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#Der algerische Journalist Khaled Drareni über die Lage in Nordafrika

Der algerische Journalist Khaled Drareni, der im Frühjahr 2020 wegen seiner mutigen Berichterstattung über die Demokratiebewegung Hirak und die Korruption in seinem Land verhaftet und im August 2020 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war, kam nach elf Monaten frei und macht weiter. Seit April 2022 fungiert er als Regionalvertreter der Vereinigung Reporters sans frontières (RSF) in ganz Nordafrika von Mauretanien bis Sudan, allesamt Länder, die die Meinungs- und Pressefreiheit missachten, Journalisten bedrohen und Medienunternehmen gängeln. Der 40-Jährige war ein echter Star unter den algerischen Journalisten. Er schrieb für die Zeitungen „La Tribune“ und „Algérie News“, moderierte Rundfunk- und Fernsehsendungen in französischer und arabischer Sprache, war Anchorman des Kanals 19 Info und leitete das Online-Magazin Casbah Tribune. So erreichte er auch junge Leute, die mehr als die Hälfte der algerischen Bevölkerung ausmachen und den Hirak vorantrieben, darunter erstmals sehr viele junge Frauen, bis die Corona-Pandemie den freitäglichen Straßenprotesten gegen das autoritäre Regime ein Ende setzte. Bei seinem Besuch in der deutschen Zentrale von Reporter ohne Grenzen in Berlin konnte wir ihm Fragen zur Lage der Presse in Nordafrika stellen.

Wie ist die Lage der Pressefreiheit in Ihrem Land?

Paradoxerweise hat sich die Lage seit 2019, dem Beginn des Aufstands, verschlechtert. Das ist paradox, weil Millionen ihre Stimme erhoben, aber die Medien deren Schwung nicht mitnahmen und eine Art Selbstzensur betrieben.

Wie unterscheiden sich die arabophonen und frankophonen Medien?

Dazu muss man wissen, dass die überwältigende Mehrheit der Algerierinnen und Algerier nur arabischsprachigen Medien folgt. Die französischsprachigen haben massiv an Publikum verloren, seit die Zeitungen „Liberté“ und „El Watan“ in finanzielle Probleme gestürzt wurden. Lange genossen die französischsprachigen Medien mehr Meinungsfreiheit, aber mittlerweile hat sich die Lage für beide Sprachen verschlechtert.

Haben die Algerier noch Vertrauen in das staatliche Fernsehen und die Privatmedien?

Der Vertrauensverlust ist bei beiden total. Speziell junge Leute glauben weder den staatlichen noch den privaten Medien, sie verlassen sich allein auf die sozialen Medien und Blogs, das Internet ist die Hauptinformationsquelle. Was unsere Arbeit als Journalisten natürlich enorm erschwert, weil im Netz zirkulierende Informationen selten nach unseren Standards verifiziert werden.

Sieht es in den beiden anderen Ma­ghrebstaaten Marokko und Tunesien besser aus?

Ich würde die Lage in allen drei Ländern als miserabel beschreiben. Wir sind gleichermaßen besorgt über die inhaftierten Journalisten, drei in Marokko (Omar Radi, Soulaiman Raissouni, Taoufik Bouachrine), einer in Algerien.

Das ist Ihsane el-Kadi, über den die F.A.Z. berichtet hat. Algerien steht heute an 146. Stelle unter 180 Ländern im RSF World Press Freedom Index, fünf Plätze tiefer als 2019 und 27 tiefer als 2015.

Tunesien beunruhigt uns am meisten, weil da ein Land einen enormen Schritt zurück macht, das 2011 an der Spitze der arabischen Revolution stand. Auch dortige Journalisten verlieren Freiheiten, die sie sich erkämpft hatten, ein Kollege ist gerade zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Welche Bilanz ziehen sie zur algerischen Demokratiebewegung, dem Hirak?

Meine Bilanz ist gemischt. Es war eine großartige Bewegung, die 20 Millionen Menschen große Hoffnung gemacht hat. Covid hat sie zum totalen Stillstand gebracht, aber wir sind ein mutiges Volk, das weiter Hoffnung hat und die Zukunft unseres Landes gestalten wird.

Hat der Hirak auch selbst politische Fehler gemacht?

Sie haben recht, 2019 wollte die Bewegung bewusst keine politischen Führungspersönlichkeiten, weil sie glaubte: Der Hirak, das ist das Volk. Es gab einige bekannte Anführer, die dann auch verhaftet wurden, aber keine Sprecher der Bewegung. Das hat viele Demonstranten enttäuscht, die sich politische Repräsentanten gewünscht hätten. Dazu gehört die Frage, ob sich 2019 nicht auch Kandidaten des Hirak an den Wahlen hätten beteiligen sollen. So blieb es bei einer spontanen Bewegung ohne organisatorisches Rückgrat.

Inhaftiert und verurteilt wurde Drareni wegen „Gefährdung der Integrität des nationalen Territoriums und weil er angeblich keine Lizenz als Korrespondent des französischen TV-5-Kanals hatte. Der Verlust der Freiheit war hart, aber Drareni ist stolz, seine berufliche Ehre verteidigt zu haben – auch schon vor seiner Verhaftung, als man ihm für sein Schweigen sogar eine Wohnung und einen hohen Posten angeboten hatte. Im Gefängnis Koléa saß er zusammen mit Hunderten weiterer politischer Gefangener.

11 Monate Gefängnis steckt man nicht leicht weg. Wenn man draußen ist, glaubt man, da laufe noch der Traum von der Befreiung, den man so oft geträumt hat. Aber als ich vor den Toren des Gefängnisses stand und mich da Dutzende von Freunden empfingen, wusste ich, wie mir die nationale und internationale Unterstützung geholfen hat. So froh ich bin, frei zu sein, weiß ich doch, dass solange auch nur ein einziger Journalist im Gefängnis ist, wir alle im Knast sind.

Wie kann man in einer so prekären Situation in ganz Nordafrika den Job als Repräsentant von RSF in der Region ausüben?

Das ist natürlich nicht einfach, vor allem dort, wo es militärische Konflikte gibt wie in Sudan und in Libyen. Aber es ist eine sehr ehrenvolle Mission, Journalisten zu unterstützen, die dringend unsere Hilfe benötigen.

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