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#Im Zustand der Belagerung

„Im Zustand der Belagerung“

Wohl niemand hätte gedacht, dass ukrainische Künstler wie auch der Rest der Bevölkerung zum zweiten Mal in nicht einmal hundert Jahren um ihr Leben fürchten und teils in den Untergrund gehen müssen, ihnen eine eigene Kultur abgesprochen wird, ihre Werke in den Museen des Landes und in den Ateliers durch Bombenattacken verkohlen. Trotz alledem entsteht in Kiew, Charkiw und Lemberg weiterhin unter widrigsten Umständen Kunst, auch und gerade, um den Wahnsinn zu verarbeiten und zu überleben.

Diese tragische Wiederholung von Ge­schichte ist auch der Grund für ein leichtes Unbehagen gegen den Titel der nun in der Frankfurter Schirn eröffneten Ausstellung „Kunst für Keinen. 1933–1945“, die einen erstaunlich weiten Überblick zu den während des Nationalsozialismus im Land ge­bliebenen Künstlern gibt. Denn obgleich die entstandenen Arbeiten ohne offizielles Publikum blieben, entstand die Kunst doch immer mindestens für Einen, nämlich den Künstler selbst, oft auch für einen klandestin kleinen Kreis Gleichgesinnter. Was übertragbar ist, sind die sehr unterschiedlichen Reaktionen auf den Irrsinn von Diktatoren und Krieg, die in der Schirn anhand von vierzehn äußerst heterogenen Biographien weiblicher wie männlicher Künstler von Otto Dix, Karl Hofer und Werner Heldt bis zu Hannah Höch, Marta Hoepffner oder Lea Grundig aufzeigt werden. Die einen produzierten im sogenannten „Inneren Exil“ mehr denn je, die anderen konnten sich kaum mehr motivieren, eine große Leinwand pro Halbjahr zu füllen, und selbst derartig kleine Produktionen wurden oft in den letzten Kriegsjahren durch Bombardierung der Studios zerstört.

Ganze Œuvres wurden im Krieg zu Asche pulverisiert

Einige wie Fritz Winter malten selbst an der Front weiter, manche hingegen ergatterten kaum mehr Farben und Leinwand für ein einziges Bild. Die einen trugen schwerste psychische Schäden aus der unfreiwilligen Isolation davon, andere konnten sich wie die Grundigs als unzertrennliches Ehepaar aneinander hochziehen, so dass sie gleich nach dem Krieg weitermalen und wie im Fall von Hans Grundig als Rektor der Dresdner Hochschule für Bildende Künste ab 1946 ihr Können an Schüler weiterzugeben vermochten.

Lehrte schon die Stuttgarter Ausstellung „Das Kunstmuseum im Nationalsozialismus“ (F.A.Z. vom 11. August 2020), dass es in Bezug auf Künstlerverhalten im Ausnahmezustand kein Schwarz-Weiß gibt, sind erst recht in die Lebensläufe der Unangepassten von „Kunst für Keinen“ so viele Facetten eingeschliffen, dass nur noch ein zersplittertes Kaleidoskop zu erkennen ist. Ein Zickzacklauf aus vierzehn je einem Künstler gewidmeten Räumen bildet diesen Slalom durch die Wirren des Nazireichs ab. Während sich manche verfemte Maler im Auge des Taifuns unter den gegebenen Umständen überraschend viel Freiheit nehmen können, stehen andere unter ständiger Überwachung und dem Psychoterror ebenso zermürbender wie willkürlicher Kontrollen: Selbst ein späterer Staatsbildhauer wie Arno Breker muss sich in den Anfangsjahren der Diktatur für sein Frühwerk und die Parteinahme für Picasso rechtfertigen. Unter dem enormen äußeren Druck zerbrechen Verbindungen: Ernst Wilhelm Nay etwa wendet sich in dieser Zeit von seinem Lehrer Karl Hofer ab und malt die ersten seiner berühmten Augenbilder, deren starrende Augäpfel angesichts der frühen Entstehungszeit eine besondere existenzielle Dringlichkeit erhalten.

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