#Populisten machen Stimmung gegen afrikanische Migranten in Sfax
Vor dem Amtssitz des Gouverneurs kommt kein Auto mehr durch. Die Demonstranten haben kleine rote Nationalflaggen mitgebracht. „Gebt uns Sfax zurück“ lautete der Aufruf, und Hunderte sind gekommen. „Wir sind keine Rassisten, aber unsere eigene Sicherheit hat Vorrang“, steht auf den Schildern, die sie während der Protestkundgebung in der zweitgrößten Stadt Tunesiens in die Höhe halten. „Keine Ansiedlung, Tunesien für die Tunesier“, rufen einige, andere fordern, die tunesischen Grenzen gegen „Eindringlinge“ abzuriegeln.
Gemeint sind die afrikanischen Migranten in der Hafenstadt: Früher seien es wenige Hundert gewesen, jetzt viele Tausend, berichten sie den Radioreportern. Gewalt, Kriminalität und ansteckende Krankheiten hätten zugenommen. Von Tuberkulose und Aids ist die Rede. In den Tagen nach der Demonstration kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Einheimischen und Migranten, die Sicherheitskräfte fangen an, gegen die Migranten durchzugreifen.
Der Handel und sein Hafen haben Sfax wohlhabend gemacht. Von dort bringen die Schiffe Olivenöl, Fisch und Phosphat in alle Welt. Doch seit gut einem Jahr sticht von den Stränden der Hafenstadt nach Einbruch der Dunkelheit eine neue Armada in See. Keiner kann genau sagen, wie viele kleine Boote sich schon nach Italien aufgemacht haben, das nur 150 Kilometer von der geschützten Bucht entfernt liegt. Aus keinem anderen Ort in Afrika brechen momentan mehr Migranten zu ihrem lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer auf. „Sfax: Hauptstadt der illegalen Migranten aus Subsahara-Afrika“, titelte am Tag nach der Demonstration die tunesische Zeitung „Achourouk“.
Mehr als 64.000 Migranten und Flüchtlinge landeten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in diesem Jahr schon in Italien – doppelt so viele wie im ersten Halbjahr 2022. Fast 34.000 von ihnen fuhren in Tunesien los, 28.000 in Libyen, der Rest in Algerien und der Türkei. Die Menschen stammen zu 90 Prozent aus fast allen Kriegs- und Krisenstaaten südlich der Sahara, zuletzt immer mehr aus Sudan, Mali, der Elfenbeinküste. In Sfax warten sie auf ein Boot für ihre letzte Etappe – oft monatelang. Aber immer mehr Einwohner haben genug von ihnen, fühlen sich bedroht.
Tunesische Demonstranten protestieren in der vergangenen Woche in Sfax gegen Migranten aus der südlichen Sahara, die darauf hoffen, von Tunesien aus Richtung Europa zu gelangen.
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Bild: AFP
Abir Moussi will, dass die Migranten gar nicht kommen oder so schnell wie möglich wieder verschwinden. Die Vorsitzende der nationalistischen PDL-Partei erhält für ihre Rede vor dem Amtssitz des Gouverneurs viel Beifall. „Tunesien ist kein Land für irreguläre Migranten. Jedes Diktat der Europäischen Union ist inakzeptabel“, ruft die Politikerin, die gerne drastische Worte wählt. Europäische Rechtspopulisten sind ihr Vorbild. Die Anwältin mit der Baseballkappe möchte Tunesien wieder stark machen und verklärt die Zeit unter dem Diktator Ben Ali. Ihre Brandrede gilt nicht nur den Afrikanern in Sfax, sondern genauso der EU im fernen Brüssel – und besonders einer anderen Rechtspopulistin.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni würde lieber heute als morgen damit beginnen, die ersten Migranten nach Tunesien zurückzuschicken, die auf Lampedusa und an den anderen italienischen Küsten gelandet sind. Seit Wochen arbeitete sie daran, ihre europäischen Kollegen für einen neuen Flüchtlingsdeal zu gewinnen.
In Brüssel schafften es die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel aber noch nicht, das Memorandum über einen neuen „umfassenden Partnerschaftspakt“ abschließend zu billigen; Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ihn bei ihrem jüngsten Besuch in Tunis angeboten. Die EU will das hoch verschuldete Tunesien, das am Rand des Bankrotts steht, mit Hunderten Millionen Euro unterstützen, wenn es im Gegenzug beim Kampf gegen die irreguläre Migration stärker kooperiert.
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