Nachrichten

#Putins Pannen-Show

„Putins Pannen-Show“

Es kommt nicht oft vor, dass die russische Führung die Massen in das Moskauer Luschniki-Stadion lädt. Dorthin, wo auch Schlüsselspiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 stattfanden, werden Russen mit Fahnen in der Hand gebracht, wenn es gilt, vor Staatsfernsehpublikum Begeisterung für Präsident Wladimir Putin zu inszenieren. So war es etwa vor der Präsidentenwahl 2018, die auf den vierten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Krim gelegt worden war; so ist es auch an diesem Freitag, zum achten Jahrestag des Anschlusses, als Zehntausende ein „Demonstrations-Konzert“ im Stadion besuchen. Es wird allerdings eine Show, die vor allem Fragen aufwirft.

Schon lange vor Beginn schwenken die Leute im Stadion ihre Trikoloren hin und her, wenn die Kameras auf sie gerichtet sind. Gezeigt werden junge Männer, die ihre Unterstützung für „unsere Soldaten“ und Putins „militärische Spezialoperation“ bekunden, wie der Krieg gegen die Ukraine genannt wird. In Berichten des Senders „Rossija 1“, die angeblich von der russisch-ukrainischen Grenze stammen, wird erzählt, die Ukrainer beschössen Charkiw, die seit drei Wochen von den russischen Streitkräften belagerte, zweitgrößte ukrainische Stadt, selbst.

Bilder aus Charkiw gibt es nicht zu sehen

Bilder von dort, die Zerstörungen und Opfer dokumentieren, bekommen die Zuschauer nicht zu sehen, stattdessen solche eines angeblichen Hubschrauberangriffs. Trotz Beschusses und Notlandung sei kein russischer Soldat verletzt worden, wird versichert. Vermeldet werden auch heldenhafte „Befreiungen“ ukrainischer Siedlungen von „nationalistischen Bataillonen“. In einer Talkshow, die auf Putins Show einstimmt, wird auf ukrainische „Nazis“ geschimpft sowie auf russische „Nationalverräter“, die nun das Land verlassen hätten, was die „Reinigung der Gesellschaft“ fördere; ebensolche Worte hat Putin am Mittwoch verwendet.

Aber auch Freude soll vermittelt werden. Im Stadion werden Leute vom Fernsehen vor Beginn nach ihrer Haltung zur Krim befragt. „Im Sommer nur auf die Krim“, frohlockt eine junge Frau. Außerdem erzählt das Fernsehen, just zum Jahrestag sei die „Wasser-Blockade“ der Krim aufgehoben worden. Nach der Annexion hatte Kiew die Versorgung der Halbinsel mit Wasser aus dem Dnjepr durch den Nord-Krim-Kanal gekappt. Bewohner bohrten Brunnen, der Grundwasserspiegel sank. Jetzt soll das Wasser wieder fließen. Aber Belegbilder fehlen.

Den Boden „von Nazi-Menschen befreien“

Dann wird die Feier im Stadion gezeigt – und die davor, denn auch um das große Rund sind Leute versammelt worden, unter ihnen Männer in Soldatenuniform. Vor Kurzem sind in Moskau sämtliche Pandemie-Einschränkungen gefallen, schon zuvor waren Infektionsschutzmaßnahmen bei Kreml-Veranstaltungen allerdings kein Muss.

Das Moderatorenpaar, Mann und Frau, trägt das „Z“, das Symbol für Putins „Spezialoperation“, sagt Sätze wie „Unsere Helden heute sind die, die unsere Heimat vor dem Nazismus schützen“ oder „Wir sind unbesiegbar“. Slogans auf der Bühne lauten „Für eine Welt ohne Nazismus“ und „Für Russland“, wieder unter Verwendung des „Z“, entsprechende Fahnen werden geschwenkt. Redner beschwören die Opfer des Zweiten Weltkriegs und einen ewigen Feldzug des Westens gegen Russland. Man werde Russen, Belarussen und Ukrainer vereinen, sagt ein Sänger und Duma-Abgeordneter, „mit Gottes Hilfe werden wir siegen“. Ein als Donbass-Kämpfer eingeführter Mann gelobt, man werde „unseren Boden von Nazi-Menschen befreien“.

F.A.Z. Newsletter Ukraine

Täglich um 12.00 Uhr

ANMELDEN


Dann kommt patriotische Musik, mit Zeilen wie „Ich bin in der UdSSR geboren, gemacht in der UdSSR“ und ein Auftritt der Gruppe „Ljube“, die Putin angeblich schätzt. Dann wird für den Präsidenten gejubelt, und kurz ist unklar, ob er ins Stadion kommt oder eine Videobotschaft gezeigt wird; denn Putin begibt sich nur ungern unter Menschen, so viele zumal. Aber er tritt, das zeigen jedenfalls Fernsehbilder, auf die Bühne. Sein heller Rollkragenpullover und der dicke Daunenmantel wirken etwas zu warm für sechs Grad und Sonnenschein. Putin erinnert an die Annexion der Krim, beglückwünscht die Bewohner der Halbinsel, zieht eine Linie von den Krim-Bewohnern, die 2014 erfolgreich „Neonazis“ gestoppt hätten, zu denen „des Donbass“, die jetzt einen „Genozid“ stoppen wollten, wozu die „Militäroperation, die wir im Donbass und in der Ukraine begonnen haben“, hauptsächlich diene.

Putin lässt die Menge jubeln für die „Jungs“, die gerade „heldenhaft kämpfen“. Er beschwört Werte des Christentums, die besonders für „unser Volk“ wichtig seien, preist Opfertum. „So eine Einheit hatten wir lange nicht mehr!“, ruft Putin. Dann bricht die Übertragung plötzlich ab, springt bei „Rossija 1“ zurück auf ein Lied, das zu Beginn dargeboten wurde, dann auf ein anderes, und, nach etwas mehr Jubel, zurück zur Talkshow, die der Ukraine Gräuel am eigenen Volk zuweist. „Rossija 1“ schaltet noch einmal kurz ins Stadion, aber da ist jetzt eine Schlagersängerin zu sehen – und Putin verschwunden.

Ein Hacker-Angriff?

Sollte ein Hacker-Angriff den Auftritt gestört haben? Putins Sprecher gibt rasch einem „technischen Versagen am Server“ die Schuld. Manchen Social-Media-Nutzer erinnert der seltsame Moment gar an die Musik des Balletts „Schwanensee“, das während des Umsturzversuchs 1991 in Dauerschleife im Rundfunk lief. Der kremltreue Telegram-Kanal „Mash“ zeigt dann schnell das Ende von Putins Auftritt, wohl gefilmt aus dem Publikum: Diese Perspektive offenbart einen etliche Meter breiten Sicherheitsabstand zwischen Publikum und Bühne. Laut den Bildern beschwört Putin nach der „Einheit“ noch den Ruhm Russlands.

Dass die Übertragung abbrach, führt der Sender auf „irgendetwas“ zurück, versichert aber, „alles ist in Ordnung, der Präsident hat die Rede beendet, sich verabschiedet und ist weggegangen“. Bald werden die insgesamt sechs Minuten des Auftritts auch im Staatsfernsehen gezeigt, wie zum Beweis, dass wirklich alles „in Ordnung“ sei. Die Massen aus dem Luschniki-Stadion strömen da schon nach Hause.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!