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#Propaganda war nie so schön wie im Mittelalter

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Propaganda war nie so schön wie im Mittelalter

Versprochen ist versprochen, und um aus einem nicht eingehaltenen Versprechen ohne Ehrverlust herauszukommen, muss schon einiges passieren. Was aber, wenn man gar nicht so genau weiß, worum es in der Sache eigentlich ging? Wenn etwa ein junger Adliger, ein enger Vertrauter des englischen Königs, den Kanal Richtung Frankreich überquert und dann dem Herzog der Normandie einen feierlichen Eid leistet, die Hände zur Bekräftigung auf einem Reliquienschrein – aber der Inhalt des Eids im Dunkeln bleibt?

Tilman Spreckelsen

Die Szene findet sich auf dem unvergleichlichen Teppich von Bayeux, einer heute noch knapp siebzig Meter langen Abfolge von bestickten Stoffbahnen, die in 58 kleinen Kapiteln ein äußerst folgenreiches Ereignis des späten elften Jahrhunderts schildert, die Eroberung der britischen Insel durch normannische Invasoren. Alles dort war hernach anders, von den radikal umgeworfenen Besitzverhältnissen bis hin zur Sprache.

Norwegen als Störenfried

Der Teppich, entstanden bald nach der Machtübernahme durch den Normannenherrscher Wilhelm mit dem sprechenden Beinamen „der Eroberer“ (ein früherer, „der Bastard“, geriet darüber in Vergessenheit), zeichnet das nach: Von der Reise des Angelsachsen Harold 1064 bis zu dessen Niederlage in der Schlacht von Hastings im Jahr 1066. Die Krönung des siegreichen Wilhelm aber fehlt, die Teppicherzählung bricht vorher ab. Ein größerer Komplex aus der Vorgeschichte der Schlacht fehlt allerdings auch. Denn Harold, der nach dem Tod des alten Königs Edward, genannt „der Bekenner“, im Januar 1066 zu dessen Nachfolger wurde, hatte sich in den folgenden Monaten nicht nur mit den Normannen herumzuschlagen, sondern vor allem mit dem norwegischen König Harald, der im September 1066 im Norden Englands einfiel und vom herbeigeeilten Heer des neuen englischen Königs bei York geschlagen wurde.

Ob Wilhelm ohne diese Strapazen seines Gegners die Schlacht bei Hastings im Oktober ebenso gewonnen hätte, ist eine Frage, die der Teppich nicht einmal anklingen lässt.

Edward der Bekenner hatte, was die Regelung seiner Naschfolge als englischer König angeht, keine glückliche Hand.


Edward der Bekenner hatte, was die Regelung seiner Naschfolge als englischer König angeht, keine glückliche Hand.
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Bild: Picture-Alliance

Umso spannender ist die bis heute unbeantwortete Frage, wer das Mammutwerk herstellen ließ und zu welchem Zweck. Pierre Bouet und François Neveux, die Autoren des prächtigen Bandes „Der Teppich von Bayeux. Ein mittelalterliches Meisterwerk“, der vor drei Jahren im Theiss Verlag der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienen ist, vermuten darin gar ein Werk, das die Versöhnung zwischen den Eroberern und den Unterworfenen befördern sollte, bevor sich das Klima zwischen ihnen Ende des elften Jahrhunderts deutlich verschlechterte. Diese Versöhnung stand allerdings unter der Prämisse, dass Wilhelms Anspruch auf die Krone rechtmäßig sei, schließlich sei Harold von dem kinderlosen König Edward zur Verkündigung dieser Erbfolge in die Normandie geschickt worden. Und habe ihm ja auch einen Eid geschworen, in dem er ihn als Herrscher anerkenne.

Auch Emmanuel Macron hat etwas versprochen: Der kostbare Teppich, nachweislich seit 1476 in Bayeux verwahrt, solle nach England ausgeliehen werden, hatte er 2018 der damaligen britischen Premierministerin Theresa May verheißen. Nun, nach einer gründlichen Untersuchung der Textilie, stellten sich so viele Schäden heraus, dass Antoine Verney, der Chefkurator des Museumsverbundes von Bayeux, einen Transport für ganz unmöglich hält. Die Rede ist von 24204 Flecken, 16.445 Falten, 30 Rissen und 9646 Lücken.

Eine Restaurierung des zugehörigen Museums ist längst geplant, die des Teppichs dürfte äußerst aufwendig sein. Dass die Kosten, die auf etwa zwei Millionen Euro geschätzt werden, tatsächlich wie von französischer Seite gefordert von den britischen Entleihern übernommen werden, ist mit den Bedenken, den Teppich überhaupt zu bewegen, vom Tisch. Manchmal gibt es gute Gründe, einen Eid nicht zu halten.

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