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#Mega-Strahlenausbruch eines Magnetars

Was flutete im vergangenen November die nahegelegene Galaxie M82 mit intensiver Gammastrahlung? Nachforschungen eines Astronomenteams haben nun zu einer interessanten Antwort geführt: Der starke Strahlenausbruch ist auf einen Mega-Flare eines extrem magnetischen Neutronensterns zurückführen – eines Magnetars. Eine sofort nach dem Gammastrahlen-Blitz eingeleitete Untersuchung des Ursprungsbereichs hat diese Schlussfolgerung ermöglicht, berichten die Forschenden.

Bei einigen astronomische Forschungsfragen ist zunächst ein weiter statt ein fokussierter Blick ins All nötig: Der breitangelegten Suche nach Gammastrahlen-Quellen im Universum ist dabei der Satellit INTEGRAL der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gewidmet. Das Spektrometer des Weltraumteleskops erfasst die hochenergetische Photonen-Strahlung und ermöglicht anschließend eine Lokalisierung ihres kosmischen Ursprungs. Wie das internationale Forschungsteam um Sandro Mereghetti vom Nationalen Institut für Astrophysik in Mailand berichtet, ist INTEGRAL am 15. November 2023 ein besonders spannendes Signal ins Netz gegangen: ein starker Gammastrahlen-Ausbruch, der nur einen Bruchteil einer Sekunde andauerte. Das System informierte daraufhin automatisch die an der INTEGRAL-Überwachung beteiligten Astronomen.

Durch die automatische Datenverarbeitung konnte der Ursprung des Signals schnell lokalisiert werden: Es stammte demnach aus der etwa zwölf Millionen Lichtjahre von uns entfernten Galaxie M82. “Uns war sofort klar, dass dies ein besonderer Fall ist”, sagt Mereghetti. So ergriffen er und seine Kollegen zusätzliche Maßnahmen, um den Ursprung des Gammastrahlen-Ausbruchs zu klären. Auf Anfrage des Teams wurden weitere astronomische Werkzeuge eingesetzt, um so schnell wie möglich Folgebeobachtungen der Region des Ereignisses durchführen zu können. Eine Möglichkeit bestand darin, dass die Strahlung auf die Kollision von zwei Neutronensternen zurückzuführen war. In diesem Fall wären Gravitationswellen nachweisbar gewesen und ein Nachleuchten im Röntgen- und im sichtbaren Licht hätte sich im Ursprungsbereich abzeichnen müssen, erklären die Forschenden.

Fehlende Beobachtungen verweisen auf besonderen Ursprung

Doch die Folgebeobachtungen zeigten nichts dergleichen: Die Gravitationswellen-Detektoren LIGO, VIRGO und KAGRA zeichneten keine Signale auf und auch Beobachtungen durch das Röntgen-Weltraumteleskop XMM-Newton der ESA blieben ohne Resultat. Im sichtbaren Wellenlängenbereich gab es ebenfalls nichts zu verzeichnen: Die bodengestützten optischen Teleskope, die nur wenige Stunden nach dem Signal zu suchen begannen, konnten kein Nachglühen in der M82-Galaxie identifizieren. Doch wie die Forschenden erklären, wurde das Fehlen der Beobachtungen zum Hinweis: Es ließ sich eine besondere Ursache des Gammastrahlen-Ausbruchs ableiten. Die plausibelste Erklärung ist demnach, dass das Signal nicht von einer Kollision, sondern von der Aktivität eines sogenannten Magnetars stammt. Es handelt sich bei diesen Himmelskörpern um Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern, die sich in der Milchstraße bereits in seltenen Fällen als extrem starke Gammastrahlen-Quellen bemerkbar gemacht haben.

Dazu erklärt Co-Autor Volodymyr Savchenko von der Universität Genf: “Neutronensterne können nach der Supernova-Explosion von Sternen mit mehr als dem Achtfachen der Sonnen-Masse entstehen. Es handelt sich um sehr kompakte Überreste des Sternmaterials, die schnell rotieren und sehr starke Magnetfelder entwickeln”. Bei einigen – wahrscheinlich jungen Neutronensternen – sind sie allerdings mehr als 10.000 Mal so stark wie bei typischen Neutronensternen. Diese Exemplare werden deshalb als Magnetare bezeichnet. Von ihnen ist auch bekannt, dass sie besonders intensiv zu Eruptionen neigen: Bei sogenannten Flares geben sie enorme Energiemengen in Form von Strahlung ab.

Mega-Flare eines extragalaktischen Magnetars

Es wurden bereits drei außergewöhnlich starke Ausbrüche von Magnetaren in unserer Galaxie verzeichnet. Ein Gammastrahlen-Blitz erreichte uns dabei im Dezember 2004 aus einer Entfernung von 30.000 Lichtjahren. Die Photonen-Strahlung war so intensiv, dass sie die oberen Schichten der Erdatmosphäre beeinflussen konnte – ähnlich wie es bei der Strahlung durch die relativ nahen Sonneneruptionen vorkommt. Der von INTEGRAL entdeckte Gammastrahlen-Ausbruch stellt nun die erste sichere Bestätigung eines Magnetar-Flares außerhalb der Milchstraße dar, sagen die Forschenden.

Interessant ist dabei auch: Bei M82 handelt es sich um eine besonders helle Galaxie, in der es zu intensiven stellaren Entwicklungsprozessen kommt: Dort werden massereiche Sterne geboren, die ein kurzes, turbulentes Leben führen und dann Neutronensterne zurücklassen können. “Die Spur des Magnetars in dieser Region untermauert nun die Annahme, dass es sich bei diesen Versionen wahrscheinlich um junge Neutronensterne handelt”, sagt Savchenko.

Abschließend betonen die Forschenden erneut die Bedeutung der schnellen Informationsweiterleitung bei ihrer Entdeckung: Hätten die Beobachtungen auch nur einen Tag später stattgefunden, wäre der Nachweis der besonderen Quelle der Strahlung demnach nicht eindeutig gewesen. “Unser automatisches Datenverarbeitungssystem ermöglicht es uns, die Forschungsgemeinschaft sofort zu alarmieren”, sagt Co-Autor Carlo Ferrigno von der Universität Genf. So hofft das Forschungsteam nun auch auf weitere Hinweise auf Magnetare in extragalaktischen Sternentstehungsgebieten mithilfe von INTEGRAL. So könnte sich etwa zeigen, wie häufig die Mega-Flares auftreten und inwieweit die speziellen Neutronensterne dabei Energie verlieren.

Quelle: University of Geneva, Fachartikel: Nature, 10.1038/s41586-024-07285-4

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