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#Ost-Brause statt Coca-Cola

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Ost-Brause statt Coca-Cola

An seine allererste Vita Cola kann sich Dirk Hinkel gut erinnern. Das sei in einer Eisdiele im thüringischen Schmalkalden gewesen, erzählt er, irgendwann Mitte der neunziger Jahre. Wie sie ihm geschmeckt habe? „Anders“, sagt er und lacht. Nicht nur nach Zucker und Koffein, sondern auch nach Zitrus und ein wenig nach Kräutern. „Auf ihre Art erfrischend.“

Falk Heunemann

Dirk Hinkel ist wahrscheinlich immer noch einer von wenigen Westdeutschen, die Vita Cola überhaupt kennen. Er muss es beruflich. Denn der Dreiundfünfzigjährige ist heute geschäftsführender Gesellschafter der Bad Vilbeler Hassia-Gruppe, des viertgrößten Mineralwasserherstellers Deutschlands. „Und Vita Cola ist die umsatzstärkste Marke in der gesamten Gruppe.“ Fast 90 Millionen Liter der Marke verkauft das Unternehmen jedes Jahr, in Ostdeutschland ist Vita Cola mit 15 Prozent Marktanteil die zweitbeliebteste Cola-Marke. In Thüringen ist sie mit 34 Prozent sogar Marktführer, vor Coca-Cola. Dass gibt es nirgendwo sonst auf der Welt – abgesehen von Kuba und Nordkorea, für die ein amerikanisches Handelsembargo gilt, sowie Schottland.

Dabei beginnt die gemeinsame Geschichte von Hassia und Vita Cola mit einer Niederlage. Es ist Februar 1990, Wendezeit. Im Osten stehen 12.000 DDR-Betriebe vor einer ungewissen Zukunft, im Westen brechen ungezählte Unternehmer auf, um sich die lukrativsten Werke und Märkte zu sichern. Einer von ihnen ist Günter Hinkel, Dirk Hinkels Vater und damals geschäftsführender Hassia-Gesellschafter. „Unser erster Anlaufpunkt war ein kleiner Abfüllbetrieb nahe der Grenze“, schreibt er in seinen kürzlich veröffentlichten Erinnerungen. Die Laura-Quelle in Schmalkalden, gut 40 Kilometer nördlich von Bayern und mitten im Thüringer Wald. Das Unternehmen, schildert Hinkel, habe ihn gereizt, weil dort noch kurz vor der Wende ein Neubau geplant worden war und das Baumaterial sogar schon dafür bereitlag. Das gab es nirgendwo sonst im Osten.

Versorgung vor Vermarktung

Doch nach mehreren Gesprächen und einem geschenkten Gabelstapler scheitern die Übernahmeverhandlungen. Betriebsleitung und Betriebsrat stimmen ab. Drei zu vier sei die Abstimmung damals ausgegangen, meint man sich in Schmalkalden zu erinnern, gegen Hassia und für Apollinaris. „The Queen of Table Waters“ – diesen Slogan kannten damals alle in Thüringen aus dem Westfernsehen. Hassia nicht. So orientierte sich Hassia-Chef Hinkel um und investierte in Sachsen, in die Lichtenauer Mineralquellen – bis es 2005 eine zweite Chance gab, sich den Abfüllbetrieb nahe der Grenze, der heute Thüringer Waldquell heißt, zu sichern. Vita Cola inklusive.

Die Vita Cola galt einst als sozialistische Antwort auf die kapitalistische Brause. Nach dem Volksaufstand 1953 hatte die Partei- und Staatsführung den volkseigenen Betrieben aufgegeben, die Versorgung mit Getränken zu verbessern, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu senken. Ein Lebensmitteltechniker im VEB Chemische Fabrik Miltitz bei Leipzig entwickelte daraufhin 1956 den Vita-Grundstoff. Als Sirup wurde er an mehr als 100 kleine Brauereien ausgeliefert, die ihn dann mit örtlichem Wasser verdünnten und abfüllten. Einen einheitlichen Markenauftritt gab es damals nicht, sowohl die Etiketten als auch die Flaschen variierten je nach Abfüller. Die Grundversorgung war damals aber wichtiger als die ideologisch gewollte Zentralisierung. Vita Cola blieb nicht die einzige Ost-Cola. Quick, Club, Asco, Disco, Inter und andere Namen verschwanden jedoch spätestens mit der Wende. Auch für Vita Cola war zunächst Schluss. Der Osten wollte sich von 1990 an erst einmal an der West-Brause satt trinken, die jahrzehntelang unerreichbar war.

1957 kreiert der Lebensmittelchemiker Hans Zinn (Bildmitte) in Leipzig den Grundgeschmack von Vita Cola: Dafür kombinierte er Kolanüsse, Vanille, Koffein und Ascorbinsäure – für den „Zitrus-Kick“, wie er später beworben wurde.


1957 kreiert der Lebensmittelchemiker Hans Zinn (Bildmitte) in Leipzig den Grundgeschmack von Vita Cola: Dafür kombinierte er Kolanüsse, Vanille, Koffein und Ascorbinsäure – für den „Zitrus-Kick“, wie er später beworben wurde.
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Bild: Vita Cola

Die Renaissance begann 1994. In Ostdeutschland besannen sich die Konsumenten auf ihre alten Heimatprodukte. Ein Trend, den viele im Westen als „Ostalgie“ abtaten, während sie es normal fanden, wenn etwa Frankfurter auf Binding-Bier schwören. Da entdeckte Apollinaris – eine Tochter des Brau-und-Brunnen-Konzerns in Dortmund –, dass die Rechte an der einst beliebten Vita Cola der Thüringer Waldquell gehörten. Vier Jahre nach der Wiedervereinigung durften die Schmalkaldener die Produktion wiederaufnehmen, nun mit „Zitrus-Kick“ und einheitlichem Etikett. Es schien sich auszuzahlen, schnell stieg der Absatz auf 50 Millionen Liter im Jahr. Und das, obwohl der Konzern zunächst kaum Marketingbudget bereitstellen wollte.

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