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#Putins Weg in die Repression

Putins Weg in die Repression

Der russische Fernsehsender NTW ist bekannt dafür, dass er sogar für russische Verhältnisse einen besonders aggressiven Ton gegen in- und ausländische Gegner von Präsident Wladimir Putin anschlägt. Ganz zu Beginn von dessen Herrschaft war das völlig anders. NTW berichtete damals kritisch über den Krieg in Tschetschenien, den Putin im Sommer 1999 begonnen hatte, kaum war er Ministerpräsident geworden. NTW sendete Recherchen über Korruption im Inlandsgeheimdienst FSB, den Putin geleitet hatte, bevor er Regierungschef wurde; und in Satiresendungen wurde Putin mit beißendem Spott übergossen. Die Quittung dafür ließ er gleich nach seiner Amtseinführung als Präsident im Mai 2000 präsentieren: Das Hauptquartier des Senders wurde von bewaffneten Sicherheitskräften durchsucht. Die Razzia war der Auftakt zur schrittweisen Übernahme von NTW durch den Staatskonzern Gazprom. Nach einem Jahr war der Sender auf Linie gebracht.

Wladimir Putin hat schon in den ersten Tagen seiner Herrschaft damit begonnen, ein autoritäres Regime zu errichten. Repressionen gegen Gegner und Kritiker gehörten von Anfang an dazu. Aber in diesen Tagen verändert sich der Charakter der Unterdrückung in Russland auf dramatische Weise. Bisher unternahmen die Machthaber noch keine Anstrengungen, kritisches Engagement ganz zu unterbinden, sie duldeten die Nischen, in denen es stattfand. Mit der Verfolgung der Organisationen Alexej Nawalnyjs als „extremistisch“ und der Einstufung des Online-Mediums Meduza als „ausländischer Agent“ wird das anders: Die größte oppositionelle Bewegung und eines der wichtigsten unabhängigen Nachrichtenportale sollen so zum Schweigen gebracht werden.

Zwei Ereignisse sind zentral

Die Freiräume für kritische Medien, Zivilgesellschaft und Opposition sind in Russland in den vergangenen zwanzig Jahren stetig kleiner geworden. Das war ein langsam schleichender Prozess. In den ersten zehn Jahren von Putins Herrschaft war die russische Gesellschaft noch ziemlich frei. Der Kreml begnügte sich damit, die landesweit zu sehenden Fernsehsender und die größten Boulevardblätter unter seiner Kontrolle zu haben, ließ kritische Medien aber ansonsten gewähren. Den Oligarchen, die theoretisch die wirtschaftlichen Mittel gehabt hätten, Putin gefährlich zu werden, führte er mit der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos und dem Schauprozess gegen dessen Gründer Michail Chodorkowskij vor, welche Folgen Kritik haben konnte. Die demokratische Zivilgesellschaft aber blieb in dem Teil der russischen Gesellschaft, den sie erreichte, fast unbehelligt.

Zwei Ereignisse führten dazu, dass sich das langsam zu ändern begann: die orange Revolution in der Ukraine Ende 2004, in der Putin einen vom Westen organisierten Umsturz sah, und Proteste gegen die Kürzung von Sozialleistungen, die Anfang 2005 ganz Russland erfassten. Darauf reagierte der Kreml mit einem Gesetz, das den Behörden mit schwammig formulierten Gründen theoretisch die Auflösung von Nichtregierungsorganisationen erlaubte, und einer gleichzeitigen Kampagne gegen einige russische Menschenrechtsorganisationen, denen Kontakte zu westlichen Geheimdiensten unterstellt wurden. Das war eine Drohung, die aber zunächst kaum praktische Folgen hatte.

Die eigentliche Verschärfung des Kurses begann, als sich Putin im Winter 2011/12 innenpolitisch erstmals wirklich herausgefordert sah. Zehntausende demonstrierten damals in Moskau dagegen, dass er nach vier Jahren als Regierungschef wieder ins Präsidentenamt zurückkehrte. Seither wurden zahlreiche Gesetze zur Gängelung und Unterdrückung oppositioneller Aktivitäten beschlossen. Darunter ist das Gesetz, auf dessen Grundlage das Justizministerium zivilgesellschaftliche Organisationen, Medien und mittlerweile sogar Privatpersonen, die Geld aus dem Ausland erhalten, verpflichten kann, sich selbst als „ausländische Agenten“ zu bezeichnen; darunter sind auch Verschärfungen des Demonstrationsrechts, aufgrund deren selbst friedliche Demonstranten zu Haftstrafen verurteilt werden können.

Willkürliche Anwendung von Gesetzen und offene Gewalt

Diese Gesetze wurden in den vergangenen Jahren jedoch nicht konsequent, sondern willkürlich angewendet. Den meisten, die sich oppositionell engagiert haben, ist bisher nichts passiert – aber sie alle mussten damit rechnen, nach dem Zufallsprinzip herausgegriffen und zu Gefängnis verurteilt zu werden. Besonders deutlich war das in den vergangenen Jahren bei Demonstrationen zu beobachten: Wer festgenommen wurde, wer danach gleich wieder gehen durfte, wer einen Monat in der Arrestzelle verbringen musste und wer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde, folgte keiner Gesetzmäßigkeit und hatte nichts mit den angeblichen Taten zu tun. Nicht die Verfolgung aller Gegner des Regimes, sondern ihre Abschreckung war offensichtlich das Ziel. An der steigenden Zahl von Festnahmen bei Demonstrationen ist auch abzulesen, dass diese Art des Drucks seit 2017 immer größer wurde.

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Zur Politik der Abschreckung gehörte seit der Frühphase der Herrschaft Putins auch offene Gewalt gegen einzelne Kritiker. Es gab Morde wie die an der Journalistin Anna Politkowskaja 2006 oder dem Politiker Boris Nemzow 2015 und Mordversuche wie den an Alexej Nawalnyj im vorigen Sommer. Über Jahre wurden auf ihn – so wie auf andere Aktivisten – immer wieder tätliche Angriffe verübt.

Es lässt sich nicht in allen Fällen sagen, ob diese Gewalt tatsächlich von staatlichen Stellen ausging. Aber sie wurde von ihnen durch ein Klima der Straflosigkeit gefördert. Keiner dieser Fälle wurde ganz aufgeklärt, oft wurden sie nicht einmal verfolgt. Diese Attacken galten einzelnen Personen, die sich exponiert hatten. Ihre Organisationen oder Medien konnten weiter arbeiten. Wenn nun auch diese ausgeschaltet werden, leben mutige Journalisten und Aktivsten noch gefährlicher.

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