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#Oper und Theater werden sich das Digitale einverleiben

Oper und Theater werden sich das Digitale einverleiben

Tina Lorenz wurde 2020 ans Staatstheater Augsburg als Digitalbeauftragte berufen – eine der ersten Stellen dieser Art in Deutschland. Wir sprachen mit dem ehemaligen Mitglied des Chaos Computer Clubs in Augsburg. F.A.Z.

Das Staatstheater Augsburg ist ein mittleres Haus mit 945 Sitzplätzen für Schauspiel, Oper und Ballett. Warum hat gerade Augsburg die Position einer Digitalbeauftragten eingerichtet?

Bereits vor der Corona-Pandemie hat sich unser Intendant André Bücker intensiv mit der Frage beschäftigt, wie die Spielräume des Digitalen für das Theater nutzbar sind. Wir begannen mit einem Hybrid-Projekt zu Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“; da sollten die Zuschauer die Unterwelt durch das Aufsetzen von Virtual-Reality-Brillen erleben. Dann kam der erste Lockdown, die Oper wurde verschoben. Wir wollten etwas tun, um den Kontakt zum Publikum aufrechtzuerhalten. So entstand das Projekt „VR-at-home“.

Das Theater in Augsburg verschickt in ganz Deutschland VR-Brillen, auf denen jeweils eine spezielle 360-Grad-Produktion aufgespielt ist…

Genau. Man kann die Brille über die Website bestellen. Sie wird dann per Post verschickt, und Sie können sie zwei Tage behalten. Die Brillen enthalten Produktionen, die ganz gezielt für ein 360-Grad-Erlebnis entwickelt und so auch umgesetzt wurden.

Soll also das Theater der Zukunft ein komplett digitales Erlebnis werden?

Nein. Aber das Digitale als Spielort, als Erweiterung des Bühnenraums, das wird fest bei uns im Haus verankert. Wir denken da schon über eine Post-Corona-Zeit nach und wollen uns diesen Spielort weiter erhalten und weiter entwickeln. Eine der ersten Sachen, die ich hier gemacht habe, war, bei der Kulturstiftung des Bundes Fördermittel aus dem Projektfonds „Dive In“ zu beantragen – das ist ein Programm für digitale Interaktion für Kulturinstitutionen. Mit dieser Förderung arbeiten wir daran, Kopräsenz-Projekte zu entwickeln, also gemeinsames Spielen und Erleben im virtuellen Raum. Über die Präsenz hinaus, die Sie in einem 360-Grad-Video in einer VR erleben, geht es darum, das Gefühl zu haben, dabei mit anderen zusammen zu sein. Und das ist ja eines der Merkmale von Theater.

Wenn die Theater wieder öffnen, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Besucherinnen und Besucher weiter zu Hause bei den VR-Brillen bleiben.

Wir versuchen, VR, was momentan eher eine Vereinzelungsmaschine ist, aufzubrechen und zu einem Teil der Theater-Mechanismen zu machen. Wir wollen damit die Theater-Magie ins Digitale übersetzen. Das geht in die Richtung eines hybriden Formates, wie wir es mit „Orfeo et Euridice“ geschaffen haben. Dort wollten wir die Begegnung echter Menschen im realen Raum des Theaters verbinden mit dem Eintauchen in die virtuelle Welt – die Oper spielt ja im realen Theater, während die Szenen in der Unterwelt durch die VR-Brillen erlebt werden. Aber zur Zeit wollen wir die Möglichkeiten der VR nutzen, um überhaupt mit unserem Publikum in Verbindung zu bleiben. Unsere jüngste Premiere, „14 Vorhänge“ von Einar Schleef, haben wir komplett als 360-Grad-Produktion in einem digital gestalteten Raum angelegt. Und da geht es auch um die Frage: Wie spielen wir im virtuellen Raum Theater, ohne ein Theatergebäude nachzubauen.

Weder Digitalisierung noch VR sind neu. Wie kommt es, dass das Theater in Sachen Digitalisierung der freien Wirtschaft so weit hinterherhinkt?

Ich würde jetzt nicht sagen: hinterherhinken. Aber es ist so, dass Theater grundsätzlich auf den Kunstbegriff ausgerichtet ist. Das bedeutet für den Alltag: Der Lappen muss hoch, die Premiere muss stattfinden. Die Verwaltung, der restliche Betrieb ist um diesen sehr eng getakteten Kunstbetrieb herum gebaut. Das Theater muss sich erst mal selbst die Freiräume schaffen, um zum Beispiel in der Verwaltung Abläufe zu digitalisieren oder zu automatisieren.

Das klingt gleich nach Arbeitsplatzvernichtung. Aber Sie haben an anderer Stelle einmal gesagt, Automatisierung sei Mitarbeiterfürsorge.

Ja, total. Denn man kann sich mit Automatisierung auf das Kerngeschäft konzentrieren. Am Theater machen wir noch so viel per Hand. Wir haben ganz viele Prozesse, die einfach mit Fleißarbeit verbunden sind. Die könnten wir automatisieren, damit wir uns um die komplexeren Prozesse kümmern, darum also, wofür wir eigentlich da sind am Theater. Deshalb ist die Automatisierung für mich Mitarbeiterfürsorge.

Nun verbringen wir schon sehr viel Zeit vor Bildschirmen mit digitalen Inhalten. Die Theater, also auch die Opern, erscheinen wie analoge Felsen in einer digitalen Brandung.

Ich glaube, um weiter gesellschaftliche Debatten prägen zu können, müssen wir uns digitale Räume erschließen und mit Kunst füllen. Das lässt sich aus meiner Sicht leicht integrieren in Stückentwicklungsprozesse und in Theaterprozesse. Denn Theater hat ja gezeigt, dass es sich im Lauf seiner Entwicklung alles einverleibt hat, um Geschichten zu erzählen. Jede Art von technologischer Innovation, die Zentralperspektive, Hydraulik, Elektrizität und künstliches Licht, digitale Steuerungen für die Bühne. Und es wird sich auch diese Art, Inhalte zu erstellen, einverleiben und sich damit neue Räume erschließen.

Sind diese Räume nicht schon besetzt, durch Streaming-Dienste und Video-Games?

Was im Gaming passiert, das können wir uns anschauen, aber wir wollen damit nicht konkurrieren, so, wie das Theater auch nie mit dem Film konkurrieren will. Wir haben unseren eigenen Markenkern und der beruht auf diesem Live-Moment, auf diesem gemeinschaftlichen Erleben eines unwiederbringlichen Ereignisses. Ich glaube nicht, dass die Vorstöße in digitale Spielräume das Theater ankratzen können oder ersetzen sollen. Es geht nur darum, einen Raum zu erweitern.

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