Pawlos ertrank kurz nach seinem Verschwinden

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In der Kleinstadt Weilburg hängen wieder bunte Luftballons. Vor vier Wochen hat man noch gehofft, mit ihnen den sechs Jahre alten Pawlos aus seinem Versteck zu locken. Jetzt hängen sie dort, um Abschied von ihm zu nehmen. Seit dem Abend des Ostersonntag gibt es traurige Gewissheit. Rettungskräfte haben den leblosen Körper eines Kindes aus der Lahn geborgen. Laut Polizei deuten Kleidung und Körpergröße darauf hin, dass es sich um den autistischen Jungen handelt, der am 25. März aus seiner Förderschule weggelaufen war. Zeitweise hatten Hunderte von Einsatzkräften zu Land und zu Wasser nach ihm gesucht.
Die Stelle, an der das Kind geborgen wurde, liegt an einem Bootsverleih im Zentrum der Stadt mit einem kleinen Steg zum Wasser. Am Abend des Ostermontags kommen immer wieder Einwohner ans Ufer. Sie zünden Kerzen an, legen Plüschtiere ab und hängen bunte Ballons auf. Auch ein kleines Osternest liegt dort. „In Gedanken bei dir“ steht auf dem dazugehörigen Schild. Es sind vor allem Familien mit Kindern, die vorbeikommen, um innezuhalten. Wie viele Einwohner der Stadt habe auch sie sich seit dem ersten Tag an der Suche beteiligt, sagt eine blonde Frau: „Man greift nach jedem Strohhalm und hofft, dass man den Jungen findet und das Leid der Eltern beendet.“ Sie hätten jeden Stein umgedreht: „Und dann ist er hier, wo so viel nach ihm gesucht wurde.“
Einsatzkräfte hatten mehrfach Abschnitte der Lahn abgesucht. Bis ein Leichnam aus dem Wasser auftaucht, können Wochen bis Monate vergehen. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, erbrachte die Obduktion keine Hinweise auf eine Straftat oder eine Beteiligung Dritter. Der Bericht der Rechtsmedizin lege nahe, dass sich Pawlos zur Lahn begeben habe und kurze Zeit nach seinem Verschwinden ertrunken ist.

Ein Mann am Ufer fragt sich, wie das Kind einfach so aus der Schule verschwinden konnte. Der Schule könne man keine Vorwürfe machen, entgegnet die blonde Frau. Sie sei selbst Mutter eines autistischen Jungen: „Wenn ich mich einmal kurz umdrehe, ist er weg.“ Sie wünsche sich mehr Unterstützung für Familien und Einrichtungen für psychisch beeinträchtigte Kinder. Allgemein müsse die Gesellschaft besser über Autismus informiert werden. Laut Staatlichem Schulamt hat die Schule nicht gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen.
„Irgendwann wussten wir nicht mehr, wo wir suchen sollen“
Die Stadt sei in großer Trauer, sagt Weilburgs Bürgermeister Johannes Hanisch (CDU). Selbst nachdem die großen Suchaktionen der ersten Tage nachgelassen hätten, habe das Thema die Menschen weiter beschäftigt. Sie hätten Augen und Ohren offen gehalten. Realistisch betrachtet sei die Chance, den Jungen lebend zu finden, immer geringer geworden: „Aber das Herz hat gesagt, wir geben die Suche nicht auf.“ Der Glaube an ein Wunder sei für viele ein Antrieb gewesen.
Obwohl man Pawlos nicht habe retten können, sei die Stimmung von dem Glauben geprägt, „alles Menschenmögliche“ getan zu haben. „Aber am Ende des Tages sind die Grenzen des Menschenmöglichen leider begrenzt“, sagt Hanisch. Pawlos’ Familie werde von mehreren Stellen eng betreut. Es sei wichtig, dass das Kind gefunden worden sei und nicht verschollen bleibe. Über Pawlos’ Verbleib traurige Gewissheit zu haben, sei wichtig für den Trauerprozess. In diesen schweren Stunden könne die Stadt nicht mehr tun, als für die Familie da zu sein und ihr den nötigen Raum zu geben, sagt Hanisch.
„Wie sich die Familie fühlt, kann sich niemand vorstellen“, sagt eine Mutter bei der Andachtsstelle. Auch sie habe sich an der Suche beteiligt. „Wenn uns so etwas Schlimmes passieren würde, wären wir auch froh, wenn man uns hilft“, sagt sie. Noch nie habe sie so viele Menschen in Weilburg gesehen wie in der Anfangszeit der Suche nach Pawlos. „Irgendwann wussten wir einfach nicht mehr, wo wir suchen sollen“, sagt sie.
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