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#Ohne Fragezeichen

„Ohne Fragezeichen“

Über diesen Film wird viel gesprochen werden und manches Richtige gesagt. Preisen wird man die durch ihn geleistete Aktualisierung des Denkens und Schreibens von Anne Frank, bemängeln die von ihm vorgeführte Banalisierung jener Zeichentricksprache, die der israelische Regisseur Ari Folman vor fünfzehn Jahren für seinen hoch­gelobten „Waltz with Bashir“ entwickelt hat. Es dürfte betont werden, dass nur mit einer Stoffvergegenwärtigung, wie „Wo ist Anne Frank“ sie anstrebt, die heutige Jugend erreicht werden kann, und zugleich wirkt die Anbiederung des Films an den Er­wartungs­horizont ebenjener Generation peinlich be­müht.

All diese Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung, doch sie gehen am eigentlich Interessanten von „Wo ist Anne Frank“ vorbei. Denn die wirklich brisanten Fragen sind nicht die, die dieser Film mit dem fragenden Titel ohne Fragezeichen selbst stellt, um sie dann denkbar plakativ zu beantworten. Sondern die, mit denen er uns aus dem Kino entlässt.

Ein Beispiel sei die Thanatisierung der Deutschen statt der sonst im Schoa-Kino üb­lichen Dämonisierung. Wehrmachtsoldaten mit unbewegten weißen Gesichtern gehen in den Rückblenden Streife durch Amsterdam. Das Lebendigste an diesem Besatzungsheer sind seine Hunde. Liegt der Holocaust so lange zurück, dass er ins Mythische entrückt werden muss? Ein Traum von Anne Frank ist es nicht; die sind im Film anders konnotiert.

Das Tagebuch in der Vitrine wird lebendig

Anderes ist ähnlich mysteriös, aber ästhetisch motiviert. Die Artikulation der Besatzer findet über Dienstschreiben statt, aus denen der Tod resultiert. Ganz anders ist das beim achtzig Jahre später in einer Museumsvitrine aufbewahrten Ta­ge­buch der Anne Frank, dessen Handschrift in einer Nacht lebendig wird, als ein Blitz die Glasbedeckung sprengt – Frankenstein lässt grüßen. Aus den Zeilen des 1945 ermordeten jüdischen Mädchens bilden sich geistergleich Linien, die sich zu einer jungen Frau formen: Kitty, Annes imaginäre Freundin aus dem Tagebuch. Niemand hat sie je ge­sehen, Ari Folman zeigt sie uns. Das war der Einfall, der dieses Projekt überhaupt er­möglicht hat.

Vor mittlerweile mehr als zehn Jahren ist der 1963 vom über­lebenden Otto Frank, dem Vater Annes, in Basel ge­gründete Anne Frank Fonds, der die Rechte am Nachlass der Familie innehat und die Einnahmen daraus zu karitativen und wissenschaft­lichen Zwecken verwendet, an den für „Waltz with Bashir“ gefeierten Folman herangetreten, um ihn für eine Trickverfilmung des Tagebuchs zu gewinnen. Eine naheliegende Wahl, denn in seinem Erfolgswerk hatte Folman für eigene Traumatisierungen als Soldat im Libanon-Krieg des Jahres 1982 Bilder gefunden, die sich wie Anne Frank vor der Wirklichkeit ins Phantastische flüchteten, ohne den realen Schrecken je zu verdrängen.

Fokussierung auf Kitty

Doch zu Anne Frank brachte Folman mit seinem wichtigsten Helfer, dem Zeichner David Polonsky, nur eine Comic-Adaption zustande, nachdem er keinen Dreh gefunden hatte, um die be­kannteste Opfergeschichte der Schoa auf der Leinwand neu zu erzählen. Immerhin verfügte er über eine Vielzahl von Figurenentwürfen und ein Story­board, die dann dem Comic zugutekamen. Doch fertig waren Folman und der Anne Frank Fonds mit dem Thema einer Verfilmung nicht.

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