiere trotz der harten Grundsubstanz bei Gefahr eng zusammenrollen.

Dieses Natur-Patent haben die Stuttgarter Wissenschaftler nun in ein metallisches Softrobotik-Konzept umgesetzt: Es handelt sich um ein flaches, rechteckiges Gebilde, das etwa zwei Zentimeter lang ist und aus zwei Schichten besteht. Das Pendant zu den Keratin-Schuppen des Tieres bilden dabei kleine harte Plättchen aus einem metallischen Material, die überlappend angeordnet sind. Diese Schicht sitzt auf einer Lage aus einem flexiblen Polymer-Material, in das zusätzlich magnetische Partikel integriert wurden.

So ist der Roboter weich und flexibel, obwohl er aus vergleichsweise massiven Metallelementen besteht, die spezielle Funktionen ermöglichen. Wird der Roboter einem Magnetfeld mit niedriger Frequenz ausgesetzt, können die Wissenschaftler ihn berührungsfrei und drahtlos bewegen: Das Plättchen lässt sich ein- und ausrollen und im runden Zustand gezielt zu bestimmten Stellen manövrieren. Die Metallelemente stehen dabei wie die Schuppen des Tieres leicht ab, ohne dabei umliegendes Gewebe zu verletzen.

Flexibel, agil und aufheizbar

Durch Tests an Organ-Modellen sowie präparierten Schweinemägen konnten die Wissenschaftler dann die Leistungsfähigkeit des Konzepts und das medizinische Potenzial dokumentieren. Es wird deutlich, dass sich der Schuppentier-Roboter mithilfe von Magnetfeldern flexibel und effektiv durch das Verdauungssystem steuern lässt. Vor allem könnte er dabei auch den schwer zugänglichen Dünndarm erreichen. Im zusammengerollten Zustand könnte er in seinem Innern auch Objekte wie Medikamente dorthin transportieren und dann gezielt an bestimmten Stellen freigeben, geht aus den Versuchen hervor.

Die besondere Fähigkeit des Schuppentier-Roboters ist allerdings, heißlaufen zu können: Wird er einem Magnetfeld mit hoher Frequenz ausgesetzt, erhitzt er sich dank des metallischen Materials auf über 70 Grad Celsius. Wie das Team erklärt, steckt darin erhebliches Potenzial für medizinische Anwendungen. Denn Wärmeenergie wird beispielsweise bei der Behandlung von Thrombosen oder Tumorgeweben eingesetzt sowie um Blutungen zu stillen. Dass der Schuppentier-Roboter eine entsprechende Mission im Verdauungstrakt erfüllen könnte, zeigten die Wissenschaftler durch Tests im Schweinemagen-Modell: Sie manövrierten ihn an eine simulierte Blutungsstelle und heizten ihn dann auf. So konnte der Roboter einen Effekt bewirken, der unter realen Bedingungen zu einer Blutungsstillung führen würde.

Weiterentwickelte Versionen des Roboters könnten demnach vielleicht eines Tages minimalinvasiv und schonend selbst die engsten und sensibelsten Regionen im Körper erreichen und dort Behandlungen durchführen. Noch ist das Konzept allerdings in einem frühen Stadium der Entwicklung, gibt Erst-Autor Ren Hao Soon vom MPI-IS abschließend zu bedenken. „Einige Fragen sind nun noch zu klären und technische Herausforderungen zu lösen, doch dabei bin ich zuversichtlich“, so der Forscher. „Um Einsatzmöglichkeiten zu ermitteln, hoffe ich jetzt auch auf eine enge Zusammenarbeit mit klinischen Experten“, sagt Soon.

Video: Der Schuppentier-Roboter führt eine experimentelle Mission zur Blutungsstillung in einem Schweinemagen aus. © MPI für Intelligente Systeme

Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-38689-x

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