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#„Pille danach“ gegen Geschlechtskrankheiten

Bakterielle sexuell übertragbare Krankheiten wie Syphilis, Tripper oder Chlamydien sind in Deutschland insbesondere in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, nach wie vor stark verbreitet. Oft verlaufen die Infektionen asymptomatisch und werden daher gar nicht erst behandelt – was nicht nur zu ernsten Folgen für die Betroffenen führen kann, sondern auch die Weitergabe dieser Krankheiten fördert.

Sibylle Anderl

Redakteurin im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

2018 gab eine deutschlandweite Studie unter 2303 schwulen Männern einen Eindruck über das Ausmaß des Problems. Innerhalb des Studienzeitraums zwischen Februar und Juli 2018 hatte sich demnach knapp jeder dritte der regelmäßig Getesteten mit mindestens einer der untersuchten sexuell übertragenen Krankheiten (STI) infiziert. Insbesondere war das unter denjenigen Personen der Fall, die gleichzeitig eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) gegen das humane Immundefizienzvirus (HIV) einnahmen und die daher vermutlich auf die Verwendung eines Kondoms verzichten.

Die Entwicklung einer „Pille danach“, die eine Ansteckung verhindern könnte, wäre daher ein wichtiger Schritt. Eine aktuelle Studie, die im renommierten „New England Journal of Medicine“ publiziert wurde, könnte nun genau so eine Pille liefern. Vorgestellt wird dort ein Antibiotikum, das innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Sex ohne Kondom eingenommen werden soll. Die Wissenschaftler testeten das Medikament in einer randomisierten Studie mit 501 Studienteilnehmern, bei denen es sich um MSM und Transfrauen handelte, die eine PrEP einnahmen oder mit einer HIV-Infektion lebten. Die Teilnehmer hatten zudem innerhalb des Jahres vor Studieneinschluss eine Infektion mit Gonokokken, Chlamydia trachomatis oder Syphilis.

Deutlich weniger Ansteckungen

Die Probanden wurden im Verhältnis 2:1 für die Einnahme von 200 Milligramm Doxycyclin (Doxycyclin-Postexpositionsprophylaxe, DoxyPEP) innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Sex oder für die Standardbehandlung ohne Doxycyclin eingeteilt und vierteljährlich auf Syphilis, Tripper und Chlamydien getestet. Das Ergebnis der Studie ist ermutigend: In der Gruppe, die Doxycyclin einnahm, konnte die Zahl der Ansteckungen mit Syphilis, Tripper oder Chlamydien im Vergleich zur Kontrollgruppe um zwei Drittel vermindert werden.

„Die Daten zeigen, dass die Anwendung von DoxyPEP als einmalige Gabe nach einem Hochrisikokontakt in dieser Patientengruppe effektiv zu sein scheint“, sagte Georg Stary von der Medizinischen Universität Wien gegenüber dem deutschen Science Media Center. „Man weiß, dass Patienten, die eine HIV-PrEP nehmen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen, häufig ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und sich ein Teil davon mit vielen sexuell übertragbaren Erregern ansteckt. Bei dieser speziellen Subgruppe scheint die Anwendung als Prophylaxe einen hohen Vorteil zu bieten.“ Wenn dadurch Ansteckungen vermieden werden könnten, sei dies unter Umständen auch für diejenigen ein Schutz, die das Medikament nicht einnehmen.

Durchschnittlich nahmen die Versuchsteilnehmer die Pille vier Mal pro Monat ein, jeder vierte wandte sie sogar zehn Mal oder häufiger an – was allerdings auch das Risiko für das Auftreten von Antibiotika-Resistenzen erhöht. Der unkritische Einsatz von antimikrobiellen Substanzen sei schließlich für solche Resistenzen und das Auftreten von Problemkeimen mitverantwortlich, gab der Infektiologe Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München zu bedenken. „Für die Übersetzung der klinischen Studienergebnisse in den medizinischen Alltag braucht es daher dringend auch entsprechende Leitlinien und Empfehlungen für Patientinnen und Patienten und Ärzte und Ärztinnen – insbesondere auch in welchen Konstellationen und Zielgruppen der Einsatz denkbar sein könnte.“

Ist die Studie auf Deutschland übertragbar?

Bestehende Resistenzen könnten ohnehin eine Übertragbarkeit der amerikanischen Studienergebnisse auf Deutschland erschweren. „Bedeutsam ist, dass die Resistenzraten für Gonokokken in den USA bezüglich Doxycyclin mit etwa 25 Prozent deutlich geringer sind als in Europa mit etwa 60 bis 70 Prozent und in Deutschland mit nahezu 80 Prozent“, sagte Norbert Brockmeyer, Vorsitzender der Deutschen-STI-Gesellschaft.

In der EU könne daher nur noch mit einer Verringerung der Infektionen bei Chlamydien und Syphilis gerechnet werden. Zudem seien eine deutliche Veränderung des Mikrobioms zu erwarten sowie vermehrte Nebenwirkungen bei längerer Anwendung – etwa unerwünschte Wirkungen auf die Fruchtbarkeit und Entzündungsreaktion.

Auch Georg Stary, der in Wien die Forschungsgruppe „Translational Immunology in Mucosa and Skin (TIMS)“ leitet, ist skeptisch. Es sei zu betonen, dass die Anwendung nicht generell empfohlen werden könne. „Eine Empfehlung wäre – wenn überhaupt – nur für eine selektive Gruppe sinnvoll, und auch da ist das mit den Resistenzen ein Problem, welches sehr ernst genommen werden muss.“

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